Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018
Ergebnisse der Sekundärprävention von GonarthroseOptimierte Nachsorge am Beispiel des KniekollegsOptimized aftercare on the example of the knee college
Stefan Dalichau1, Martin Giemsa2, Thomas Solbach3, Michael Büschke4, Daniel Engel4, Torsten Möller1, Anette Wahl-Wachendorf3
Zusammenfassung: Zur Prüfung auf Nachhaltigkeit einer sekundärpräventiven Behandlungsmaßnahme (Kniekolleg) durchliefen 292 männliche Beschäftigte aus dem Baugewerbe mit beginnender Gonarthrose eine 3-wöchige biopsychosozial ausgerichtete Aufbauphase (Phase 1) mit den Schwerpunkten Muskeltraining und Ergonomie. In den nachfolgenden 12 Monaten wurden die Teilnehmer mehrfach telefonisch kontaktiert, um sie zur Weiterführung des Muskeltrainings zu motivieren. Während 61 % der Teilnehmer (VG 1) das Muskeltraining in qualifizierten Fitnesszentren fortführten und 13 % der Beschäftigten (VG 2) ein individuelles Heimprogramm absolvierten, beendeten 26 % der Arbeitnehmer (KG) jede sportliche Aktivität. Nach der Phase 1 zeigten alle Gruppen signifikante Verbesserungen der untersuchten Parameter Muskelkraft, Ausdauerleistungsfähigkeit, Lebensqualität und körperliche Leistungsfähigkeit. Während sich die Messwerte in VG 1 nach 12 Monaten weiter verbesserten, zeigten sie sich in VG 2 stabil. In der KG remittierten die positiven Effekte hingegen deutlich. Der sekundärpräventive Ansatz sowie die verwendeten Nachsorgestrategien sind bisher als positiv zu bewerten. Von besonderer Bedeutung ist die konsequente Weiterbetreuung der Patienten, die wesentlich zu dem Erfolg des Kniekollegs beiträgt.
Schlüsselwörter: Gonarthrose, Kniekolleg, Baugewerbe,
Sekundärprävention, Nachhaltigkeit
Zitierweise
Dalichau S, Giemsa M, Solbach T, Büschke M, Engel D, Möller T, Wahl-Wachendorf A: Ergebnisse der Sekundärprävention von
Gonarthrose. Optimierte Nachsorge am Beispiel des Kniekollegs. OUP 2018; 7: 367–373 DOI 10.3238/oup.2018.0367–0373
Summary: To test for sustainability of a secondary preventive treatment (knee college), 292 male employees from the building trade with incipient gonarthrosis underwent a 3-week biopsychosocial initial phase (phase 1) focusing on muscle training and ergonomics. In the subsequent 12 months, the participants were contacted several times by phone to motivate them to continue their muscle training. While 61 % of the participants (EG 1) continued the workout in qualified fitness centers and 13 % of the employees (EG 2) completed an individual home-based program, 26 % of the participants (CG) broke off all sports activities. After Phase 1, all groups showed significant improvements in muscle strength, endurance, quality of life, and physical performance. While the results in EG 1 continued to improve after 12 months, they were stable in EG 2. In the CG, however, the positive effects remitted significantly. So far, the secondary preventive approach and the used aftercare strategies have been positive. Of particular importance is the consistent continued care of the patients, which contributes significantly to the success of the knee college.
Keywords: gonarthrosis, knee college, building trade, secondary prevention, sustainability
Citation
Dalichau S, Giemsa M, Solbach T, Büschke M, Engel D, Möller T, Wahl-Wachendorf A: Results of secondary prevention of gonarthrosis. Otimized aftercare on the example of the knee college.
OUP 2018; 7: 367–373 DOI 10.3238/oup.2018.0367–0373
1 BG Ambulanz Bremen
2 BG Klinikum Hamburg Rehazentrum City
3 ASD der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft – Hauptverwaltung (Berlin)
4 Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft – Hauptverwaltung (Berlin)
Hintergrund
Zur Sicherung positiver Therapieeffekte gilt die Implementierung von Nachsorgestrategien in ganzheitlich ausgerichtete Nachbehandlungskonzepte indikationsunabhängig seit mehreren Jahren als Standard des heutigen Rehabilitationsparadigmas [4]. Neben den bereits etablierten klassischen Nachsorgeverfahren wie z.B. Irena (intensivierte Rehabilitationsnachsorge) der Rentenversicherungsträger oder Funktionstraining und Rehabilitationssport reichen innovative Nachsorgeaktivitäten dabei von Nachsorgegesprächen während und nach der Rehabilitationsmaßnahme über Telefon-, webbasierte und postalische Kontakte sowie Auffrischungskurse, Arbeitsplatzbegleitungen und Follow-up-Testtermine [2, 7, 11, 12, 16, 21, 28] bis hin zum Einsatz telemedizinischer Assistenzsysteme [19].
Allerdings ist der flächendeckende Einsatz von Nachhaltigkeitselementen zur Förderung von Empowerment und Selbstmanagement als Voraussetzung für die langfristige soziale und berufliche Teilhabe [20] bei Weitem nicht erreicht [10] und bleibt bisher ausgewählten themenbezogenen Projekten vorbehalten. Auch in der Rehabilitation der Kniegelenksarthrose remittieren die positiven Behandlungsergebnisse ohne eine adäquate Nachsorgestrategie wieder signifikant nach 2–6 Monaten [1, 14, 27]. Im Auftrag der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) und der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM), Betriebsverwaltung Hamburg-Bremen, wurde daher für Versicherte mit fortgeschrittener Gonarthrose nach Arbeitsunfall sowie im Sinne der Berufskrankheiten BK 2112 und 2102 die multimodal ausgerichtete ambulante arbeitsplatzbezogene medizinische Rehabilitation (AAMR) konzipiert und im Rahmen eines Pilotprojekts durchgeführt und evaluiert [8, 9]. Die AAMR umfasste eine 3-wöchige vollzeitige Aufbauphase, gefolgt von einer 12-wöchigen erweiterten ambulanten Physiotherapie (EAP) (Stabilisierungsphase) sowie einem weiterführenden Training in wohnortnahen qualitätsgesicherten Gesundheitszentren (Erhaltungsphase) über einen Zeitraum von insgesamt 22 Monaten. Nach Beendigung der EAP sowie 6 und 18 Monate später wurden die Versicherten nachuntersucht und in Einzelgesprächen zur Aufnahme bzw. Fortführung des Trainings motiviert.
Bei Bedarf hatten die Patienten in der Zwischenzeit die Möglichkeit, telefonischen Kontakt mit ihrem Bezugstherapeuten aufzunehmen. 53,6 % der Versicherten führten das Training über den Untersuchungszeitraum fort. In beiden Gruppen verschlechterten sich die positiven Behandlungsergebnisse signifikant, in der Trainingsgruppe tendenziell weniger ausgeprägt als in der Gruppe ohne sportliche Aktivität. Als Gründe für die ernüchternden Resultate wurden einerseits das zu weit fortgeschrittene Stadium der Gonarthrose und andererseits die Insuffizienz der eingesetzten Nachsorgestrategie diskutiert. Zur Verfahrensoptimierung wurde daraufhin im Auftrag der BG BAU auf der Grundlage von § 3 BKV (Berufskrankheiten-Verordnung) das Kniekolleg entwickelt, das im Vergleich zur AAMR insbesondere durch einen sekundärpräventiven Zugang und eine Optimierung des Nachhaltigkeitsplans gekennzeichnet ist. Im Folgenden werden das Konzept des Kniekollegs und mittelfristige Ergebnisse nach 12 Monaten dargestellt.