Informationen aus der Gesellschaft - OUP 01/2017
Interview mit den Kongresspräsidenten65. Jahrestagung der VSOU e.V. in Baden-Baden 2017
Zum dritten Mal seit dem Zusammenschluss von O&U hat eine Doppelspitze die Präsidentschaft inne: Prof. Dr. med. Paul A. Grützner (Ärztlicher Direktor der BG Klinik Ludwigshafen) und Prof. Dr. med. Dominik Parsch (Chefarzt der Baumann-Klinik Orthopädie). Als Kongressmotto für die Jahrestagung 2017 haben Sie „Das Ganze ist mehr ...“ gewählt und möchten Orthopädie und Unfallchirurgie weiter zusammenführen. Worauf dürfen sich die Teilnehmer besonders freuen?
Parsch: Wir bieten den Teilnehmern ein einzigartiges Gesamtpaket. In Baden-Baden ist das Setting hervorragend, um Wissenschaft, Fortbildungsprogramme, Berufspolitik, Fragen zur Gesundheitsökonomie, aber auch den kollegialen Austausch gleichermaßen zusammenzubringen. Es werden nicht nur Spezialisten für ein Gebiet angesprochen, sondern alle Orthopäden und Unfallchirurgen.
Welche Neuerungen und Innovationen in der Orthopädie und Unfallchirurgie werden bei der 65. Jahrestagung im Vordergrund stehen?
Grützner: Bei den Innovationen geht es um die Betrachtung der Behandlungskette insgesamt. Dazu gehören schonende OP-Verfahren, die spezielle Vorbereitung des Patienten auf die OP sowie die optimale Nachbehandlung. Heute ist es umso wichtiger, dass niedergelassene und stationär tätige Ärzte intensiv zusammenarbeiten. Eine Herausforderung sehe ich in der „Medizin des alten Menschen“. Auch dort entwickelt sich enorm viel, um die besonderen Belange der älteren Patienten abzubilden. Und das ist auch ein gutes Beispiel für die erwähnte Behandlungskette – man sieht also nicht mehr nur den einzelnen operativen Eingriff isoliert, sondern besonders Rehabilitation und Sekundärprophylaxe. Nur dann hat man bestmögliche Erfolge.
Wo sehen Sie persönlich die fachlichen Kongress-Highlights?
Grützner: Die fachlichen Highlights sehe ich im Komplettangebot des Kongresses. Einerseits bieten wir für den Nachwuchs Seminare und Workshops, führen an unser Fachgebiet heran und komplettieren das Weiterbildungsangebot. Andererseits bieten wir für die Spezialisten Expertenrunden an, in denen man sich mit den aktuellen Herausforderungen in O&U auseinandersetzt. Hier geht es nicht nur um Frontalunterricht, sondern um einen echten Austausch, bei dem man mit den Experten ins Gespräch kommt.
Parsch: Ich bin gespannt auf die Sitzung „Meine wichtigsten Fälle auf dem Weg zum guten …“, in der ausgewiesene Experten ihre relevanten Fälle und den daraus abgeleiteten Erkenntnisgewinn präsentieren werden. Besonders freue ich mich auf die beiden Sitzungsblöcke „Das Ganze ist mehr“, in denen wir spannende Themen außerhalb unseres fachlichen Fokus beleuchten wollen (Stichworte: Bionik, digitales Smart-Tracking im Krankenhaus, Angst- und Risikoforschung, Entwicklungshilfemedizin).
Lebhafte Podiumsdiskussionen sind ein fester Bestandteil der Jahrestagung. Mit „Pay for Performence“ greifen Sie ein qualitäts- und abrechnungsrelevantes Thema auf, welches Politik, Klinik und Praxis und Krankenkassen gleichermaßen betrifft. Was erhoffen Sie sich von dieser Diskussionsrunde?
Grützner: Ich erhoffe mir eine Klärung und Präzisierung des bisher sehr abstrakten Begriffs „P4P“. Wir möchten erreichen, dass Kliniken und niedergelassene Ärzte wissen, was in der Gesundheitspolitik auf sie zukommt.
Parsch: Letztendlich wäre es schön, wenn sich die Teilnehmer anschließend eine eigene Meinung zu diesem kontroversen Thema bilden könnten.
