Übersichtsarbeiten - OUP 01/2024

Verletzungen ischiofemoral
Immer konservativ?

Markus-Johannes Rueth, Philipp Koehl, Alexander Schuh

Zusammenfassung:
Ischiofemorale Verletzungen sind sehr selten und werden in ihrer Bedeutung unterschätzt. Zu den ischiofemoralen Verletzungen gehören der Apophysenabriss bzw. Fraktur des Trochanter minors und des Tuber ischiadicums, Ruptur bzw. Verletzung des Musculus quadratus femoris und Ruptur bzw. Verletzung der Iliopsoassehne. In der Regel erfolgt die konservative Therapie, wobei in Einzelfällen die operative Versorgung erwogen werden muss. Als Folge einer ischiofemoralen Verletzung kann ein ischiofemorales Impingement auftreten. Andererseits kann ein ischiofemorales Impingement zu einer Verletzung bzw. Ruptur des Musculus quadratus femoris führen.

Schlüsselwörter:
Verletzung, ischiofemoral, Musculus quadratus femoris, Trochanter minor, Tuber ischiadicum,
Iliopsoas

Zitierweise:
Rueth M-J, Koehl P, Schuh A: Verletzungen ischiofemoral. Immer konservativ?
OUP 2024; 13: 10–14
DOI 10.53180/oup.2024.010-014

Summary: Ischiofemoral injuries are very rare and their importance is underestimated. The ischiofemoral injuries include avulsion fractures of the lesser trochanter and the ischial tuberosity, rupture or injury of the quadratus femoris muscle and rupture or injury of the iliopsoas tendon. As a rule, conservative therapy is carried out, although in individual cases surgical treatment must be considered. As a result of an ischiofemoral injury, ischiofemoral impingement can occur. On the other hand, ischiofemoral impingement can lead to an injury or rupture of the quadratus femoris muscle.

Keywords: Injury, ischiofemoral, quadratus femoris muscle, lesser trochanter, ischial tuberosity, iliopsoas

Citation: Rueth M-J, Koehl P, Schuh A: Ischiofemoral injuries. Conservative treatment only?
OUP 2024; 13: 10–14. DOI 10.53180/oup.2024.010-014

M.-J. Rueth: Sportklinik, Klinikum Fichtelgebirge, Marktredwitz

P. Koehl: Klinik für Unfallchirurgie, Klinikum Fichtelgebirge, Marktredwitz

A. Schuh: Abteilung für Muskuloskelettale Forschung, Klinikum Fichtelgebirge, Marktredwitz

Einleitung

Das ischiofemorale Impingement (IFI) ist eine seltene Erkrankung und stellt eine der Entitäten des sog. extraartikulären Impingements der Hüfte dar. Das IFI wird als Subgruppe des hinteren Hüftschmerzes beschrieben (Posterior Hip Pain – PHP). Zum PHP-Komplex gehören neben dem IFI, das „Tiefe Glutealsyndrom“ (Deep Gluteal Syndrome – DGS) und die Tendinose des M. Gluteus medius und des M. Gluteus minimus [1, 22, 30, 37, 49, 58, 61].

Das iatrogen verursachte IFI nach Implantation einer Hüft-Totalendoprothese wurde erstmals 1977 von Johnson et al. beschrieben [23, 39]. Das IFI wird definiert als eine Einengung des Raums, welcher lateral vom Trochanter minor und medial von der lateralen Sitzbeinfacette begrenzt wird, mit einer daraus resultierenden Einklemmung der darin befindlichen Weichteilstrukturen, vornehmlich des M. quadratus femoris [22, 49, 58, 61]. Das IFI ist ein dynamischer Prozess, welcher vornehmlich in Extension und Außenrotation des Hüftgelenks auftritt. Diese Einengung kann idiopathisch bedingt sein oder durch angeborene, erworbene oder iatrogene Begleitpathologien entstehen. Beispielhaft für angeborene Ursachen sind die Hüftdysplasie mit einhergehender valgischer Schenkelhalskonfiguration und Reduktion des femoralen Offsets oder die Coxa valga congenita zu nennen (Abb.1) [49, 58, 61]. Dies sind auch die mit Abstand häufigsten Ursachen des IFI, weshalb von einem IFI auch zumeist Frauen betroffen sind [1, 58].

Die erworbenen Begleitpathologien umfassen die arthrosebedingte superomediale Migration des Hüftkopfs, Folgezustände des Morbus Perthes oder proximaler Femurfrakturen sowie kartilaginäre Exostosen des proximalen Femurs oder Beckens [58, 61].

Eine Insuffizienz der Glutealmuskulatur führt über ein Absinken des Beckens beim Gehen funktionell zu einer vermehrten Adduktion der Hüfte auf der betroffenen Seite mit Reduktion des ischiofemoralen Raums [25, 58]. Ein analoger funktionell-positioneller Mechanismus zeigt sich bei Beinlängendifferenz mit Beckenschiefstand. Ebenfalls können Pathologien der Hamstring-Sehnenansätze oder der Iliopsoassehne weichteilig den „Quadratus femoris space“ einengen und zum IFI führen [58, 61]. Iatrogene Ursachen für ein IFI sind vor allem bei der Endoprothetik der Hüfte mit Reduktion des femoralen Offsets oder bei einer valgisierenden Umstellungsosteotomie des proximalen Femurs gegeben.

Um das IFI zu quantifizieren, wird häufig der sog. Ischiofemorale Raum (Ischiofemoral Space – IFS) oder Quadratus femoris Raum (Quadratus Femoris Space – QFS) verwendet. Der IFS wird dabei definiert als der kürzeste Abstand zwischen dem Kortex des Trochanter minors und dem Kortex des Tuber ischiadicum. Der QFS wird definiert als der kürzeste Abstand zwischen den Hamstringsehnen und der Iliopsoassehne bzw. des Trochanter minors [49]. Der IFS wird in der Normalbevölkerung mit 18–26 mm angegeben, wobei diese Absolutwerte sehr lageabhängig sind [6, 22, 30, 58, 59].

Zur konservativen Behandlung des IFI gehört die ultraschallgestützte Infiltration des M. quadratus femoris, Physiotherapie und die analgetisch-antiphlogistische Therapie. Die operative Behandlung des IFI beinhaltet die offene oder arthroskopische Teilresektion des Trochanter minors, die Modellierung des lateralen Tuber ischiadicum, Debridement der Quadratus femoris Sehne oder intertrochantere Korrekturosteotomien (Abb. 2) [6, 58, 69].

Ischiofemorale Verletzungen werden in ihrer Bedeutung und im Hinblick auf die Folgen eines IFI unterschätzt. Im Folgenden werden Verletzungen der Strukturen beschrieben, die den IFS begrenzen: Apophysenabriss bzw. Fraktur des Trochanter minors und des Tuber ischiadicums, Ruptur bzw. Verletzung des Musculus quadratus femoris und Ruptur bzw. Verletzung der Iliopsoassehne. Vor dem Hintergrund eines möglichen posttraumatischen IFI sollten die operativen und konservativen Behandlungskonzepte kritisch abgewogen werden; es stellt sich die Frage, ob ischiofemorale Verletzungen immer konservativ behandelt werden sollen.

Apophysenabriss bzw. Fraktur des Trochanter minors

Avulsionsverletzungen
des Trochanter minors
des Jugendlichen

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