Übersichtsarbeiten - OUP 04/2017

Die Qual der Wahl: Welche Hüft-Gleitpaarung für die orthopädische Praxis?

zusätzliche Literatur finden Sie unter diesem Link

Robert Sonntag1, J. Philippe Kretzer1

Zusammenfassung: Bei der Primär- und Wechseloperation einer Hüftendoprothese steht die Frage nach der idealen Gleitpaarung im Raum, und diese Entscheidung kann die Haltbarkeit des implantierten Gelenkersatzes mit beeinflussen. Der vorliegende Artikel dient daher der Übersicht über verfügbare Gleitpaarungen, die sich in hart-hart und hart-weich einteilen lassen, wobei als „harte“ Materialien Keramiken, Metalle oder Beschichtungen und als „weiches“ Material Polyethylen betrachtet werden. Die Vor- und Nachteile der Materialen für Hüftköpfe und Pfannenkomponenten werden im Kontext aktueller Ergebnisse aus Forschung und Klinik bzw. Registerdaten diskutiert. Die vorgestellten Daten sollen dem Kliniker den Umfang evidenzbasierter Erkenntnisse aufzeigen und den Entscheidungsprozess vereinfachen.

Schlüsselwörter: Hüftendoprothetik, Tribologie, Material,
Gleitpaarung, Keramik, Metall, Polyethylen

Zitierweise
Sonntag R, Kretzer JP: Die Qual der Wahl: welche Hüft-Gleitpaarung für die orthopädische Praxis? Ein Update.
OUP 2017; 4: 196–200 DOI 10.3238/oup.2017.0196–0200

Summary: The choice of the ideal bearing for primary or revision total hip arthroplasty has a strong influence on the longevity of the joint replacement. The present paper aims at giving an overview on the available bearings which can be grouped in hard-hard and hard-soft bearings. In this context, “hard” materials are ceramics, metals or coatings while polyethylene is the “soft” material. The pros and cons of the materials used for the femoral head and the articulating cup component are discussed in the context of latest results from the scientific literature, clinical and registry data. The presented information should point out the extent of evidence-based knowledge and help the surgeon in finding the appropriate bearing solution.

Keywords: total hip arthroplasty, tribology, materials, bearing, ceramic, metal, polyethylene

 

 

Zitierweise
Sonntag R, Kretzer JP: Spoilt for choice: which hip bearing to use in the clinical practice? An update.
OUP 2017; 4: 196–200 DOI 10.3238/oup.2017.0196–0200

Einleitung

Die Diagnose für eine primäre Hüftendoprothese oder eine Wechseloperation ist gestellt. Doch welches ist die beste Gleitpaarung für den vorliegenden Fall? Die Wahl liegt in Abstimmung mit dem Patienten in erster Linie beim behandelnden Operateur. Aus Langzeituntersuchungen, nationalen Registern und aus der klinischen Praxis heraus lässt sich ein ideales tribologisches System – bestehend aus den beiden Gleitpartnern und der Synovialflüssigkeit als natürliches Schmiermedium – wie folgt definieren: der erzeugte Verschleiß sollte in Menge und Form keine inflammatorischen Reaktionen hervorrufen und eine hohe Korrosionsbeständigkeit im Körper aufweisen. Zudem muss ein Materialversagen unter Extrembedingungen (z.B. bei harten Zementbestandteilen im Gelenkspalt) und aufgrund der schwellenden Dauerbelastung vermieden werden, ebenso die Dislokation des Gelenks oder eine Geräuschentwicklung während der Artikulation. Zuletzt sollte die Gelenkfunktion bei alltäglichen Aktivitäten eine geringe Reibung erzeugen, um keine hohen Belastungen auf den Knochen bzw. den Zement und zwischen modularen Implantatkomponenten („Konusproblematik“) einzuleiten.

Die begrenzte vorliegende Datenlage lässt nicht für alle Variationsmöglichkeiten zwischen Patient und Gleitpaarung evidenzbasierte Schlüsse zu. Daher spielen bei der Implantatauswahl neben rationalen auch eher weiche Faktoren eine Rolle. Diese schließen die persönliche Erfahrung des Operateurs mit unterschiedlichen Systemen, Meinungen von Kollegen, betriebswirtschaftliche Überlegungen sowie die generelle persönliche Entscheidungsbefugnis mit ein. Analog zum Kauf eines Autos spielen zudem emotionale Faktoren wie z.B. Werbung oder die Affinität zu einem technischen Konzept eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Entscheidungsfindung. Nicht in jedem Fall wird ein „Luxusmodell“ benötigt, während in anderen Situationen das „Standardmodell“ gegebenenfalls keine ausreichende (langfristige) Beständigkeit bietet (Abb. 1).

