Übersichtsarbeiten - OUP 01/2024
Verletzungen ischiofemoralImmer konservativ?
Zu den Sportarten mit dem größten Verletzungsrisiko zählen u.a. Fußball, Turnen und Leichtathletik [45]. Eine akute kraftvolle Hüftbeugung bei gestrecktem Knie, bspw. beim Hürdenlauf, entspricht dem typischen Entstehungsmechanismus [15, 47 67].
Anamnestisch geben Patientinnen und Patienten ein knallendes Geräusch an mit Schmerzen im Bereich des Ursprungs der ischiocruralen Muskulatur, teils mit Ausstrahlung entlang der Muskulatur. Oft denkt man zuerst an einen Muskelriss und gelegentlich wird die Diagnose erst nach einer gewissen Latenzzeit gestellt [8, 45, 47, 67].
Die Untersuchung ergibt aber ein druckschmerzhaftes Tuber ischiadicum, Schwellung der Region und einen Muskeldehnungsschmerz [45, 47, 67]. Die Patientinnen und Patienten geben stärkere Schmerzen beim Sitzen als beim Stehen an.
Die Diagnose wird radiologisch auf der Beckenübersichtsaufnahme gestellt [47. 67], wobei sich diese Aufnahme initial in bis zu 70 % der Fälle unauffällig zeigt. Eine Sonografie ist in der Akutphase wegweisend und hat eine hohe Sensitivität für die korrekte Diagnose. Die Computertomografie kann die apophysäre Avulsionsfraktur korrekt erkennen, während das MRT eher für Pathologien im Muskel-Sehnen-Bereich indiziert ist [8, 45, 47, 67].
Das Ausmaß der Verletzung variiert in Abhängigkeit des Traumas, sodass einige Autorinnen und Autoren ein abgestuftes therapeutisches Vorgehen vorschlagen [67]. Da das Periost oft am Fragment adhärent bleibt, wird eine größere Dislokation verhindert [47].
Die Therapie ist in aller Regel (ca. 90 %) konservativ [8. 45, 47,67], sie beinhaltet die konsequente Teilbelastung mit 20 kg an einem Paar Unterarmgehstützen für 2–4 Wochen. Parallel dazu wird eine Ossifikationsprophylaxe mit Ibuprofen für 2–3 Wochen empfohlen [45, 67]. Bei Schmerzfreiheit wird mit dem Rehabilitationsprogamm und dem weiteren Belastungsaufbau begonnen [15, 67].
Zunächst stehen Bewegungsübungen im Vordergrund, auf Dehnungs- oder Sprungbelastungen sollte etwa bis zur 8. Woche verzichtet werden. Bei einem erfolgreichen Verlauf der Rekonvaleszenz können die Belastungsumfänge gesteigert werden. Mit einer völligen Schmerzfreiheit ist beim Tuberausriss nach 3–4 Monaten zu rechnen, danach ist die Wiederaufnahme der sportlichen Aktivitäten möglich [47, 67].
Schlecht bzw. nicht verheilte Avulsionsverletzungen des Tuber ischiadicum können zu einem IFI bzw. Dysfunktion der ischiocruralen Muskulatur führen [45, 54]. In diesen Fällen kann eine Revision des Nervus ischiadicus, Resektion des Fragmentes und Refixierung der ischiocruralen Muskulatur indiziert sein mit guten Ergebnissen [45, 54]. Ziel der Behandlung von Avulsionsverletzungen ist es, derartige Verläufe nach Möglichkeit zu verhindern.
Die operative Therapie besteht in der Regel in der offenen Reposition des Fragments und Schraubenfixation. Die Metaanalyse von Eberbach et al. zeigt, dass 76 % der Verletzungen mit Schrauben, 15 % mit K-Drähten und 9 % mit Osteosyntheseplatten versorgt wurden [47]. Eine Dislokation des Fragmentes von über 2 cm wird als Operationsindikation mittlerweile akzeptiert [7, 8, 11, 15, 28, 67], andere Autorinnen/Autoren sehen eine Dislokation > 1,5 cm als Operationsindikation an [35]. Für Leistungssportlerinnen und -sportler werden diese Grenzen fließender, die operative Behandlung als wichtige Alternative gesehen, um die Sportlerinnen und Sportler schneller auf ihr ursprüngliches Leistungsniveau zu bringen [47, 67]. Die Ergebnisse der operativen Behandlung akuter Apophysenausrisse, insb. des Tuber ischiadicum werden als sehr positiv angegeben, besser als nach chronischer bzw. länger bestehender Verletzung, wenn man die obigen Indikationskriterien berücksichtigt [47, 67]. Durch die operative Behandlung eines Apophysenausrisses kommt es in über 80 % der Patientinnen und Patienten zu einer Rückkehr zu dem Sportniveau vor der Verletzung [51].
Ruptur bzw. Verletzung des Musculus quadratus femoris
Der M. quadratus femoris entspringt am Tuber ischiadicum nahe des Hinterrandes des Foramen obturatum und setzt nach nahezu horizontalem Verlauf an der Crista intertrochanterica an. Er wird vom Nervus ischiadicus, der durch das Foramen ischiadicum austritt und zur Gesäßregion hin verläuft, überkreuzt. Seine Innervation erfolgt jedoch durch Äste des Plexus sacralis. Durch seinen Verlauf kann der M. quadratus femoris seine Zugwirkung senkrecht zur Rotationsachse des Oberschenkels entfalten. Auf diese Weise ist eine effektive Außenrotation im Hüftgelenk möglich. Zudem unterstützt er die Adduktion des Oberschenkels. [5, 63].
Der traumatische Muskelriss des Musculus quadratus femoris ist eine sehr seltene Verletzung. Die sofortige und korrekte Diagnose ist aufgrund seiner Seltenheit eine Herausforderung, da zahlreiche andere Erkrankungen ähnliche Beschwerden verursachen. Es sind nur wenige Fälle einer Teil- und Vollruptur des M. quadratus femoris in der Literatur beschrieben [5, 17, 36, 42, 63, 66, 70].
Verletzung des Musculus quadratus femoris treten überwiegend bei Frauen auf (Frauen:Männer = 6:1). Das Alter der Patientinnen und Patienten bei Verletzung liegt zwischen 17 und 43 Jahren mit einem Durchschnittsalter von 29,6 Jahren. Die Symptome reichen von Leistenschmerzen, über Schmerzen am Gesäß bis zu Schmerzen des hinteren Oberschenkels. Der Zeitraum zwischen Verletzung und korrekter Diagnosestellung variiert zwischen 1 Tag und 5 Monaten [36].
Der genaue Mechanismus dieser Verletzung ist unbekannt. Bei Tennisspielerinnen und -spielern kann es bei einer starken exzentrischen Anspannung des Musculus quadratus femoris liegen, bei dem Versuch die Innenrotation der Hüfte während der Folgephase des Aufschlags zu kontrollieren [66]. Andererseits kann ein angeborener verringerter Abstand zwischen dem Trochanter minor und dem Tuber ischiadicum ein prädisponierender Faktor für ein Impingement des Musculus quadratus femoris darstellen. Die MRT-Untersuchung führt in der Regel zur korrekten Diagnose [5, 17, 36, 42, 63, 66, 70].