Originalarbeiten - OUP 06/2013

Fehlervermeidung in der Lokalisationsdiagnostik akzessorischer Fußwurzelknochen
Nach einem Poster für die 60. Jahrestagung der VSOU 2012, ausgezeichnet mit dem 3. Posterpreis Based on a scientific poster for the 60th VSOU-Congress 2012, awarded with the 3rd poster prize.

J. Hettfleisch1, L. Hettfleisch2

Zusammenfassung: Ein 36-jähriger Mann wird wegen eines symptomatischen Os trigonum operiert. Jenes ist auch nach einem Entfernungsversuch weiterhin nachzuweisen. Ein Behandlungsfehler?

Schlüsselwörter: akzessorische Fußknochen, Lokalisation, Präoperative Notwendigkeiten

 

Zitierweise

Hettfleisch J, Hettfleisch L: Fehlervermeidung in der Lokalisationsdiagnostik akzessorischer Fußwurzelknochen. OUP 2013; 6: 310–311. DOI 10.3238/oup.2013.0310–0311.

Summary: A 36-year-old male is treated for a symptomatic os trigonum. The accessory bone is surprisingly not located where it should be. The patient complains about malpractice because he has to be operated a second time. Is he right?

Keywords: accessory bones of the foot, localization, preoperative necessities

 

Citation

Hettfleisch J, Hettfleisch L: Error prevention localizing accessory
bones of the foot. OUP 2013; 6: 310–311.
DOI 10.3238/oup.2013.0310–0311.

Der Fall

Ein 36-jähriger Mann stellt sich in einem Krankenhaus vor und berichtet, am Vortag mit dem rechten Fuß und Sprunggelenk beim Fußballspielen umgeknickt zu sein. Eine schwerwiegende knöcherne oder weichteilige Gewebeschädigung wird dort nicht festgestellt und eine konservative Behandlung empfohlen. Auf einen auffälligen Röntgenbefund mit überzähligem Fußwurzelknochen wird allerdings dennoch hingewiesen (Abb. 1 und 2). Nachdem der Betroffene in der darauf folgenden Zeit weiterhin über Schmerzen am rechten Sprunggelenk klagt, erfolgt 10 Monate später unter der Diagnose eines „symptomatischen Os trigonum“ ein operativer Eingriff mit dem Ziel, den überzähligen Knochen zu entfernen. Der zugehörige Operationsbericht beschreibt folgerichtig die Beseitigung des akzessorischen Ossikels. Die Beschwerden bestehen aber dennoch fort. In einer anderen Klinik stellt man daraufhin fest, dass die überzählige knöcherne Struktur an der Sprungbeinrückseite weiterhin nachzuweisen ist (Abb. 3 und 4). Es erfolgt deshalb eine erneute Operation.

Die Frage: Ist der erste
Eingriff sachgerecht erfolgt?

E. Lamprecht [1] fasst das gegenwärtige Wissen über „Differenzierungsstörungen und Variationen des Fußskeletts“ in Kapitel 10 des Standardwerkes „Orthopädie und Orthopädische Chirurgie“ zusammen. Demnach besteht eine ausgesprochen große Varianz hinsichtlich überzähliger Skelettelemente am Fuß. Mehr als 40 verschiedene, derartige Ossikel wurden bisher beschrieben, wobei das Os trigonum aufgrund der relativen Häufigkeit sowie der Neigung zur Beschwerdeverursachung besondere Bedeutung besitzt. Das typische Os trigonum befindet sich nach einer Untersuchung von Tsuruta und Mitarbeitern an 3460 Füßen [2] am Hinterrand des Sprungbeins, eher in Richtung auf die Außenseite. Ein mehr innenseitig, ebenfalls in unmittelbarer Nachbarschaft zum Sprungbein gelegenes, zusätzliches Fußwurzelknöchelchen wird dagegen als Talus akzessorius oder secundarius bezeichnet.

Miller [3] weist darauf hin, dass eine ausgesprochen große Bandbreite an Lokalisation, Häufigkeit und Aussehen akzessorischer Fußwurzelknochen besteht. Gelegentlich könnten diese durchaus symptomatisch werden, insbesondere wenn sie eine Verletzung, Verschleißumformung oder Blutversorgungsstörung erfahren. Zu ähnlichen Erkenntnissen gelangen Mellado und Mitarbeiter [4].

Der Standardzugang zum typischen Os trigonum erfolgt parallel zur Achillessehnenaußenseite, eben weil jenes ebenfalls eher außenseitig zu finden ist [5]. Genauso ist man im vorliegenden Fall auch verfahren. Entgegen der typischen Position eines Os trigonum befand sich der überzählige Fußwurzelknochen allerdings nicht außen-, sondern vielmehr innenseitig dem Sprungbein anliegend. Es lag folglich eher ein Talus secundarius vor als ein „Os trigonum“.

Die Antwort

Bereits bei sorgfältiger Durchsicht der konventionellen Röntgenaufnahmen hätte sich dem Operateur erschließen müssen, dass er es nicht mit einem typischen Os trigonum, sondern vielmehr mit einem in der Lokalisation atypischen, zusätzlichen Fußwurzelknochen zu tun hat. Im Zweifelsfall hätte vor dem Entfernungsversuch eine Computertomografie erfolgen müssen. Eine intraoperative Röntgendurchleuchtung wäre ebenfalls hilfreich gewesen. So aber dokumentiert die postoperative Schnittbild-Diagnostik lediglich, dass zu weit lateral gesucht und dann – anstatt des akzessorischen Ossikels – ein Teil der Talusrückfläche entfernt worden ist (Abb. 4).

 

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Jürgen Hettfleisch

medexpert-nord, Institut für

Muskuloskelettale Begutachtung

Klinik Dr. Hancken

Harsefelder Straße 6–8, 21680 Stade

info@medexpert.ws

Literatur

1. Lamprecht E. Differenzierungsstörungen und Variationen des Fußskeletts. In: Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (Hrsg. Wirth CJ, Zichner L), Teilband „Fuß“ (Hrsg. Wirth CJ), Stuttgart: Thieme-Verlag, 2002

2. Tsuruta TY, Shiokawa A, Kato T et al. Radiological study of the accessory skeletal elements in the foot and ankle. Nippon Seikeigeka Gakkai Zasshi, 1981; 55: 357–370

3. Miller T. Painful accessory bones of the foot. Semin Musculoskelet Radiol 2002; 6: 153–61

4. Mellado JM, Ramos A, Salvado E et al. Accessory ossicles and sesamoid bones of the ankle and foot: imaging findings, clinical significance and differential diagnosis. Eur Radiol, 2003; 13 Suppl. 6: L164–77

5. Abramowitz Y, Wollstein R, Barzilay Y et al. Outcome of resection of a symptomatic os trigonum. Journal Bone Joint Surg, 2003; 85(A):1051–1057

Fussnoten

Gutachteninstitut medexpert-nord, Stade

Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf

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