Wie beim Autokauf gibt es also harte (rationale) und eher weniger belegbare, weiche (emotionale) Faktoren, die bewusst oder unterbewusst eine Rolle spielen können (Tab. 1).

Wer ist für die Standzeit
der Gleitpaarung
verantwortlich?

In vielen Fällen lässt sich bei einer Revision der Versagensgrund, z.B. eine aseptische Lockerung, gut diagnostizieren. Schwieriger ist hier schon die Suche nach der eigentlichen Ursache am Implantatsystem mit dem Ziel, Schwachstellen zu detektieren, um ein frühzeitiges Versagen in der Folge zu vermeiden. In das Fadenkreuz rücken dabei 3 Darsteller, die für das klinische Outcome nach endoprothetischem Eingriff mitverantworlich sind:

Der behandelnde Operateur gibt die Rahmenbedingungen vor, unter denen der Gelenkersatz fortan in situ arbeitet.

Dem Patienten als „Benutzer“ kommt postoperativ eine wahrscheinlich unterschätzte und schwer kontrollierbare Verantwortung zu.

Das Implantat-System, das durch den Hersteller auf den Markt gebracht und vertrieben wird.

Operateur

In erster Linie ist es die Expertenmeinung des Operateurs, die entscheidend ist, nicht nur ob ein Kunstgelenk ersetzt wird, sondern im Besonderen auch welches Implantatsystem und welches operative Vorgehen angewandt werden. Diese Entscheidungen sowie die Qualifikation des Operateurs und seines Teams bestimmen die Qualität der klinischen Versorgung und bilden den Rahmen für die Langlebigkeit des eingesetzten Gelenkersatzes. In vielen Studien wurde darauf hingewiesen, dass eine fehlerhafte Positionierung der Hüftpfanne bzw. des Inserts zu häufigerem verschleißinduzierten und mechanischen Versagen führen kann [15, 52]. Zudem hat sich gezeigt, dass die Anzahl an Eingriffen je Operateur über einen Zeitraum, also seine Routine, entscheidend für den Erfolg ist. So wurde in retrospektiven Studien gezeigt, dass die Implantationen durch wenig erfahrene Operateure mit einem erhöhten Risiko für einen frühen Wechsel korrelieren [31, 33]. Die Grenze in den angegebenen Studien wurde bei 12 elektiven (primären) totalen Hüftendoprothesen pro Jahr angenommen.

Patient

Der endoprothetisch versorgte Patient kontaktiert den behandelnden Orthopäden aufgrund von Schmerz und der Einschränkung seiner täglichen Lebensqualität. Im Allgemeinen erhält der Patient nach Implantation eines Kunstgelenks eine hohe Lebensqualität zurück, die weitestgehend als normal angesehen werden kann. Ab diesem Zeitpunkt liegt es an ihm, verantwortlich mit dem neuen Gelenk umzugehen. Dabei haben die weitreichenden Erkenntnisse aus Ganganalysen und biomechanischen Studien gezeigt, dass auf die Gelenkkomponenten teils enorme Kräfte einwirken (normales Gehen in der Ebene: bereits ca. das 2,5– bis 3-fache des Körpergewichts) [5, 9].

Im Zuge einer Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass im Besonderen junge und somit aktive und männliche Patienten ein erhöhtes Risiko für einen frühzeitigen Wechseleingriff besitzen [42], was auch durch Daten aus dem australischen Register bestätigt wird [4].

Implantat

In umfangreichen präklinischen Testungen können tribologische Implantatkomponenten unter Laborbedingungen sehr gut hinsichtlich ihres Widerstands gegen artikulationsbedingten Verschleiß, mechanische Eigenschaften, Biokompatibilität des Grundmaterials sowie ihres Alterungsverhaltens bewertet werden (Abb. 2).

