Übersichtsarbeiten - OUP 01/2024

Die OF-Pelvis-Klassifikation für osteoporotische Sakrum- und Beckenringfrakturen

Bernhard Wilhelm Ullrich, Max Joseph Scheyerer, Ulrich Albert Joseph Spiegl,
Thomas Mendel, Klaus John Schnake

Zusammenfassung :
Im Zusammenhang mit der Alterung der Bevölkerung steigen die Inzidenzen für Frakturen des Sakrums und des Beckenrings. Diese stellen eine Herausforderung für ambulante und stationäre Versorgungseinrichtungen dar. Die Arbeitsgruppe osteoporotische Frakturen der Sektion Wirbelsäule der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) hat unter dem Gesichtspunkt einer reliablen und einfachen Anwendbarkeit die OF-Pelvis-Klassifikation für diese Verletzungen entwickelt. Die OF-Pelvis-Klassifikation teilt die Frakturen in 5 Kategorien ein. Von OFP 1 bis OFP 5 steigen die Verletzungsschwere und der Instabilitätsgrad an. OFP 1 entspricht dem alleinigen Ödemnachweis im Sakrum oder Beckenring ohne Frakturnachweis in der Computertomografie. Die Kategorie 2 entspricht einer ein- oder beidseitigen Fraktur des vorderen Beckenrings in der CT-Diagnostik. Eine OFP-3-Fraktur entspricht einer einseitig hinteren Sakrumfraktur mit fakultativer Fraktur des vorderen Beckenringes. Bei einer Verletzung der Kategorie OFP 4 liegt eine beidseitige hintere Sakrumfraktur vor. Der höchste Schweregrad, eine transiliosakrale oder iliakale Fraktur, entspricht der Kategorie OFP 5. Drei Modifikatoren können angewendet werden. Diese können zusätzlich zu den Untergruppen vergeben werden und weisen auf eine größere Instabilität oder die Verletzung weiterer Strukturen hin. Ein Abriss des Querfortsatzes des LWK 5 entspricht dem Modifikator 1. Modifikator 2 wird vergeben, wenn eine Dislokation der Fraktur vorliegt. Ein Ödemnachweis an einer Lokalisation des Beckenringes, an welcher keine Fraktur im CT nachweisbar ist, entspricht dem Modifikator 3.
In einer ersten Testung der Übereinstimmung in der Beurteilung der Kategorien und Modifikatoren durch mehrere Untersucher zeigte sich eine substanzielle bis nahezu perfekte Übereinstimmung (Fleiss‘ kappa = 0,764–0,790 für die Kategorien, Fleiss‘ kappa = 0,646–0,629 für die Modifikatoren).
Die OF-Pelvis scheint ein reliables Instrument zur Klassifikation von osteoporotischen Sakrum- und Beckenringfrakturen zu sein, welches auch für nicht auf die Behandlung solcher Frakturen spezialisierten Ärztinnen und Ärzte aufgrund seiner Zuverlässigkeit und Einfachheit eine Hilfe im klinischen Alltag sein kann.

Schlüsselwörter:
Sakrum, Beckenring, Fraktur, Osteoporose, Klassifikation

Zitierweise:
Ullrich BW, Scheyerer MJ, Spiegl UAJ, Mendel T, Schnake KJ: Die OF-Pelvis-Klassifikation für
osteoporotische Sakrum- und Beckenringfrakturen
OUP 2024; 13: 22–25
DOI 10.53180/oup.2024.022–025

Summary: As the population ages, the incidence of fractures of the sacrum and pelvic ring is increasing. This represents a challenge for outpatient and inpatient care facilities. The Osteoporotic Fractures Working Group of the Spine Section of the German Society for Orthopaedics and Trauma (DGOU) has developed the OF-Pelvis classification for these injuries with a view to making it reliable and easy to use.
The OF-Pelvis classification divides these injuries into 5 categories. From OFP 1 to OFP 5, the injury severity and instability grade increases. Category OFP 1 corresponds to evidence of edema in the sacrum or pelvic ring
without evidence of fracture on computed tomography. Category OFP 2 corresponds to a unilateral or bilateral
fracture of the anterior pelvic ring on CT-scan. An OFP 3 fracture corresponds to a unilateral posterior sacral fracture with facultative fracture of the anterior pelvic ring. An OFP 4 fracture presents with a bilateral posterior sacral fracture. The highest severity is an injury which is transiliosacral or iliac and corresponds to the OFP 5
category.
Three modifiers can be assigned. These indicate a higher degree of instability or further injuries. An avulsion of the transverse process of LWK 5 corresponds to modifier 1. Modifier 2 is assigned if there is dislocation of the fracture. Evidence of an edema in a location of the pelvic ring where no fracture is detectable on CT-scan corresponds to modifier 3.
Initial testing of the assessment of categories and modifiers by multiple investigators showed substantial to
near perfect agreement (Fleiss‘ kappa = 0.764–0.790 for the categories, Fleiss‘ kappa = 0.646–0.629 for the modifiers).
The OF-Pelvis seems to be a reliable tool for the classification of osteoporotic sacral and pelvic ring fractures which can also be an aid in clinical practice for physicians not specialized in the treatment of such fractures due to its reliability and simplicity.

Keywords: Sacrum, pelvic ring, fracture, osteoporosis, classification

Citation: Ullrich BW, Scheyerer MJ, Spiegl UAJ, Mendel T, Schnake KJ: OF-Pelvis classification for osteoporotic sacral and pelvic ring fractures
OUP 2024; 13: 22–25. DOI 10.53180/oup.2024.022–025

B. W. Ullrich, T. Mendel: Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, BG Klinikum Bergmannstrost Halle & Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsmedizin Halle, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

M. J. Scheyerer: Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Düsseldorf

U. A. J. Spiegl: Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie, Wiederherstellungschirurgie und Handchirurgie, München Klinik Harlaching

K. J. Schnake: Zentrum für Wirbelsäulen- und Skoliosechirurgie, Malteser Waldkrankenhaus St. Marien, Erlangen & Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Nürnberg

Einleitung

Insuffizienzfrakturen des hinteren und vorderen Beckenrings sind erstmals 1982 von Lourie beschrieben worden [1]. Heutzutage stellen die Insuffizienzfrakturen und die Frakturen des Beckenrings nach Bagatelltrauma aufgrund stark gestiegener Inzidenzen [2] eine wachsende Aufgabe für das Gesundheitssystem dar. Diese Erkrankungen sind mit relevanten Kosten, einer hohen Morbidität und auch einer hohen Mortalität verbunden [3]. In den auf Beckenchirurgie spezialisierten Zentren wurde für diese Verletzungen schon vor 10 Jahren die FFP-Klassifikation zur detaillierten Beschreibung und Planung der chirurgischen Intervention entwickelt und veröffentlicht [4]. Im weiteren Verlauf wurden zusätzliche auf spezifische Behandlungsmethoden hin ausgerichtete Klassifikationen entwickelt [5, 6]. Diese Klassifikationssysteme haben den Vorteil, dass mit ihnen sehr spezifische Fragen bearbeitet werden können. Nachteilig erscheint, dass deren Anwendung nicht über einen Kreis von Spezialistinnen und Spezialisten hinaus etabliert ist.

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