Industrie und Handel - OUP 02/2014
Flupirtin-Neubewertung eröffnet neue Perspektiven
Das unlängst entschiedene Beurteilungsverfahren der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) hat dem Wirkstoff Flupirtin nach gründlicher Prüfung der Datenlage sowohl ein positives Nutzen-Risikoprofil bei akuten Schmerzen bestätigt als auch die analgetische Effizienz des einzigartigen Wirkmechanismus. Allerdings wurde die Anwendungsdauer aufgrund fehlender kontrollierter Langzeitstudien auf zwei Wochen limitiert. Zusätzlich sind wöchentliche Leberwertkontrollen gefordert. Konsequenzen und Chancen dieser Entscheidung für die klinische Praxis der Schmerztherapie wurden beim Deutschen Schmerzkongress in Hamburg ebenso diskutiert wie neue Erkenntnisse über Wirkung und Sicherheit des innovativen Wirkprinzips SNEPCO (Selective Neuronal Potassium Channel Opener).
Für die ärztliche Klinik und Praxis bedeutet die EMA-Entscheidung zwar eine gewisse Einschränkung, so der Anästhesiologe Professor Michael Schäfer von der Berliner Charité. Dennoch bleiben nach seiner Einschätzung zahlreiche Anwendungsgebiete für Flupirtin davon unberührt. So könne der Kaliumkanalöffner – bei sehr guter Datenlage – nach wie vor bei akuten muskulär bedingten Schmerzen bzw. myofaszialem Syndrom im Bewegungssystem, etwa an Rücken, Schulter oder Nacken sowie bei akuten peri- oder postoperativen Schmerzen eingesetzt werden. Gleiches gelte für die Anwendung bei akuten Exazerbationen chronischer Beschwerden, bei Lagerungs- und Liegeschmerzen sowie unterstützend bei Reha-Maßnahmen. Entsprechende positive Studienergebnisse bei chronischen Rückenschmerzen über längere Behandlungsphasen vorausgesetzt, hält Schäfer auch eine spätere Indikationserweiterung für durchaus wahrscheinlich.
Unterstützt wurde diese Einschätzung von Professor Hans-Raimund Casser, dem Leiter des DRK Schmerzzentrums Mainz und Präsidiumsmitglied der Deutschen Schmerzgesellschaft. Er wies darauf hin, dass das Zeitfenster für „akute“ Schmerzen gemäß der NVL Kreuzschmerz durchaus bis zu drei Monaten betragen könne. Zudem dürfte sich das momentane Sicherheitsbedürfnis relativieren, sobald Langzeitdaten zur Therapie vorlägen, zumal sich die eher seltenen Risikokonstellationen offenbar prophylaktisch beherrschen lassen. „Wir haben ein Präparat, das gerade in der jetzigen Zeit sehr wertvoll ist“, so Cassers Urteil.
In den letzten sechs Jahren blieb trotz kontinuierlicher zunehmender Verordnungshäufigkeit die Zahl der Spontanmeldungen über unerwünschte Wirkungen von Flupirtin auf einem sehr niedrigen Niveau konstant1, wie der Pharmakologe und Toxikologe Professor Jürgen Borlak von der Medizinischen Hochschule Hannover betonte. In einer, gemeinsam mit dem BfArM vorgenommenen Analyse sämtlicher Spontanmeldungen der Jahre 1993 bis 2009 fanden sich bei über 155,2 Millionen verordneter Flupirtin-Tagesdosen im Zeitraum 1992–2008 nur 226 Spontanberichte von Lebernebenwirkungen im Zusammenhang mit Flupirtin, resultierend in einer Inzidenz von 0,8 pro 10.000 Patienten (< 0,1 %, sehr selten). Nur ca. 20 Prozent der berichteten Lebernebenwirkungen waren mit der Bewertung „wahrscheinlich“ auf Flupirtin zurückzuführen. Bei 67 % der Meldungen erhielten die Patienten zusätzlich Medikamente mit bekannter Leberbeeinflussung, so Borlak. Unter Flupirtin-Monotherapie bestehe nur ein geringes Risiko für Leberschädigungen oder Transaminasen-Erhöhungen. 1Anderson N, Borlak J. PLOS one 2011; 6(10), e25221
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