Sie unterscheiden sich primär in ihrem Design und dem verwendeten Material (Keramiken, Metalle und Kunststoffe/Polyethylen). Differenziert werden

Hart-weich-Gleitpaarungen, bei denen konventionelles oder (hoch-)quervernetztes Polyethylen gegen einen Hüftkopf aus Metall (unbeschichtet oder beschichtet) oder Keramik artikuliert.

Hart-hart-Gleitpaarungen, deren artikulierende Komponenten entweder vollständig aus Metall oder Keramik aufgebaut sind. Kombinationen beider Materialien (Keramikkopf mit Metallinsert) haben sich in der Klinik nicht bewährt (Abb. 3).

Die Implantatsysteme werden getestet und funktionieren sehr gut unter idealen (standardisierten) Laborbedingungen im Hüftsimulator. Aktuelle Diskussionen zielen auf eine bessere Übertragbarkeit der Ergebnisse aus In-vitro-Studien in die klinische Praxis durch komplexere Belastungsprofile [56], insbesondere beim Einsatz von Hart-hart-Gleitpaarungen z.B. bei ungünstiger Einbaulage oder bei Kontakt des Prothesenhalses mit dem Pfannenrand (impingement) [20, 41].

Im Folgenden werden die gängigen Materialkombinationen und deren Vor- und Nachteile vorgestellt und diskutiert. Die Auflistung soll eine kurze Übersicht über die aktuelle Datenlage geben sowie dem Operateur Bewertungskriterien bei der Auswahl der Gleitpaarungen vermitteln.

Metall/Keramik-Polyethylen- Gleitpaarungen (hart-weich)

Polyethylen stellt nach wie vor das meist verwendete Material für die artikulierende azetabuläre Komponente dar. Als Gegenpartner wird ein Hüftkopf entweder aus einer Kobalt-Chrom-Legierung (CoCr, Metall) oder einer Keramik (meist Aluminiumoxid- oder Mischoxidkeramik) verwendet. Beschichtete Metallköpfe, die gegen Polyethylen artikulieren, werden in einem separaten Absatz (s.u.) behandelt. Hart-weich-Gleitpaarungen unterscheiden sich primär neben dem Kopfmaterial in der Art des eingesetzten Polyethylens und der Größe.

Als konventionelles Polyethylen wird solches mit ultrahohem Molekulargewicht (UHMWPE) bezeichnet. In-vitro-Simulatorstudien konnten zeigen, dass der Verschleiß nach zusätzlichem Quervernetzen (XPE) durch Gamma-Bestrahlung deutlich um ca. 30–50 % gesenkt werden kann [13, 18], was sich klinisch aktuell auch über Nachuntersuchungszeiträume von bis zu 12 Jahren bestätigt [14, 18, 36]. Zahlreiche Laboruntersuchungen haben zudem gezeigt, dass XPE-Verschleißpartikel kleiner sind als Partikel aus konventionellem UHMWPE [13, 55]. Dass UHMWPE-Abriebpartikel eine proinflammatorische Immunreaktion und eine sich daraus ergebende Osteolyse provozieren, kann als evident betrachtet werden [43]. Eine stärkere Osteolyse-Wirkung der kleineren XPE-Partikel wird zwar diskutiert [27], die vielversprechenden Ergebnisse aus der Klinik und aus nationalen Registern [4] bestätigen dies jedoch mittelfristig nicht, sodass sich das quervenetzte XPE in der Hüftendoprothetik durchzusetzen scheint. Zu beachten bleibt, dass aktuell unterschiedliche Grade der Quervernetzung auf dem Markt erhältlich sind, was eine generelle Vergleichbarkeit von quervenetztem XPE erschwert.

Das Kopfmaterial als Gegenkörper zum Polyethylen hat sowohl in Simulator- als auch klinischen Studien einen Einfluss, wobei die Ergebnisse widersprüchlich sind und keine klaren Aussagen auf die Revisionswahrscheinlichkeit des Gelenkersatzes zulassen. Während in vitro für keramische Köpfe geringere Verschleißwerte als für metallische CoCr-Köpfe berichtet werden [17], zeigen besonders die Register keine eindeutige Tendenz zugunsten keramischer [37] und metallischer Köpfe [4].

