Übersichtsarbeiten - OUP 06/2014
Akupunktur in der Sportorthopädie – aktueller Stand der Evidenz
F. Pfab1
Zusammenfassung: Die Anzahl wissenschaftlicher Studien zur Akupunktur hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Diese Übersicht stellt interessante Einsatzgebiete und Indikationen für die Akupunktur innerhalb der Sportorthopädie kurz dar. Neben Knie-, Schulter-, Ellbogen- und postoperativen Schmerzen gibt es deutliche Hinweise für eine Wirksamkeit von Akupunktur bei akuter Lumbago sowie bei Sprunggelenkdistorsionen. Dry Needling stellt eine interessante Option bei myofaszialen Schmerzen dar.
Schlüsselwörter: Akupunktur, Schmerzbehandlung, Lumbago, Sprungelenkdistorsion, Dry Needling, myofasziale Schmerzen
Zitierweise
Pfab F. Akupunktur in der Sportorthopädie – aktueller Stand der Evidenz.
OUP 2014; 6: 269–272 DOI 10.3238/oup.2014.0269–0272
Abstract: The amount of scientific studies about acupuncture has increased significantly during the last years. This short review presents areas of evidence-based use of acupuncture within the field of orthopedic sports medicine. Besides knee, shoulder, lateral elbow and postoperative pain, scientific meta-analysis also points towards a specific effect of acupuncture in acute low back pain and ankle sprains. Dry needling is an emerging option for myofascial pain conditions.
Keywords: acupuncture, treatment of pain, low back pain, ankle sprain, dry needling, myofascial pain
Citation
Pfab F. Acupuncture in orthopedic sports medicine – overview of current state of evidence.
OUP 2014; 6: 269–272 DOI 10.3238/oup.2014.0269–0272
Einleitung
Die Inanspruchnahme und Akzeptanz von klassischen Naturheilverfahren und Alternativmedizin wird immer beliebter in Deutschland und anderen europäischen Ländern [1]: Circa 75 % der deutschen Bevölkerung nutzt Naturheilverfahren beziehungsweise komplementäre oder alternative Therapieformen [2].
Akupunktur (lateinisch: acus = Nadel, pungere = stechen) stellt neben Phytotherapie, Tuina, Ernährungstherapie und Qi Gong eine der 5 Säulen der Traditionellen Chinesischen Medizin dar. Funde von Akupunkturwerkzeugen sowie Tätowierungen an Akupunkturpunkten wie bei Ötzi – der 5200 Jahre alten Moorleiche aus den Tiroler Alpen – lassen auf einen polygenetischen Ursprung der Methode vor mehreren Tausend Jahren schließen [3, 4].
Neben der klassischen Körperakupunktur gibt es verschiedene andere Akupunkturvarianten, z.B. Mikrosysteme wie die Ohr- oder Schädelakupunktur oder das „Dry Needling“. Bei der Körperakupunktur werden entsprechend der individuellen Symptomatik und Konstitution des Patienten meist zwischen 4 und 15 von insgesamt über 400 Akupunkturpunkten ausgewählt und genadelt. Die Nadelverweildauer liegt meist zwischen 15 und 30 Minuten. Bei der Mikrosystemakupunktur gilt ein ähnliches Prinzip, allerdings werden meist Akupunkturpunkte mit erhöhter Schmerzhaftigkeit innerhalb einer kleineren begrenzten Körperzone ausgesucht. Beim Dry Needling wird die Akupunkturnadel als Tool benutzt, um myofasziale Triggerpunkte zu lösen. Die Auswahl der Punkte erfolgt hierbei nach Druckempfindlichkeit und ggf. vorkommenden Schmerzausstrahlungsmustern. Die Nadel wird nach erfolgter kurzer Stimulation eines Triggerpunkts mit entsprechend ausgelöster Zuckungsreaktion (twitch response“) des Gewebes sofort wieder zurückgezogen (Abb. 1).
In den letzten Jahren zeigte sich ein deutlicher Zuwachs an qualitativ hochwertigen wissenschaftlichen Studien zu Wirksamkeit und Wirkmechanismus der Akupunktur, sodass sich inzwischen einige interessante Indikationen zur Anwendung von Akupunktur innerhalb der Sportorthopädie finden.
Diese Übersicht stellt Anwendungsgebiete der Akupunktur innerhalb der Sportorthopädie und deren Evidenz kurz dar.
Akupunktur und
chronischer Schmerz
In einer kürzlich erschienenen Übersichtsarbeit von Vickers et al. [5] wurde der Effekt von Akupunktur bei chronischen Knie-, Rücken-, Schulter- und Kopfschmerzen anhand von 29 randomisierten, kontrollierten Studien (n = 17.922) evaluiert: Akupunktur (Schmerzreduktion um 50 %) reduzierte Schmerz signifikant (p < 0,001) im Vergleich zu Sham (= oberflächliche Nadelung eines Nicht-Akupunkturpunkts; Schmerzreduktion um 42,5 %) und Wartelistenkontrolle (Schmerzreduktion um 30 %) [6].
Der bekannteste Schmerzpunkt der Körperakupunktur ist Hegu (Di4, Abb. 2).
Knie
Nach aktuellem Stand reduziert Akupunktur Knieschmerz um ca. 5,5 % bzw 19,5 % im Vergleich zu Shamakupunktur bzw. Wartelistenkontrolle [5]. In einer systematischen Meta-Analyse zur konservativen Therapie des anterioren Knieschmerz wird folgendes evidenzbasiertes Vorgehen empfohlen: Initial lokale und proximale multimodale Physiotherapie, im Anschluss Orthesen bzw. Akupunktur nach Bedarf [7].
Im aktuellen Cochrane Review zu Knie- bzw. Hüftgelenkarthrose [8] (n = 3598) zeigte sich eine signifikante geringe Besserung von Schmerz (4 %) und Gelenkfunktion (4 %) durch Verumakupunktur im Vergleich zu Shamakupunktur, sowie eine deutliche Besserung von Schmerz (29 %) und Gelenkfunktion (25 %) beim Vergleich Verumakupunktur versus Wartelistenkontrolle; d.h. neben einem geringen spezifischen Effekt der Akupunktur spielen auch die Erwartungs- und Placebo-/Verfahrenseffekte eine große Rolle.
Häufige in den Studien verwendete Akupunkturpunkte sind u.a. Di4 sowie Ma34, 56, 36, Bl40, Mi9, 10 als Lokalpunkte.
Schulter
Nach aktuellem Stand reduziert Akupunktur Schulterschmerzen um ca. 20 % im Vergleich zu Shamakupunktur [5]. Auch bzgl. Frozen Shoulder gibt es derzeit deutliche Hinweise für eine Wirksamkeit von Akupunktur [9]. In einer Vergleichsstudie zur Therapie des subacromialen Impingementsyndroms zeigten sich sowohl nach Kortikosteroidinjektionen (1–2 Gaben von jeweils 40 mg Methylprednisolon innerhalb von 2 Wochen) als auch Akupunktur (10 Sitzungen innerhalb von 5 Wochen) nach einem 12-monatigem Follow-up signifikante Besserungen von Schmerz und Funktion im Vergleich zu „vor Therapiebeginn“; allerdings gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen.
Häufige in den Studien verwendete Akupunkturpunkte sind u.a. Di 4 und Ma 38, sowie Di 14, 15, 3E14 und Lu1 als Lokalpunkte.