Originalarbeiten - OUP 12/2018
KnorpelRegister DGOU: Was können wir aus der Versorgungsforschung lernen?
Philipp Niemeyer1, Gunther Spahn2
Zusammenfassung: Das KnorpelRegister DGOU
wurde im Oktober 2013 initiiert und erlaubt die
prospektive Erfassung von Patienten mit Knorpelschäden am Kniegelenk, der Hüfte und dem oberen Sprunggelenk (OSG). Anders als prospektiv-randomisierte Studien bildet es die Versorgungsrealität in Deutschland ab und erlaubt somit für die Behandlung von Knorpelpatienten relevante und wertvolle Schlussfolgerungen. Die ersten Publikationen
detektieren hierbei interessante epidemiologische Zusammenhänge, aber auch wichtige Informationen über die
Gelenkfunktion und Komplikationen knorpelregenerativer Operationstechniken.
Schlüsselwörter: Knorpelschaden, Knie, Knorpel, Register,
Komplikationen
Zitierweise
Niemeyer P, Spahn G: KnorpelRegister DGOU: Was können wir aus der Versorgungsforschung lernen?
OUP 2018; 7: 604–610 DOI 10.3238/oup.2018.0604–0610
Summary: The German Cartilage Registry (KnorpelRegister DGOU) was initiated in October 2013 and allows the prospective enrollment of patients with cartilage damage to the knee joint, the hip and the ankle joint. In contrast to prospective randomized studies, it represents the unselected reality of cartilage repair patients in Germany, allowing relevant and valuable conclusions for the treatment of these patients. The first publications describe interesting epidemiological data, but also important information about the joint function in patients suffering from cartilage defects as well as complications of cartilage-regenerative surgical techniques. The present article describes the German Cartialge Registry and summarizes recent publications.
Keywords: cartilage defect, knee, cartilage, registry,
patient-reported outcome
Citation
Niemeyer P, Spahn G: German Cartilage Registry:
What can we learn from registry data?
OUP 2018; 7: 604–610 DOI 10.3238/oup.2018.0604–0610
1 OCM – Orthopädische Chirurgie München und Universitätsklinikum Freiburg
2 Praxisklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Eisenach und Universitätsklinikum Jena
Hintergrund
In vielen Bereichen der operativen Medizin, so auch in der operativen Orthopädie und Unfallchirurgie, hat in den letzten Jahren die Forderung nach wissenschaftlicher Evidenz als Basis für die Patientenversorgung und Entscheidungsfindung sowohl von ärztlicher als auch von Seite der Patienten und Kostenerstatter im Gesundheitswesen zugenommen. Als Beispiele sind hier sicherlich neben dem Bewertungsverfahren zur „Arthroskopie bei Gonarthrose“ durch den Gemeinsamen Bundesausschuss der Krankenkassen (GBA) auch die aktuellen Diskussion um die Wertigkeit z.B. der arthroskopischen Meniskusteilresektion zu nennen. Ergebnisse des eigenen Handels transparent zu gestalten gewinnt aber auch zunehmend als Marketinginstrument in Klinik oder Praxis an Bedeutung, sodass das Zitat von Theodor Billroth „Bald wird die Zeit kommen, wo auch unsere Schüler und Kollegen sich nicht mit allgemeinen Bemerkungen über diese oder jene Erfolge zufrieden geben, sondern jeden Arzt für einen Scharlatan halten, der nicht im Stande ist, seine Leistungen in Zahlen auszudrücken“ aus unterschiedlichen Perspektiven aktueller den je erscheint und sicherlich auch auf die Patienten ausgeweitet werden kann.
Die operative Behandlung von Knorpelschäden stellt in Bezug auf die Frage nach wissenschaftlicher Evidenz hier ein außerordentlich positives Beispiel dar, da sich in den vergangenen Jahren die Datenlage hier deutlich gebessert hat. So sind gerade für die Frage nach Sicherheit und Effektivität der autologen Knorpelzelltransplantation hier eine Vielzahl prospektiv-randomisierter Studien im höchstem Evidenzlevel verfügbar, die sich mit unterschiedlichsten Aspekten der Behandlung in Bezug auf Indikationen, verfügbare Produkte, aber auch dem wichtigen Aspekt der Nachbehandlung beschäftigen [1–4].
Auch wenn diese Studien nicht in allen Fällen aus rein wissenschaftlichem Antrieb initiiert wurden, sondern ein großer Anteil der Studien auch im Rahmen der Zulassungsverfahren als Arzneimittel zustande gekommen sind, schmälert dieser Umstand nicht den wissenschaftlichen Wert und die Evidenz für diese Methode.
Dennoch kann und darf sich wissenschaftliche Evidenz nicht auf prospektiv-randomisierte Studien beschränken, da diese – verursacht durch die strengen Ein- und Ausschlusskriterien – nur einen kleinen Teil der Patienten mit klinisch relevanten und behandlungsbedürftigen Knorpelschäden repräsentieren [5] und viele Fragestellungen wie die Frage nach dem Einfluss von nicht-randomisierbaren Risikofaktoren und Prognosefaktoren (z.B. Geschlecht oder Alter) oder aber auch Fragen nach der Inzidenz seltener Komplikationen nicht beantwortet werden können.
Vor diesem Hintergrund scheinen als Ergänzung der prospektiv-randomisierten Studien Beobachtungsstudien mit großen Fallzahlen (prospektive Kohortenstudien) unerlässlich. Aus Sicht der Autoren stellen diese auch eindeutig für viele Fragestellungen (wie die oben erwähnten Beispiele) die „best verfügbare Evidenz“ dar, weshalb sie auch bei der Bewertung der Evidenz der Methode nicht als minderwertig angesehen, sondern in Abhängigkeit der Fragestellung als gleichwertig oder sogar wegen der in der Regel großen Fallzahlen als überlegen angesehen werden sollten. Diese Forderungen wird auch von anderen Arbeitsgruppen geteilt [6–8] und sie stellen die Grundlage der Entwicklung vieler Register dar. Wie effektiv dies sein kann, verdeutlichen auch neuere Studien aus den skandinavischen Registern zur Behandlung von Kreuzbandrupturen mit mehr als 40.000 dokumentierten Patienten, die wichtige Fragestellungen aufwerfen und bedeutende Informationen zum aktuellen Stand der Wissenschaft beitragen.
Prinzip des
KnorpelRegister DGOU
Vor diesem Hintergrund wurde nach langer Vorbereitung im Oktober 2013 das KnorpelRegister DGOU initiiert [9].
Es stellt eine prospektive Datenbank dar, in welcher Patienten mit Knorpelschäden an der Hüfte, dem Sprunggelenk und dem Kniegelenk registriert werden können und anhand eines „Remote Data Entry (RDE)“-Systems) über einen Zeitraum von bis zu 10 Jahren automatisiert nachverfolgt und anhand validierter patient-reported outcome score (PROM) in Bezug auf das Behandlungsergebnis beurteilt werden können.