Die Nachwuchsförderung liegt der VSOU seit Jahren sehr am Herzen. Wie wollen Sie den Nachwuchs beim Kongress für O&U begeistern?
Grützner: Wir wollen dem Nachwuchs zeigen, was für ein tolles Fach O&U ist. Wir haben moderne Behandlungsmethoden, die den Patienten Lebensqualität zurückbringen – das ist etwas, was ungemein befriedigt. Wenn wir das vermitteln können, dann werden wir auch keine Nachwuchssorgen haben.
Parsch: Der Tag der Vorklinik wird über das Junge Forum ein passgenaues Programm für Studierende anbieten, inklusive Podiumsdiskussion. Wir werden die bereits in 2016 erfolgreich angebotenen Kurskonzepte der AE und AO mit Workshops für Assistenzärzte fortsetzen. Nicht zuletzt richten sich „Meine wichtigsten Fälle auf dem Weg zum guten …“ natürlich auch an junge Kollegen, die von den Erfahrungen der Experten profitieren können.
Herr Prof. Parsch, ein Schwerpunktthema ist die Endoprothetik. Jährlich erhalten rund 400.000 Menschen ein künstliches Gelenk. Aber auch bei ca. 35.000 Patienten ist aus unterschiedlichen Gründen ein Prothesenwechsel fällig. Wie könnte Ihrer Meinung nach diese Zahl reduziert werden?
Parsch: Wenn man über eine Reduktion der Wechseloperationen nachdenkt, muss man berücksichtigen, warum Wechseloperationen durchgeführt werden. Die häufigste Ursache ist die aseptische Lockerung. Um dieses Risiko zu minimieren, müssen wir zunächst auf eine hohe Implantationsqualität achten. Die Zentrenbildung wird uns dabei helfen. Wir müssen zudem bei der Implantatwahl unterscheiden zwischen sinnvollen/erfolgreichen Innovationen und „Marketing-getriebenen“ Scheinverbesserungen, die möglicherweise sogar mit schlechteren Ergebnissen einhergehen. Nicht zuletzt gilt es, den Patienten verantwortlich einzubinden: Eine kontrollierte Rehabilitationsphase ohne Überlastungs-, Stolper- oder gar Sturzereignisse und eine bewusste Lebensführung wird ein wesentlicher Prädiktor zunächst für eine gute (Ein-)Heilung und dann für ein gutes langfristiges Ergebnis sein. Gerade bei der zementfreien Hüftendoprothese müssen wir uns bewusstmachen, dass – bei aller Dynamik/Fast track etc. – der für die Verankerung in Anspruch genommene Knochen der gleiche ist, wie vor 30 Jahren.
Herr Prof. Grützner, Rückenschmerzen gelten in der heutigen Zeit als Volkskrankheit. In den Medien wird immer wieder berichtet, dass die Zahl der Wirbelsäulen-OPs rasant ansteigt, obwohl in den meisten Fällen eine konservative Therapie ausreichen würde. Stimmt das?
Grützner: Ob das wirklich stimmt, ist nicht mit Sicherheit zu beurteilen. Aber es gibt Dinge, die man sicher weiß: Man weiß, dass die Zahl der Wirbelsäulen-OPs ansteigt, aber auch, dass die demografische Entwicklung zu vermehrten Rückenleiden führt. Die Menschen werden älter, aber auch die Ansprüche werden größer. Die Patienten möchten möglichst schmerzfrei oder wenigstens schmerzarm ihren Aktivitäten nachgehen. Insofern wird hier durch neue OP-Verfahren ein Angebot geliefert. Auf der anderen Seite ist es auch – und das ist unbestritten – zu einem zu starken Anstieg der operativen Eingriffe gekommen. Unsere Herausforderung und Verpflichtung ist es, im Zuge einer Versorgungsforschung den Nachweis zu erbringen, ob eine Operation für den Patienten die Situation verbessert oder nicht. Auf keinen Fall soll es eine „angebotsinduzierte“ Nachfrage geben, das heißt: Immer mehr Leistungserbringer (weil sich das gut rechnet) führen zu immer mehr Operationen. Das ist kein seriöser Umgang mit den Belangen der Patienten!
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