Übersichtsarbeiten - OUP 03/2020
Komplikationen und Revisionsstrategie nach Trochleaplastik
Jannik Frings, Matthias Krause, Karl-Heinz Frosch
Zusammenfassung:
In der Entstehung der patellofemoralen Instabilität stellt die Trochleadysplasie einen der wichtigsten anatomischen Risikofaktoren für rezidivierende Luxationen dar. Durch die Insuffizienz der statischen Stabilisation kann es bei ausgeprägter Dysplasie zu einem vollständigen Verlust des Patellatrackings kommen. Hier stellt die Trochleaplastik eine der effektivsten Behandlungsmöglichkeiten zur Wiederherstellung des Patellatrackings dar. Neben dem hohen technischen
Niveau birgt der Eingriff jedoch ein beachtliches Risikoprofil, bedingt durch die Komplexität der Pathologie und die Invasivität des Eingriffs.
Neben Herausforderungen bei der Indikationsstellung, gehören im postoperativen Verlauf rezidivierende Instabilitäten, ein gesteigertes Schmerzniveau, persistierende Bewegungseinschränkungen und die Entwicklung patellofemoraler Arthrose zu den häufigsten Gründen für eine Revisionsoperation. Unter Berücksichtigung möglicher Fallstricke bei der Indikationsstellung und nach gründlicher Analyse der individuellen Pathologien ist die Trochleaplastik ein effektives Werkzeug zur Therapie der patellofemoralen Instabilität. Das beschriebene Risikoprofil macht eine vergleichsweise engmaschige Nachbehandlung empfehlenswert.
Schlüsselwörter:
Trochleaplastik, Trochleadysplasie, patellofemoral, Patella, Arthrose, Arthrofibrose, Re-Trochleaplastik, intraartikulär, Osteotomie, Maltracking
Zitierweise:
Frings J, Krause M, Frosch KH: Komplikationen und Revisionsstrategie nach Trochleaplastik.
OUP 2020; 9: 166–171 DOI 10.3238/oup.2019.0166–0171
Summary: Femoral trochlear dysplasia is considered to be one of the most important anatomical risk factors for recurring episodes of patellofemoral instability. This structural and functional insufficiency of static stabilization can consequently result in the total loss patellar tracking. Therefore, in severe types of dysplasia, trochleoplasty can be an effective treatment option. However, the different surgical techniques require a high level of surgical skills. They bear a considerable risk profile, which arises from the complexity of the deformity and from the
invasiveness of the procedure itself.
While sometimes, the indication itself can be challenging, various postoperative complications such as recurring patellar dislocations, an increased level of pain, patellofemoral osteoarthritis or a limited range of motion are the most common reasons for revision surgery. In severe cases of trochlear dysplasia, trochleoplasty can be an effective treatment option. This, however, requires the consideration of certain pitfalls, a thorough preoperative analysis of individual pathologies and a closely monitored follow-up.
Keywords: trochleoplasty, trochlear dysplasia, patellofemoral, patella, osteoarthritis, arthrofibrosis, re-trochleoplasty, intraarticular, osteotomy, maltracking
Citation: Frings J, Krause M, Frosch K-H: Trochleoplasty for patellofemoral instability: complications and strategy for revision. OUP 2020; 9: 166–171 DOI 10.3238/oup.2019.0166–0171
Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Einleitung
Die Patellaluxation ist eine der häufigsten Kniegelenkserkrankungen, von der überwiegend junge Patienten betroffen sind. Während ein eher geringerer Anteil der akuten Patellaluxationen einmalige traumatische Ereignisse darstellen, denen möglicherweise ein adäquates Trauma vorausgegangen ist, handelt es sich bei der überwiegenden Zahl der Fälle um eine symptomatische Instabilität des Patellofemoralgelenkes. Verschiedene anatomische Risikofaktoren wurden mittels prädiktiven Modellen identifiziert, die zu einer pathologischen Veränderung des Patellatrackings führen und so eine konsekutive Patellainstabilität begünstigen können [1]. Entsprechend basiert das heutige Verständnis einer kausalen Therapie auf der Identifikation individuell zugrundeliegender Pathologien und geht bei vorliegendem Maltracking über die isolierte weichteilige Stabilisation, im Sinne einer Plastik des medialen patellofemoralen Ligamentes (MPFL) hinaus [8, 9, 10].
Die Trochleadysplasie – Herausforderung „Definition und Indikation“
Unter allen bekannten anatomischen Risikofaktoren stellt die Trochleadysplasie den größten Risikofaktor für rezidivierende Luxationsereignisse dar und ist deshalb ein wichtiges Ziel chirurgischer Therapieansätze [2, 13]. Während einige Risikostratifizierungsmodelle bereits eine leichtgradige Abflachung des Trochleasulkuswinkels > 154° als risikosteigernd identifizierten, werden höhergradige Dysplasieformen (Dejour Typen B-D) mit einem bis zu 19-fach erhöhten Reluxationsrisiko in Verbindung gebracht [1]. Die Veränderung der knöchernen Trochleageometrie wirkt sich durch die Kompromittierung der statischen Stabilisation also unweigerlich auf das Reluxationsrisiko aus. Jedoch ermöglichen diese Stratifizierungsmodelle keine direkten Rückschlüsse auf die Indikation zur Trochleaplastik.
In diesem Zusammenhang stellt bereits die Klassifizierung der Trochleadyplasie eine Herausforderung auf dem Weg zur Indikationsstellung dar. Gemäß der Einschätzung von Dejour et al. weisen bis zu 85 % aller Patienten mit patellofemoraler Instabilität eine Form der Trochleadysplasie auf [7]. Die klinische Erfahrung zeigt jedoch, dass nicht annähernd ein so großer Anteil einer Trochleaplastik bedarf. Zudem existieren zahlreiche klinische Studien, welche gute kurz- bis mittelfristige Ergebnissen nach MPFL-Plastik und/oder medialisierender Tuberositasosteotomie, trotz des Vorliegens einer leichtgradigen Trochleadysplasie (Typen A und teilweise B) zeigen [9, 24, 30]. So existiert bis heute keine abschließende, evidenzbasierte Aussage darüber, welche geometrische Form der Trochleadysplasie eine eindeutige Indikation zur Trochleaplastik darstellt.
Einer großen Übersichtsarbeit zufolge, ist die Trochleaplastik in Kombination mit der MPFL-Plastik bei den Dejour-Typen C und D, der isolierten MPFL-Plastik sowohl hinsichtlich der Reluxationsrate, als auch der Rückkehr zum Sport überlegen [12, 30]. Andere Autoren hingegen sahen eine Indikation zur Sulkus-vertiefenden Trochleaplastik vor allem bei den Typen B und D, nicht aber bei A und C [11, 14]. Aus Sicht der Autoren besteht die Indikation insbesondere bei Vorliegen eines supratrochleären Sporns oder „Bump“ oder bei einer konvex angelegten Trochlea (Abb. 1). Insbesondere der supratrochleäre Sporn ist jedoch nicht ausschließlich beim Typ B zu finden, sondern wird auch in Kombination mit anderen Formen der Trochleadysplasie beschrieben. Neben anderen Beispielen führt dies zu einer nur mäßigen Interrater-Reliabilität der Dejour-Klassifikation, welche zudem den objektivierbaren Messparametern zur Beschreibung der Trochleageometrie im direkten Vergleich unterlegen ist (Abb. 2) [18]. Da die Klassifikation der Einfachheit halber dennoch Grundlage der meisten wissenschaftlichen Arbeiten ist, können nur bedingt tatsächliche Rückschlüsse auf die effektive Indikationsstellung gezogen werden.