Übersichtsarbeiten - OUP 02/2023
Die chronische Syndesmosenverletzung
Atesch Ateschrang, Franziska Mitrovics, Thomas Freude
Zusammenfassung:
Die chronische Syndesmoseninstabilität ist eine seltene Komplikation der akuten Verletzung. Die Behandlungsergebnisse sind auf Grund der geringen Fallzahl sehr begrenzt. Daher ist die Interpretation der Ergebnisse und eine sich daraus ergebende Behandlungsempfehlung schwierig. Die umfangreichsten Erfahrungen liegen für die anatomische Rekonstruktion mittels Stellschraubenosteosynthese vor. Weitere Techniken werden in dieser Zusammenstellung erörtert sowie die damit verbundenen Erfahrungen, um für die Praxis einen aktuellen Wissensstand zu ermöglichen.
Schlüsselwörter:
Syndesmose, chronische Instabilität, Syndesmoseninsuffizienz, Sprunggelenk, Distorsion
Zitierweise:
Ateschrang A, Mitrovics F, Freude T: Die chronische Syndesmosenverletzung
OUP 2023; 12: 51–55
DOI 10.53180/oup.2023.0051-0055
Summary: Chronic lesions of the syndesmosis are uncommon and result from insufficient primary treatment. These specific treatment results are limited due to the fact of low case numbers. The interpretation of the available clinical results is therefore to be drawn with care. The majority involved patients with anatomic reconstruction, arthroscopic debridement and screw fixation. Alternative techniques include suture button fixation or arthrodesis. This article summarizes the relevant clinical experiences in treating chronic syndesmosis instability to provide necessary knowledge for practical care.
Keywords: Syndesmosis, chronic instability, syndesmosis insufficiency, ankle sprain
Citation: Ateschrang A, Mitrovics F, Freude T: Chronic instability of the syndesmosis
OUP 2023; 12: 51–55. DOI 10.53180/oup.2023.0051-0055
A. Ateschrang, F. Mitrovics: Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Akad. Lehrkrankenhaus der Universitätsmedizin der JG-U Mainz, Ev. Stift St. Martin, Koblenz
T. Freude: Universitätsklinik Salzburg
Einleitung
Die Sprunggelenksdistorsion ist eine der häufigsten muskuloskelettalen Verletzungen sowohl beim Hochleistungssportler als auch bei der Normalbevölkerung. Die Inzidenz liegt allein in den USA bei 2,15/1000 Personen jährlich [1]. Die Weichteilverletzungen des oberen Sprunggelenkes (OSG) betreffen nach Schätzungen bis zu 18 % die Syndesmose [2]. Die Syndesmose stabilisiert die Sprunggelenksgabel und sorgt damit für die mediale und laterale Führung des Talus. Es bestehen strukturell 3 Anteile, die von ventral nach dorsal abgegrenzt werden können. Das anteriore tibio-fibulare Ligament [ATFL), das transversale tibio-fibulare Ligament (TTFL), welches nach cranial in die Membrana interossea ausläuft sowie das posteriore tibio-fibulare Ligament (PTFL). Hinsichtlich des Patho- bzw. Verletzungsmechanismus soll meist eine kraftvolle Rotation in Abduktionstellung und Dorsalflexion verantwortlich sein [3]. Das Spektrum der Verletzungen der Syndesmose variiert von einfachen Verstauchungen bis zur Maximalvariante, die im anglo-amerikanischen auch als Frank-Diastase bezeichnet wird (Abb. 1). Die Syndesmosenverletzung kann mit und ohne Frakturen einhergehen [4]. Meist kommt es zu Rotationsfrakturen, wobei die Maisonneuve-Fraktur als „hohe Fibulafraktur“ definiert ist und besonders häufig mit instabilen Syndesmosen-Verletzungen vergesellschaftet ist [5].
