Übersichtsarbeiten - OUP 01/2017
Intraoperative Bildgebung bei der Versorgung komplexer Gelenkfrakturen
Jochen Franke1, Benedict Swartman1, Paul A. Grützner1
Zusammenfassung: Die intraoperative Bildgebung mit mobilen C-Bögen revolutionierte die unfallchirurgischen Versorgungsmöglichkeiten, besonders im Bereich der Gelenkfrakturen. Sie ermöglichte die schnelle und einfache Kontrolle von Frakturreposition und Implantatlage sowie die dynamische Untersuchung von anatomischen Regionen. Durch ihren Einsatz wurden in Folge auch vermehrt minimalinvasive Operationstechniken etabliert. Einen weiteren Meilenstein stellt die dreidimensionale Bildgebung dar, die aufgrund der unmittelbaren intraoperativen Qualitätskontrolle im Gelenkbereich Folgeeingriffe vermeiden kann. Die Versorgungsqualität von komplexen Gelenkfrakturen und hierdurch das klinische und radiologische Langzeitergebnis können durch diese Fortschritte nachweislich verbessert werden.
Die technischen Möglichkeiten, die Software-Applikationen für Bildverstärker, bildgeführte Chirurgie und Computernavigation bieten, werden weiter zu einer Verbesserung der Ergebnisse beitragen.
Schlüsselwörter: Intraoperative Bildgebung, bildgeführte
Chirurgie, Navigation, 3D-Scan, Gelenkrekonstruktion,
intraoperative Revisionsrate
Zitierweise
Franke J, Swartman B, Grützner PA: Intraoperative Bildgebung bei der Versorgung komplexer Gelenkfrakturen.
OUP 2017; 1: 019–025 DOI 10.3238/oup.2016.0019–0025
Summary: Therapeutic options in traumatology especially in the field of joint fractures have been revolutionized by intraoperative imaging. At first, intraoperative fluoroscopy allowed minimally invasive operation techniques, as well as dynamic examination of the operated structures in order to evaluate fracture reduction and implant position. Yet another mile stone was three-dimensional imaging, which prevents further revision surgery due to immediate intraoperative quality control in the joint region. Technical possibilities of software applications for image intensifiers and navigated procedures are unlimited nowadays. Quality of treatment in complex joint fractures in terms of radiologic results and clinical long term outcome can be verifiably improved by this technical progress.
Keywords: Intraoperative imaging, image guided surgery,
navigation, 3D Scan, joint reconstruction, intraoperative
revision rate
Citation
Franke J, Swartman B, Grützner PA: Intraoperative imaging in the treatment of complex joint fractures.
OUP 2017; 1: 019–025 DOI 10.3238/oup.2016.0019–0025
Einleitung
Die intraoperative Bildgebung nimmt in der heutigen Zeit eine wesentliche Rolle bei der Versorgung von komplexen Gelenkfrakturen ein. Technisches Grundgerüst ist der mobile C-Bogen, der aufgrund seines Designs vielseitig anwendbar ist. Der Nutzen der Anwendung ist auf der internationalen wissenschaftlichen Bühne vielfach belegt, dies spiegelt sich auch in der Verbreitung der 3D-fähigen motorisierten C-Bögen wider. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts revolutionierte die intraoperative zweidimensionale Bildgebung die Versorgungsmöglichkeiten unfallchirurgischer Verletzungen. Unter dynamischer Durchleuchtung konnten Repositionsergebnisse sowie Implantatlage während der Operation beurteilt und ggf. Konsequenzen direkt gezogen werden. Die offen-chirurgische Darstellung der knöchernen Strukturen konnte in Folge in vielen Fällen durch bildgestützte minimalinvasivere Techniken ersetzt werden. Der Vorteil liegt in der Reduktion von aufwendigen weichteiligen Präparationen sowie der Entstehung großer Wundflächen.
