Arzt und Recht - OUP 05/2024

Mit hoher Muskelkraft und Muskelmasse zu mehr Lebensqualität und gesunden Lebensjahren?

Mit hoher Muskelkraft und Muskelmasse zu mehr Lebensqualität und gesunden Lebensjahren?

Wurde Ihnen als Kind mal gesagt, dass ein kräftiger Händedruck ein wichtiges Merkmal nonverbaler Kommunikation für das Gegenüber ist und dass man auf diesem Wege einen selbstbewussten Eindruck hinterlassen kann? Ein fester Händedruck kann allerdings noch viel mehr über Sie aussagen. Er ist sogar ein gut erforschter Indikator für Robustheit im höheren Alter und damit indirekt für Langlebigkeit.

Und damit freue ich mich, Ihnen in der heutigen Kolumne den zweiten aussagekräftigsten Parameter für langfristige Gesundheit vorstellen zu dürfen: Muskelkraft bzw. Muskelmasse. Wer hätte gedacht, dass das Image der Krafttrainierenden aus den zwielichtigen Hinterhof-Studios mit muskelbepackten Bodybuildern mal zu einem der zentralsten Gesundheitsparameter werden könnte? Und noch wichtiger, warum ist das so?

Es gibt viele Gründe, daher konzentrieren wir uns mal auf einige wichtige: Gesundheit ist auch im hohen Maße Risikomanagement. Auf dieser Grundlage erkennen wir mit zunehmendem Alter 2 entscheidende Trends und einen daraus resultierenden zusätzlichen Risikofaktor.

Trend 1: Sturzrisiko

Das Risiko zu stürzen, nimmt mit dem Alter zu. Diese Stürze haben im höheren Alter oft fatalere Folgen als bei jüngeren Menschen. Die Letalität in den ersten 12 Monaten nach einem Oberschenkelhalsbruch liegt bei älteren Menschen im 8. Lebensjahrzehnt bei knapp 27 % und nach 2 Jahren bei über 36 %. Das bedeutet, dass im ersten Jahr nach diesem Sturzereignis mindestens jeder vierte Betroffene stirbt und nach 2 Jahren über 1/3 versterben.1 Darüber hinaus weisen Statistiken darauf hin, dass die Häufigkeit von Stürzen bis 2030 noch weiter zunehmen und somit auch absolut gesehen die Sturzfolgen mit allen Facetten weiter zunehmen werden. Eine stärkere Muskulatur schützt erwiesenermaßen ebenso wie die Fähigkeit, die notwendige Muskelkraft im Falle eines drohenden Sturzes aufbringen zu können. Beides wird durch Krafttraining in jeder Lebensdekade und vor allem im Alter gefördert.

Trend 2: Allgemeine Inaktivität

Inaktivität nimmt im Alter zu und damit wird dem natürlichen Abbau an Muskeln Tür und Tor geöffnet. Dieser beginnt im Übrigen schon mit Mitte 20, wenn nicht gezielt gegengesteuert wird. Die Muskelmasse nimmt dann um ca. 1 % pro Jahr ab – im Gegenzug nimmt die Körperfettmasse bei vielen Menschen kontinuierlich zu … ein schlechter Tausch!

Fehlende Bewegung im Allgemeinen lässt nahezu alle Bereiche des Körpers abbauen. So kann adäquates Krafttraining die Knochendichte fördern und vor allem die Typ-2-Muskelfasern aufbauen, die für ihre schnelle und kräftige Kontraktion bekannt sind. Was braucht ein Mensch, der strauchelnd versucht, mit einem Ausfallschritt einen Sturz zu vermeiden? Genau, Typ-2-Muskelfasern. Muskeln können während eines Trainings hunderte Myokine (Botenstoffe) produzieren, die dann in einer vielfach höheren Konzentration im Körper zirkulieren. Myokine wirken vielfältig, z.B. auf das Immunsystem, Gehirn, in der Entzündungsregulation, Stoffwechselbalance u.v.m. Folglich stellt ein Muskeltraining grundlegend die Weichen, um den grassierenden Krankheiten einer modernen Gesellschaft wirkungsvoll zu begegnen. Um nur einige zu nennen: Diabetes mellitus Typ 2, Herzkreislauferkrankungen, Demenz und selbst Tumorerkrankungen. Abhängig von der Art des Muskeltrainings lassen sich hier noch gezieltere Effekte erreichen. Sport ist daher in vielen Leitlinien integraler Bestandteil der Therapie und gilt unbestritten als einer der wirkungsvollsten Präventionsmethoden!

