Übersichtsarbeiten - OUP 02/2015

Indikationen und klinische Anwendung der 3-fachen Beckenosteotomie nach Tönnis/Kalchschmidt

B.-D. Katthagen1, A. R. Zahedi1

Zusammenfassung: Bereits seit 1976 wird die 3-fache Beckenosteotomie (3fBO) nach Tönnis und Kalchschmidt durchgeführt. Mittlerweile liegt ein Erfahrungsschatz von mehr als 5000 Eingriffen vor. Die Technik hat sich über die Jahre deutlich verändert. Die 3FBO kann bereits ab dem 6. Lebensjahr bei noch offenen Wachstumsfugen vorgenommen werden, was neben der klassischen Indikation der Hüftdysplasie gerade beim Morbus Perthes gute Therapieoptionen bietet. Auch eine Kombination mit anderen Hüftgelenkeingriffen ist gut möglich. Bei jungen Patienten können auch mit einer Dysplasiecoxarthrose gute Ergebnisse vorgewiesen werden. Die Indikationsstellung ist mit einer konventionellen Bildgebung gut möglich. Bei einer unklaren klinischen und röntgenologischen Konstellation muss eine weitere apparative Diagnostik erfolgen. Komplikationen sind selten, und gerade die gefürchteten Thrombosen und Lungenembolien sind in den letzten Jahren eine Seltenheit geworden. Der stationäre Aufenthalt ist nach dem 10. postop. Tag beendet. In den ersten 6 Wochen muss die Flexion auf 60° limitiert werden. 3FBO ist das führende Operationsverfahren zur Korrektur dysplastischer Hüftgelenke in Deutschland.

Schlüsselwörter: Hüftdysplasie, Beckenosteotomie, Morbus
Perthes, Hüftluxation, Dysplasiecoxarthrose

Zitierweise
Katthagen BD, Zahedi AR. Indikationen und klinische Anwendung der 3-fachen Beckenosteotomie nach Tönnis/Kalchschmidt.
OUP 2015; 02: 072–075 DOI 10.3238/oup.2015.0072–0075

Summary: We started performing Toennis triple pelvic
osteotomy in our institution in 1976. More than 5000 operations have been performed in the mean time in Dortmund. The technique of the operation has developed during the years with the help of K. Kalchschmidt. The operation can be performed even in children of 6 years and more with open growth plates and triradiate cartilage. Beside the classic indication like symptomatic hip dysplasia the operation proved to be helpful in significant retroversion of the acetabulum with impingement, decentrated hips in Perthes disease and 1st and 2nd grade arthrosis following hip dysplasia in young patients with normal BMI and function. Indication can be given based on standard x-rays in clear clinical situations. Additional exams like MRI and CT-scans are needed in other constellations. Complications, especially thromboses and embolies are rare in the hands of experienced surgeons. Hospitalisation can be finished after the 10th postop. day. Flexion of the hip must be limited to 60° in the first 6 weeks after the operation. Triple pelvic osteotomy is the leading operative technique in pelvic osteotomies in Germany.

Keywords: hip dysplasia, pelvic osteotomy, Perthes disease,
hip dislocation, coxarthrosis

Citation
Katthagen BD, Zahedi AR. Indication and performance of Toennis
triple pelvic osteotomy.
OUP 2015; 02: 072–075 DOI 10.3238/oup.2015.0072–0075

Einleitung

Die ersten 3-fachen Beckenosteotomien nach Tönnis und Kalchschmidt (3FBO) wurden am Klinikum Dortmund (früher Städt. Kliniken Dortmund) im Jahr 1976 vorgenommen. Die Sitzbeinosteotomie erfolgte in den Anfangszeiten noch in Bauchlage und die Operation wurde zweizeitig vorgenommen. Die Winkelstellungen der Osteotomien waren noch deutlich anders als in der heutigen Vorgehensweise. Die Osteosynthese erfolgte nur mit Kirschnerdrähten am Darmbein und die Patienten wurden für 6 Wochen in einem Beckenbeingips behandelt. Die Erstbeschreibung des Verfahrens erfolgte 1981 [1]. Dabei wurden die ersten Ergebnisse bei 32 Patienten beschrieben. Zu dieser Zeit wurde auf ein einzeitiges Vorgehen gewechselt. Mit der Einführung der Schraubenosteosynthese am Darmbein und der Cerclageosteosynthese am Schambein konnte die Gipsbehandlung Anfang der 90er Jahre verlassen werden. Weiterhin haben sich auch die einzelnen Osteotomien geändert und die Schambeinosteosynthese wird regelhaft mit einer Schraube vorgenommen [2]. Bis heute wurden am Klinikum Dortmund mehr als 5000 Beckenosteotomien nach Tönnis und Kalchschmidt vorgenommen.

Die Vorteile gegenüber den anderen Verfahren, insbesondere der PAO nach Ganz, sind einerseits die bessere Übersichtlichkeit und Lernbarkeit der Osteotomien und andererseits die Häufigkeit der Anwendung und damit auch die Expertise mit diesem Verfahren. Aktuell werden weiterhin 200 3FBOs jährlich am Klinikum Dortmund vorgenommen. In verschiedenen Kliniken in Deutschland werden inzwischen regelmäßig 3FBOs operiert. Somit wächst der Erfahrungsschatz zu diesem komplexen Eingriff rasant an. Durch die 3 einzelnen, klein zu haltenden und standardisierten Zugänge kann jede Osteotomie kontrolliert mit einer guten Übersicht erfolgen. Intraoperative Komplikationen sind trotz der Nähe von vulnerablen anatomischen Strukturen eine Rarität. Das Verfahren bietet ein enormes Korrekturpotenzial, sodass schwere Dysplasien mit einem CE-Winkel < 0° und auch Hüftluxationen über die Schwenkung der Sekundärpfanne in der Hand eines erfahrenen Anwenders sicher zu korrigieren sind (Abb. 1).

Aufgrund der Lage der Osteotomien und der Zugangswege werden die Pfannenperfusion und auch die Perfusion des Hüftkopfs nicht beeinträchtigt [3]. Bei konkurrierenden Verfahren wie der PAO sind Pfannennekrosen und intraoperative Pfannenverletzungen beschrieben. Die 3FBO kann auch bei offenen Wachstumsfugen bzw. bei offener Y-Fuge gefahrlos durchgeführt werden [4]. Dies ist bei den Konkurrenzverfahren nicht möglich. Eine Arthrotomie oder gar Tenotomie des M. rectus femoris muss nicht regelhaft durchgeführt werden, was die Invasivität dieses komplexen Eingriffs gerade auch im Vergleich zur PAO deutlich reduziert. Die 3FBO ist gut mit eventuell notwendigen zusätzlichen Korrekturen am proximalen Femur in Sinne einer intertrochantären Osteotomie zu kombinieren und einzeitig durchzuführen. Weiterhin kann auch einzeitig die Kombination mit einer Hüft-Arthroskopie erfolgen.

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