Akute Syndesmosen-Verletzungen wurden für die Zeitspanne von weniger als 4 Wochen definiert [4]. Die korrekte Erfassung und Diagnosestellung können wegen fehlender Erfahrung und der unspezifischen Symptomatik übersehen werden. Insbesondere sind radiologische Befunde häufig wenig aussagekräftig, so dass einzelne Kolleginnen und Kollegen besonders auf diese spezifische Problematik der konventionell radiologischen Bildgebung hingewiesen haben [6]. Takao et al. untersuchten konventionelle Röntgenbilder und die MRT, um diese mit Befunden der Arthroskopie hinsichtlich Sensitivität, Spezifität und Ausmaß der Instabilität zu korrelieren [7]. Es konnte festgestellt werden, dass die MRT sensitiver und genauer ist als die konventionell radiologische Bildgebung.
Syndesmosenverletzungen, die übersehen oder im akuten Stadium unzureichend konservativ behandelt wurden, können zu chronischen Syndesmoseninsuffizienzen führen. Es gibt begrenzte Daten zur Prävalenz der chronischen Syndesmoseninsuffizienz, wobei die Prävalenz höher sein könnte als bisher angenommen [8, 9]. Bereits 1972 wurde durch eine sehr interessante Arbeit auf die repetitive Mikro- und möglicherweise Makrotraumatisierung des Sprunggelenkes bei professionellen Fußballspielern hingewiesen, die in 32 % der Fälle indirekte Zeichen der Syndesmosenverletzung mit Kalzifikationen aufwiesen [10].
Chronische Syndesmosenläsionen wurden für ein Zeitintervall nach Trauma von mehr als 3 Monate definiert [4]. Subacute Verletzungen kann man für die Zeit von 4 Wochen bis 3 Monate definieren, wobei die klinisch therapeutische Konsequenz im eigenen Vorgehen für akute und chronische Verletzungen differenziert wird. Komplikationen dieser Verletzungsentität sind chronische Beschwerden auf Grund der Instabilität. Diese führen je nach Ausmaß der Instabilität zu arthrotischen Knorpelveränderungen sowie Innenbandinsuffizienz, die eine bedeutende Ursache für die Instabilität des Sprunggelenks hat. Ziele der Behandlung ist die dauerhafte Stabilisierung der Sprunggelenksgabel mit gewährleisteter achsgerechter Belastung des OSG bzw. Talus und konsekutiv des Rück- sowie des Vorfußes.
Zur Behandlung der chronischen Syndesmoseninsuffizienz bestehen chirurgisch einige Optionen, die im nachfolgenden dargestellt und hinsichtlich der Erfolgsrate diskutiert werden sollen. Das operative Vorgehen besteht dabei aus 4 technisch abzugrenzenden Aspekten:
- 1. Offene oder ggf. endoskopische Ausräumung der Syndesmose mit Anfrischung der knöchernen Oberfläche, um in Abhängigkeit der OP-Technik das transversale tibio-fibulare Ligament im Sinne einer straff-stabilen Narbe zu rekonstruieren. Voraussetzung für alle nachfolgenden Techniken ist die korrekte Reposition der Fibula in die Inzisur. Für eine optimale OP-Planung ist die Anfertigung einer CT beider Sprunggelenke wichtig, da es inter-individuelle Abweichungen gibt. Das im Folgenden abgebildete Fallbeispiel macht dies deutlich. Die intraoperative 3D-Bildgebung unterstützt die Beurteilung der Repositionsqualität.
- 2. Arthroskopie des oberen Sprunggelenkes mit Debridement von narbigem peri-talarem Gewebe, um die artikuläre anatomische Reposition zu ermöglichen.
- 3. In Abhängigkeit der persönlichen chirurgischen Präferenz, Rekonstruktion der ventralen (ATFL) und ggf. auch dorsalen (PTFL) Syndesmose. Diese kann prinzipiell mittels Sehen-Ersatz-Plastik oder auch ortsständigem Periost-Streifen realisiert werden.
- 4. Temporäre Stabilisierung der Sprunggelenksgabel. Hierzu bestehen grundsätzlich die Option mittels rigider bzw. statischer Stellschrauben, die dynamische Stabilisierung mittels Faden- und Mini-Plattensystemen (Suture-Button, TightRope® ect.) als auch einer älteren semirigiden Option, die bereits 1971 von Engelbrecht als Syndesmosen-Haken beschrieben wurde [11]. Eine technische Sonderform stellt dabei die Schaffung einer dauerhaften tibio-fibularen Arthrodese dar mit fester knöcherner Überbrückung der ehemaligen Syndesmose.