Risikofaktor Neben- und Wechselwirkungen
der Medikamente

Die meisten Krankheiten werden medikamentös behandelt. Im Alter kommen bei Patientinnen und Patienten ab dem 65. Lebensjahr schnell mal 5 parallel eingenommene Präparate zusammen. Bei Hochbetagten sogar oft 10 oder mehr. Medikamente verursachen nicht selten Wechselwirkungen. Auch können sie falsch eingenommen, auf eigene Faust als freiverkäufliche Substanzen zusätzlich in der Apotheke gekauft (z.B. Schmerzmittel) oder von verschiedenen Personen verordnet worden sein. Ihre Nebenwirkungen können wiederum das Sturzrisiko erhöhen und sind eine Begleiterscheinung eines allgemein schlechteren Gesundheitszustandes.

Und deshalb das Wichtigste:
Prävention ist die beste Medizin

Der Moment, in dem Menschen mit regelmäßigem Sport und Bewegung sowie insbesondere mit Krafttraining beginnen sollten, ist HEUTE (und das nur, weil gestern schon vorbei ist). Denn es geht darum, einen Abbau der eigenen Ressourcen zu verlangsamen und von einem „höheren Level zu starten“ bzw. den Beginn von Gesundheitsbeeinträchtigungen möglichst lange hinauszuzögern. Über chronische Erkrankungen wissen wir heute aus Praxis und Forschung, dass sie mit längeren Vorlaufzeiten entstehen und eine Progression haben.

Ein Diabetes Typ 2 entsteht nicht über Nacht.

Muskeln bauen sich nicht plötzlich so stark ab, dass man von einem krankhaften Muskelschwund sprechen kann.

Eine „behandlungswürdige“ Arterienverkalkung zeigt sich nicht aus dem Lebensstil einer einzelnen Grill-& Cocktail-Saison im Sommer. Das sind Jahrzehnte.