Klinisch wird durch die Verwendung von Kopfdurchmessern über 32/36 mm eine größere Bewegungsfreiheit bei geringerem Dislokationsrisiko angestrebt [26]. Die zunehmende Kopfgröße führt zu geringeren Wandstärken der Polyethylenkomponente, um den azetabulären Knochenverlust möglichst gering zu halten. Hier zeigt sich jedoch ein ungünstiger Einfluss der Quervernetzung, da die Bruchfestigkeit des Polyethylens mit zunehmendem Grad der Quervernetzung abnimmt [8]. Dies kann zu Brüchen und Rissen im Randbereich bei Verwendung quervernetzter, dünner Inserts führen, was bei Kantenüberlauf (Subluxation) z.B. nach steil eingebrachter Pfanne noch zusätzlich verstärkt wird [49]. Zudem tritt bei größeren Kopfdurchmessern für Polyethylenkomponenten ein weiterer Effekt auf: ein größerer Kopf erhöht auch die Kontaktfläche, was wiederrum sowohl bei UHMWPE als auch XPE zu höherem Verschleiß führt [7, 25]. Der Literatur sowie Registerdaten zufolge scheint sich dieser Effekt ab einem Durchmesser von etwa 32 mm zu zeigen [4, 6].

Neueste Generationen des quervernetzten Polyethylens nutzen Vitamin E als Antioxidans, um noch vorhandene freie Radikale nach dem Gamma-Bestrahlungsprozess zu binden und die Alterung des Materials in vivo zu vermeiden. Mittelfristige klinische Ergebnisse stehen hier jedoch noch aus.

Keramik-Keramik-
Gleitpaarungen

Keramische Hart-hart-Gleitpaarungen – wie auch Metall-Metall-Gleitpaarungen – verdanken Ihren hervorragenden Ruf der deutlichen Reduktion des Verschleißes auf eine in vivo kaum messbare Menge [2, 24] und der Vermeidung von Polyethylen-Abrieb und dem damit assoziierten Osteolysepotenzial [46]. Allerdings treten andere Effekte in den Vordergrund, die kontrovers diskutiert werden. Zum einen wird über störende Geräuschentwicklungen berichtet, die mit angeregten Schwingungen des femoralen Implantatsystems in Zusammenhang gebracht werden [53]. Die veröffentlichten Inzidenzraten streuen hier zwar stark (0,7–20,9 %) [32], es zeigt sich jedoch, dass dies ein durchaus relevantes Problem darstellen kann. Ein Quietschen oder Klackern des Gelenks stellt dabei häufig keinen klinisch notwendigen Grund für eine Revision des Systems dar [38], kann aber den Patienten in eine Lage bringen, in der er einen Wechsel des Gelenks dringend wünscht.

Des Weiteren werden keramische Komponenten nach wie vor mit einem Bruchrisiko assoziiert, was manche Anwender verunsichert. Inzidenzien werden hier von 0,003–2 % angeben, wobei die Frakturrate nach Einführung der Mischoxidkeramik (z.B. Biolox delta, CeramTec) deutlich gesenkt wurde [21, 34]. Als Ursachen für Versager werden im Besonderen anwenderbedingte Fehler wie ein Kantenüberlauf nach zu steiler Pfannenpositionierung oder ein Verkippen des Inserts in der Pfannenkomponente beschrieben [29, 51]. Im Fall eines Keramikbruchs ist zur Vermeidung von hohen postoperativen Verschleißraten durch harte Keramikpartikel (Dreikörperverschleiß) nach großzügiger Synovektomie wieder eine keramische Gleitpaarung, ggf. gegen eine Polyethylenpfannen-Komponente zu wählen [50].

Interessanterweise wurde über einen Nachuntersuchungszeitraum von 10–12 Jahren kein signifikanter Unterschied in der Überlebensrate zwischen rein keramischer und Keramik-XPE-Gleitpaarungen gesehen [14].

