Arzt und Recht - OUP 11/2015

Aufklärung fremdsprachlicher Patienten*

Schwierigkeiten bei der Verständigung zwischen Arzt und Patient können zu erheblichen Problemen bei der Aufklärung und damit bei der wirksamen Einwilligung in die Behandlung führen. Der Beitrag gibt praktische Empfehlungen.

Im Krankenhausalltag ist die Behandlung fremdsprachiger Patientinnen und Patienten an der Tagesordnung. In Anbetracht der hohen rechtlichen Anforderungen, die der Gesetzgeber und die Rechtsprechung an die Aufklärung des Patienten stellen, können Schwierigkeiten bei der Verständigung zu erheblichen Problemen führen.

Die ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten ist die Grundlage der Behandlung. Nur der ordnungsgemäß über die Behandlung aufgeklärte Patient kann wirksam in die Behandlung einwilligen.

Umfassende Aufklärung

Nach § 630 e Abs. 1 BGB ist der Arzt verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist dazu auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.

Die sogenannte Beweislast für die ordnungsgemäße Aufklärung liegt beim Arzt: Nach § 630 h Abs. 2 BGB hat der Arzt zu beweisen, dass eine wirksame Einwilligung vorgelegen und er den Patienten entsprechend den Anforderungen des § 630 e BGB aufgeklärt hat.

Die Aufklärung muss mündlich durch den Arzt oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt; ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält. Sie muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann, sie muss für den Patienten verständlich sein (§ 630 e Abs. 2 BGB).

Dies bedeutet, dass die Aufklärung sowohl sprachlich wie inhaltlich vom Patienten verstanden werden muss.

Rechtsprechung uneinheitlich

Die Rechtsprechung zu den sich häufenden Fällen (behaupteter) unzureichender Aufklärung fremdsprachiger Patienten ist uneinheitlich. Eine grundsätzliche Verpflichtung des aufklärenden Arztes, sich mit ausländischen Patienten stets per Sprachmittler zu verständigen, besteht danach zwar nicht. Der Arzt muss aber eine sprachkundige Person hinzuziehen, wenn zu befürchten ist, dass der Patient die deutsche Sprache nicht genügend beherrscht oder deutsche Sprachkenntnisse nicht ohne Weiteres angenommen werden können.

Im Zweifel Dolmetscher
hinzuziehen

Dies erfordert bei Patienten, die nach eigenen Angaben oder nach der Überzeugung des Behandelnden der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind, dass die Aufklärung in einer Sprache zu erfolgen hat, die der Patient versteht. Erforderlichenfalls ist eine sprachkundige Person oder ein Dolmetscher auf Kosten des Patienten hinzuzuziehen. Diese Anforderungen rechtfertigen sich aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten.

Als „sprachkundige Person“ kommen sowohl eine Begleitperson (Familienangehörige) des Patienten wie auch sprachkundige Praxis- oder Krankenhausmitarbeiter in Betracht. Gibt der fremdsprachige Patient während des Aufklärungsgesprächs nicht zu erkennen, dass er die Aufklärung nicht verstanden hat, darf der Arzt grundsätzlich von einer wirksamen Einwilligung in den Eingriff ausgehen. Anderenfalls hätte der Patient dem Arzt mitteilen müssen, dass er etwas nicht verstanden hat.

Vorsichtshalber fragen

Im Zweifel sollte der Arzt vorsichtshalber immer noch einmal nachfragen, ob der Patient ihm sprachlich folgen konnte. Der Arzt muss sich vergewissern, dass die Aufklärung verstanden worden ist. Er kann dabei darauf vertrauen, dass der grundsätzlich sprachkundige Patient auch nachfragt. Sofern der Patient den Eindruck erweckt, der deutschen Sprache hinreichend mächtig zu sein, kann er sich im Nachhinein nicht darauf berufen, etwas nicht verstanden zu haben.

Ist der Patient der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig und auch ein Dolmetscher nicht verfügbar oder kann der Patient die Kosten des Dolmetschers nicht tragen, so kann die Behandlung grundsätzlich — ausgenommen im Notfall — auch abgelehnt werden.

Der „umgekehrte Fall“ des nicht sprachkundigen Arztes führt im Übrigen auch zu einer unzureichenden Aufklärung mit den geschilderten haftungsrechtlichen Folgen. Auch in diesem Fall trägt der Arzt das „Aufklärungsrisiko“, wenn eine sichere Verständigung mit dem Patienten nicht ohne Weiteres möglich ist.

Dr. jur. Dirk Schulenburg, MBA

Justiziar der Ärztekammer Nordrhein

Tersteegenstraße 9

40474 Düsseldorf

dr.schulenburg@aekno.de

www.aekno.de

Fussnoten

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus chefarzt aktuell Juli/August 2015; Nr. 4/15, Seite 69–70

SEITE: 1