Und deshalb jetzt ganz praktisch

  • 1. Berücksichtigen Sie Ihre Vorlieben und Möglichkeiten: Egal, ob mit Kurzhanteln zuhause, im Fitnessstudio an Geräten oder im Turnverein um die Ecke, ein Training kann unter allen Umständen wirkungsvoll durchgeführt werden. Hier gilt jedoch als Voraussetzung für alle, die nach einer Trainingspause wieder einsteigen oder sich zum ersten Mal dem Krafttraining zuwenden, der Grundsatz: nach 3 Monaten mit Freude auf das Training zurückschauen und verletzungsfrei bleiben.
  • 2. Außerdem gilt je trainingsunerfahrener eine Person ist, desto wichtiger/sinnvoller kann professionelle Unterstützung durch ausgebildete Trainer sein.
  • 3. Fokus auf (Rumpf-)Stabilität und Kräftigung von Gesäß-, Oberschenkel-, Waden- und Fußmuskeln: Alle spielen bei der Sturzprophylaxe eine entscheidende Rolle. Zusätzlich auf den Erhalt der Mobilität im Sprunggelenk und eine gute Balance achten. Letztere kann durch entsprechende Trainingsmethoden effektiv mittrainiert werden (z.B. schon in einer tiefen Hocke).
  • 4. Trainieren Sie Ihre Muskeln intensiv: Nachgewiesen beispielsweise in einer Studie, die mit einem Krafttraining von 5 Sätzen je 5 Wiederholungen bei 85 % der persönlichen Maximalkraft (1 Wiederholungsmaximum) über 6 Wochen und 2–3 Einheiten pro Woche durchgeführt wurde. Diese Art von Training spricht vor allem die Typ-2-Muskelfasern an.2
  • 5. Gerade mit zunehmendem Alter wird die Zufuhr von Proteinen immer wichtiger: Da die Muskeln weniger sensitiv für Aminosäuren werden, empfehle ich mindestens 1,6 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Quellen können pflanzlich und tierisch sein. Wem dies durch die natürliche Ernährung schwerfällt, kann auf Proteinshakes und Aminosäuren-Präparate zurückgreifen. Bei eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion oder anderen Störungen sollte Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin gehalten werden.
  • 6. Aus meiner Sicht gibt es 2 kritische Altersgrenzen: Vor dem 50. und vor dem 65. Lebensjahr lohnt es sich besonders, das körperliche Training mit höherer Priorität zu verfolgen. Bei Frauen sind zusätzlich die „erdrutschartigen“ Veränderungen der Hormone im Zuge der Wechseljahre zu beachten, die von Hormonexperten medizinisch begleitet werden können.
  • 7. Bewusst Zeiten für das eigene Training wie bei einem wichtigen Termin im Kalender blocken: Unter Umständen eigene Prioritäten prüfen …

Das Beste zum Schluss

Sind Sie schon in Ihrem goldenen Lebensalter oder haben Ihre Lieben die Altersgrenze von 65 Jahren längst überschritten? Fragen Sie sich, ob es sich noch lohnt, mit Krafttraining anzufangen? Die Antwort ist ein klares JA!

Die bereits oben angerissene dänische Studie aus dem Jahr 2020 verglich die Trainingserfolge nach 6 Wochen Quadrizeps-Training zwischen 9 jungen gesunden (22 ± 2 Jahre alt) und 9 älteren Personen (82 ± 7 Jahre alt). Das Ergebnis ist, dass beide Gruppen nahezu identische Trainingsfortschritte erreicht hatten (jung 83,5 %; 178,2 ± 44,2 kg und alt 78 % 95 ± 22 kg), lediglich die absoluten Kraftwerte waren durch die verschiedenen Ausgangsniveaus unterschiedlich. Weitere Details können in der Studie nachgelesen werden.² Der Körper kann sich in jedem Alter an Trainingsreize anpassen.

Wer ein effizientes Training sucht, dem empfehle ich das FOX-Akademie-Training. In 10 Minuten wird durch ein Ganzkörpertraining mit Reaktivkrafthanteln intensiv trainiert. Unabhängig von Alter, Fitnesslevel oder Einschränkungen: Es lohnt sich immer, sich um Muskelkraft und -masse zu kümmern!

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So möchte ich jedem Menschen, unabhängig von bestehenden Einschränkungen, dem aktuellen Lebensabschnitt und dem Lebensalter ans Herz oder vielmehr an den Muskel legen, sich regelmäßig und angemessen, um die Entwicklung der Muskelkraft und -masse zu kümmern. Es lohnt sich also immer!

 

Herzliche Grüße,

Ben Baak

Korrespondenzadresse

Dr. Ben Baak

Rhedung 62A

41352 Korschenbroich

Tel. 02161 2771820

info@benbaak.de

1. Müller-Mai C: Einjahresverläufe nach Schenkelhalsfraktur des älteren Patienten – Auswertung von Krankenkassendaten. 12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocT2–11–420. doi: 10.3205/13dkvf016

2. Fritzen AM et al.: Preserved Capacity for Adaptations in Strength and Muscle Regulatory Factors in Elderly in Response to Resistance Exercise Training and Deconditioning, Clin Med 2020; 9: 2188.

 

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