Metall-Metall-Gleitpaarungen

Metallische Implantatkomponenten (Kopf/Insert) werden nahezu ausschließlich aus der Kobalt-Chrom-Basislegierung (CoCr) hergestellt und wurden bereits vor der Einführung des Polyethylens in den 60er-Jahren eingesetzt. Durch die Weiterentwicklung hochgenauer Fertigungsmethoden erlebten rein metallische Gleitpaarungen einen Aufschwung zu Beginn dieses Jahrtausends, da sich in Simulatoruntersuchungen nur geringste Mengen an metallischem Verschleiß nachweisen ließen, besonders für Großkopfsysteme (> 36 mm) und den damals aufkommenden Oberflächenersatz als vermeintlich knochenschonende Primärversorgung [1, 11, 45]. Eine Welle an negativen Berichten zu Immunreaktionen wie Pseudotumore, Metallosen und Hypersensibilisierung aufgrund hoher lokaler Metallkonzentrationen nach Metall-Metall-Implantation [10, 30, 39, 54] führten bereits nach kurzer Zeit dazu, dass viele Implantatsysteme wieder vom Markt genommen wurden und metallische Gleitpaarungen heute nahezu vollständig vom Markt verschwunden sind (Abb. 3).

Heute wird die Verwendung metallischer Großkopfsysteme nicht mehr empfohlen [47]. Für den Oberflächenersatz wurden hinsichtlich des Implantatdesigns im Besonderen kleinere Kopfdurchmesser und kleine Überdachungswinkel sowie patientenseitig das weibliche Geschlecht als Risikofaktoren identifiziert [12, 23].

Oberflächenmodifikationen

Mit dem Ziel, den Polyethylen-Verschleiß zu senken sowie bei Metallunverträglichkeit die Ionenfreisetzung zu reduzieren, werden oberflächenbehandelte Metallköpfe eingesetzt [40]. Dabei werden in relevantem Umfang 2 Ansätze klinisch verwendet: Titan-Nitrid-Beschichtungen (TiN, verschiedene Hersteller) und Zirkonium-Sauerstoffdiffusion (Oxinium, Smith & Nephew). Sie werden in der klinischen Praxis häufig als ,Allergikerimplantate‘ bezeichnet.

TiN oder Titan-Niob-Nitrid (TiNbN) sind etwa 5 µm dünne, goldfarbene, keramische Schichten. Weitere Abwandlungen auf TiN-Basis sind ebenso verfügbar, spielen aber aktuell eine geringere Rolle. Trotz der bereits lang zurückliegenden Markteinführung Ende der 80er-Jahre ist die wissenschaftliche Datenlage zu TiN erstaunlicherweise sehr dünn und bzgl. des verschleißsenkenden Potenzials widersprüchlich [16, 19]. Vereinzelt existieren Fallberichte über scharfkantige Abplatzer der harten Beschichtung, die eine Erhöhung des Polyethylenverschleißes zur Folge haben können [22, 44]. Eine wissenschaftlich fundierte Aussage über das Verschleißverhalten dieser Beschichtungen ist auf Basis aktueller klinischer Daten schwierig.

Die Firma Smith & Nephew führte unter der Bezeichnung ,Oxinium‘ eine Zirkonium-Basislegierung ein, die an der Oberfläche (ca. 5 µm) sauerstoffdiffusionsgehärtet wurde. Dadurch bildet sich eine harte, keramische Oberfläche, die gegen eine Polyethylenpfanne artikuliert. Auch hier ist die Datenlage begrenzt, wenngleich das australische Register dieses Material gegen XPE dezidiert erfasst (,Keramisiert-XPE‘, Abb. 4) und interessanterweise die geringste Revisionsrate aller eingesetzten Materialkombinationen zeigt, wenngleich die Einflüsse und Wechselwirkung der anderen Implantatkomponenten (z.B. Schaft und Pfanne) in den Daten nicht berücksichtigt werden [4]. Es bleibt folglich abzuwarten, ob sich die guten Ergebnisse, die in klinischen Untersuchungen nach 2 bzw. 6,8 Jahren berichtet werden [28, 35], auch langfristig bestätigen.

Schlussfolgerung

Konventionelles Polyethylen und Metall-Metall-Gleitpaarungen sollten auf Basis der aktuellen Datenlage nur noch in Ausnahmefällen Verwendung finden. Durch die Entwicklung von quervernetztem Polyethylen (XPE) wurde ein Meilenstein in der endoprothetischen Versorgung gelegt. Dies zeigen neben In-vitro-Studien auch klinische Untersuchungen und Registerdaten, die eine deutliche Senkung der Revisionsrate bei Verwendung dieses Materials belegen. Interessanterweise scheint das Kopfmaterial, gegen welches das XPE artikuliert, bisher keinen entscheidenden Einfluss auf das klinische Ergebnis zu haben. Vergleichbar gute Ergebnisse lassen sich auch durch die Verwendung rein keramischer Gleitpaarungen erzielen. Oberflächenmodifizierte Gleitmaterialien stellen im Einzelfall, z.B. bei Verdacht auf eine Allergie und nach genauer Abwägung der Vor- und Nachteile, ebenfalls eine Alternative dar.

