Informationen aus der Gesellschaft - OUP 04/2016

Ein neues Format in der Kongresslandschaft
64. Jahrestagung der VSOU e.V. in Baden-BadenMit neuen Elementen wird Wissenschaft praxisorientiert aufgearbeitet

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Joachim Grifka (Regensburg/Bad Abbach) und Univ.-Prof. Dr. med. Ulrich Stöckle (Tübingen), Kongresspräsidenten der 64. Jahrestagung der Vereinigung Süddeutscher Orthopäden und Unfall-chirurgen in Baden-Baden (28.-30.4.2016), erläutern, was diese Jahrestagung über das rein Fachliche hinaus noch attraktiv macht.

Schon der Auftakt zeigt den Anspruch, den die 64. Auflage der VSOU-Jahrestagung Ende April diesen Jahres hat: Festredner Prof. Dr. jur. Heribert Prantl wird mit dem Vortragsthema „Medizin zwischen Ökonomie und Ethik“ das ärztliche Handeln im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und gesellschaftlichem Anspruch beleuchten. „Gerade in der heutigen Zeit ist dies ein besonders aktuelles Thema“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Stöckle – gemeinsam mit Prof. Dr. Joachim Grifka Kongresspräsident dieser Tagung in Baden-Baden – die Wahl Prantls als Festredner. Dass man als Arzt wirtschaftlich handeln müsse, sei Konsens, ergänzt Grifka. „Die qualitativ hervorragende medizinische Versorgung muss aber immer unstrittig bleiben“, fügt Grifka an.

Dass in diesem Zusammenhang das Thema GOÄ aufgegriffen wird, ist mehr als logisch. „Die neue GOÄ ist längst überfällig. In wohl keinem anderen Bereich wird seit mehr als 25 Jahren mit der gleichen Gebührenordnung gearbeitet. Diese wird sowohl dem persönlichen Aufwand als auch dem apparativen Aufwand bei entsprechenden Operationen nicht mehr gerecht“, nennt Stöckle Gründe für die Aufnahme der GOÄ in den Kongress-Diskurs. Grifka sieht auch die Patienten betroffen: „Einbußen in der privatärztlichen Vergütung werden auch ihre Konsequenz für gesetzlich krankenversicherte Patienten haben, weil aufgrund der Unterdeckung im kassenärztlichen Bereich viele Kollegen die Behandlung der gesetzlich versicherten Patienten persönlich über Einnahmen aus der privatärztlichen Behandlung subventionieren.“

Das Kongressmotto: „Was, Wann, Wie“ verspricht viele konkrete Handlungsempfehlungen für das Fach. „Diese Fragenfolge bestimmt unser tägliches Handeln zentral. In dem Maße, wie wir durch wissenschaftliche Evaluation, Diagnostik und Therapie beurteilen können, wie unser Behandlungsergebnis durch Outcome-Messungen überprüft wird und wie Patienten eine ,Reparaturmentalität‘ entwickelt haben und einen höchsten Anspruch an die Wiederherstellung der Funktionalität formulieren, müssen wir unser Vorgehen exakt definieren“, erläutert Grifka die Intention des Kongressmottos. Stöckle ergänzt, man wolle durch den juristischen Aspekt in Vorleistung gehen und damit mögliche juristische Folgen abwenden. Er verweist darauf, dass allzu häufig von juristischer Seite diagnostische Leistungen gefordert werden, die von ökonomischer Seite nicht immer vergütet werden: „Als Beispiel sei hier die eher großzügige Anwendung eines Schädel-CTs genannt bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma.“ Die juristische Problematik werde in zahlreichen Sitzungen eingebunden – teils als Berichte aus Schlichtungsstellen, teils als Erfahrungsberichte von erfahrenen Gutachtern vor Gericht.

Ein Kongress in O & U darf selbstredend die gemeinsame Entwicklung dieses in seiner Zusammenführung noch jungen Fachs nicht übergehen. Zumal Grifka 2008 als Gründungspräsident der DGOU persönlich „Aktivist“ bei der Zusammenführung der beiden Fachgesellschaften für Orthopädie und Chirurgie war. „Mit der Zusammenführung der Gesellschaften haben wir formal nachvollzogen, was inhaltlich schon vorgegeben war. Seit 2004 gibt es die gemeinsame Weiterbildungsordnung für den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Im internationalen Vergleich haben wir früher in Deutschland eine Sonderrolle belegt, indem Orthopädie und Unfallchirurgie getrennt waren“, beschreibt Grifka das Vergangene. Er beschreibt allerdings auch Probleme im Täglichen: „Es gibt erhebliche Asymmetrien in der Weiterbildung. Hier würde ich mir mehr Kollegen mit einem konstruktiven Ansatz wünschen. Auch bei der Besetzung von Chefarztstellen gibt es noch schwierige Verhältnisse.“ Das mittelfristige Ziel müsse ein eigenes Gebiet sein, analog zur Geburtshilfe und Gynäkologie.

Das alles aber müsse auf der Basis des gemeinsamen Facharztes ruhen, betonen beide Kongresspräsidenten: „Darauf aufbauend die Spezialisierungen in ,Spezielle Orthopädie‘ und ,Spezielle Unfallchirurgie‘ weiter entwickeln, um unsere international führende Position in der Versorgung von Unfallverletzten sowie auch in der Behandlung von Erkrankungen des Bewegungssystems mit geeigneten konservativen und operativen Verfahren weiter auszubauen“, meint Stöckle. Erst nach dem Facharzt gibt es die Spezialisierung wie Kinderorthopädie, Rheumaorthopädie, physikalische Therapie und Handchirurgie. „Mit der neuen Weiterbildungsordnung müssen wir unsere Ausrichtung besser gliedern: Wir dürfen keine Inhalte der speziellen Unfallchirurgie für den Facharzt fordern.“

Als absolutes Novum in der Kongresslandschaft hat Grifka ein neues Format entwickelt: Einen Weiterbildungscontest. In einem Verfahren, wie wir es von privaten Fernsehsendern kennen, treten Teams von Weiterbildungsassistenten gegeneinander an, um klinische Fälle zu lösen. Dem Siegerteam winkt ein Stipendium der VSOU für den kanadischen Orthopädenkongress.

Grifka: „Unser Fachgebiet hat einen hervorragend qualifizierten Nachwuchs. Das Publikum wird in jeder Runde dieses Wettbewerbes abstimmen, welches Team weiter kommt. Wir dürfen uns alle auf einen spannenden Kongress freuen!“

Noch ein Grund mehr also, die Tagung Ende April auf keinen Fall zu verpassen.

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