Die Bedeutung der intraoperativen 3D-Bildgebung resultiert aus der Limitierung der Möglichkeiten der zweidimensionalen Bildgebung. Konventionelle Röntgenbilder oder sogar die zweidimensionale Durchleuchtung lassen nicht immer eine korrekte Einschätzung des Repositionsergebnisses und/oder der Implantatlage zu [1–3]. Gerade im Bereich der Gelenke liegen häufig komplexe anatomische Strukturen vor, die aufgrund ihrer teilweise in mehreren Ebenen konkaven oder konvexen Oberfläche nur schwer im Strahlengang einzustellen und auf der resultierenden 2D-Projektion zu beurteilen sind. Beispiele hierfür sind das obere und untere Sprunggelenk, das Knie- und auch das Handgelenk. Die dreidimensionale Evaluation vermag hierbei eine eindeutige Position der Implantate sowie eine verlässliche Aussage über die Reposition der gelenkbildenden Anteile zu treffen.
Die Frage, ob der erhöhte logistische und finanzielle Aufwand beim Einsatz der 3D-Bildgebung gerechtfertigt ist, ist bereits in zahlreichen Studien beantwortet. Anzahl und Art der intraoperativen Konsequenzen aus der 3D-Bildgebung im Sinne intraoperativer Revisionen sind ein anschauliches Maß für den Nutzen des Verfahrens. Das Ergebnis des intraoperativen 3D-Scans veranlasst in 7–43 % zur unmittelbaren Konsequenz im Sinne eines Optimierungsversuchs des Ergebnisses [4–8]. Würde alternativ zur intraoperativen 3D-Bildgebung eine postoperative Computertomografie durchgeführt werden, wäre zur Optimierung des OP-Ergebnisses eine weitere Operation notwendig. Da die anatomische Rekonstruktion von Gelenkfrakturen die nachweislich besten Langzeitergebnisse erzielt, ist diese immer das Ziel einer operativen Versorgung komplexer Gelenkfrakturen.
Aus ökonomischer Sicht ist laut Hüfner et al. die Anschaffung und Betreibung eines mobilen C-Bogens mit der Option der dreidimensionalen Bildgebung unter Berücksichtigung aller Kosten ab einer intraoperativen Revisionsrate von 5 % rechnerisch lohnend [9].
Die zentralen Fragen, die mittels intraoperativer 3D-Bilgebung geklärt werden können, sind:
Ist die Gelenkfläche adäquat rekonstruiert?
Ist die Implantatlage korrekt?
Durch den Einsatz der intraoperativen Bildgebung sollen die Qualität der Osteosynthese komplexer Gelenkfrakturen erhöht und Revisionen im Sinne zusätzlicher operativer Eingriffe vermieden werden. Ziel ist durch Verhinderung der posttraumatischen Arthrose die Verbesserung des Langzeit-Outcomes des Patienten.
Perspektivisch ermöglichen zunehmend Software-Erweiterungen, die als Applikationen auf den Rechner des Bildverstärkers installiert werden, Unterstützung bei der Bedienung des Geräts und auch der Operationen. Die Entwicklungen in diesen Bereichen sind rasch und werden durch die ständige Verbesserung der Hardware zusätzlich unterstützt.
2D-Bildgebung
Grundlagen zum Strahlenschutz
Die Strahlenbelastung einer Durchleuchtungsaufnahme ist geringer als die eines konventionellen Röntgenbilds. Aufgrund der einzuhaltenden Lebenshöchstdosis steht allerdings das bedienende Personal durch seine wiederkehrende Exposition im Fokus der Strahlenschutzmaßnahmen. Generell gilt das Abstandquadrate-Gesetz, welches besagt, dass der Betroffene bei einem doppelten Abstand von der Strahlenquelle lediglich einem Viertel der Dosis ausgesetzt ist. Das Tragen von Schutzkleidung im Sinne von Bleischürzen, Schilddrüsenkragen, Bleiglasbrillen und eventuell auch Bleihandschuhen ist essenziell. Darüber hinaus muss aber auch bei der Bedienung der Geräte einiges beachtet werden. Von 1000 Photonen, die dem Patienten zugeführt werden, erreichen lediglich 20 den Detektor, 100–200 werden als Streustrahlung abgelenkt. Der Rest wird vom Patienten absorbiert. Die Streustrahlung stellt somit für den Bediener des Geräts das größte Problem dar. Sie entsteht hauptsächlich an der der Strahlenquelle zugewandten Seite des Patientenkörpers. Somit sollte der Bediener immer die Position am Detektor des C-Bogens einnehmen, bzw. der Detektor oberhalb des Patienten platziert werden, während sich die Strahlenquelle unter dem Tisch befindet (Abb. 1).