Weiterführende Informationen und Details sind der Veröffentlichung [48] zu entnehmen, die Grundlage des vorliegenden Artikels ist.

Interessenkonflikte: R.S. gibt folgende Zuwendungen außerhalb der abgedruckten Arbeit an: Zuschüsse, Honorare und nicht-finanzielle Unterstützung von Ceramtec, Zuschüsse von Corin, Smith & Nephew, Falcon Medical, Honorare und nicht-finanzielle Unterstützung von DePuy Synthes, AMTI, Zuschüsse und nicht-finanzielle Unterstützung von Questmed. P.K. gibt folgende Zuwendungen außerhalb der abgedruckten Arbeit an: Zuschüsse von Biomet, Ceramtec, Corin, Questmed, Smith & Nephew, Impreglon, Aesculap, Heraeus, Endocon, Zuschüsse und Honorare von DePuy Synthes, Link, Falcon Medical, Peter Brehm

Korrespondenzadresse

Dipl.-Ing. Robert Sonntag

Klinik für Orthopädie
und Unfallchirurgie

Labor für Biomechanik
und Implantatforschung

Universitätsklinikum Heidelberg

Schlierbacher Landstraße 200a

69118 Heidelberg

robert.sonntag@med.uni-heidelberg.de

Literatur

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2. Affatato S, Spinelli M, Zavalloni M, Traina F, Carmignato S, Toni A: Ceramic-On-Metal for Total Hip Replacement: Mixing and Matching Can Lead to High Wear. Artificial Organs 2010; 34: 319–323

3. Australian National Joint Replacement Registry. Annual Report. 2013

4. Australian National Joint Replacement Registry. Annual Report. 2016

5. Bergmann G, Bender A, Dymke J, Duda G, Damm P: Standardized Loads Acting in Hip Implants. PLoS One 2016; 11: e0155612

6. Bragdon CR, Doerner M, Martell J, Jarrett B, Palm H, Malchau H: The 2012 John Charnley Award: Clinical multicenter studies of the wear performance of highly crosslinked remelted polyethylene in THA. Clin Orthop Relat Res 2013; 471: 393–402

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8. Cole JC, Lemons JE, Eberhardt AW: Gamma irradiation alters fatigue-crack behavior and fracture toughness in 1900H and GUR 1050 UHMWPE. J Biomed Mater Res 2002; 63: 559–566

9. Damm P, Graichen F, Rohlmann A, Bender A, Bergmann G: Total hip joint prosthesis for in vivo measurement of forces and moments. Med Eng Phys 2010; 32: 95–100

10. Dobbs HS, Minski MJ: Metal ion release after total hip replacement. Biomaterials 1980; 1: 193–198

11. Dowson D, Hardaker C, Flett M, Isaac GH: A hip joint simulator study of the performance of metal-on-metal joints: Part II: Design. J Arthroplasty 2004; 19 (8, Supplement 1): 124–130

12. EFORT, Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik, Deutsche Arthrosehilfe e.V.: Aktuelle Konsens-Empfehlungen zur Handhabung von Metall-Metall-Gleitpaarungen. 2012

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15. Fisher J: Bioengineering reasons for the failure of metal-on-metal hip prostheses: an engineer‘s perspective. J Bone Joint Surg Br 2011; 93-B: 1001–1004

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17. Galvin AL, Jennings LM, Tipper JL, Ingham E, Fisher J: Wear and creep of highly crosslinked polyethylene against cobalt chrome and ceramic femoral heads. Proc Inst Mech Eng H 2010; 224: 1175–1183

18. Geerdink CH, Grimm B, Ramakrishnan R, Rondhuis J, Verburg AJ, Tonino AJ: Crosslinked polyethylene compared to conventional polyethylene in total hip replacement: pre-clinical evaluation, in-vitro testing and prospective clinical follow-up study. Acta Orthop 2006; 77: 719–725

Fussnoten

1 Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Labor für Biomechanik und Implantatforschung, Universitätsklinikum Heidelberg

 

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