Übersichtsarbeiten - OUP 01/2015

Moderne CT-Bildgebung im Rahmen der Schockraumversorgung Schwerverletzter
LiteraturübersichtReview of the literature

S. Huber-Wagner1, K.G. Kanz1, B. Renger2, R. Lefering3, P. Biberthaler1

Zusammenfassung: Die schnelle und sichere radiologische Diagnostik stellt einen relevanten Schlüsselbereich in der Versorgung schwerverletzter Patienten dar. Mittlerweile gibt es zahlreiche Daten zum Nutzen der Ganzkörper-Computertomografie (GKCT). Durch eine Literatursuche und -übersicht soll die aktuelle Evidenz zur GKCT dargestellt werden.

Die Durchführung einer GKCT bei Schwerverletzten während der Schockraumphase zeigt eine hohe Prozessqualität im Sinne eines Zeitvorteils und einer hohen diagnostischen Sicherheit. Ferner zeigt sich ein signifikanter positiver Effekt der GKCT auf das Überleben Polytraumatisierter. Die GKCT ist auch bei hämodynamisch instabilen Patienten sicher anwendbar. Das CT sollte im oder nahe am Schockraum lokalisiert sein.

Moderne iterative Protokolle ermöglichen eine Reduktion der Strahlenbelastung der GKCT um 30–80 %. Die Vorteile der Durchführung einer GKCT bei Schwerverletzten im Sinne einer Standarddiagnostik sind durch die aktuelle Literatur gut belegt.

Schlüsselwörter: Ganzkörper-CT, Multi-slice-CT, Computertomografie, CT, Polytrauma, Schockraum, Outcome

Zitierweise
Huber-Wagner S, Kanz KG, Renger B, Lefering R, Biberthaler P:
Moderne CT-Bildgebung im Rahmen der Schockraumversorgung Schwerverletzter. Literaturübersicht.
OUP 2015; 01: 028–037 DOI 10.3238/oup.2015.0028–0037

Summary: A swift and accurate radiologic workup is one key element of major trauma management. So far, there is much evidence in favour of whole-body CT (WBCT). A systematic review of the literature was performed to present current studies at a glance.

Performing WBCT reduces the time needed in the emergency room significantly and shows a high diagnostic safety and therefore improves process quality. Furthermore, there is a significant positive effect of WBCT on the outcome of
severely injured patients. It is also applicable to haemodynamically unstable major trauma patients. The CT should be located in or close to the emergency room. Iterative scanning protocols are able to reduce radiation by 30–80%. The advantages of WBCT in the care of multiply injured patients as a standard diagnostic tool are well-supported by the current literature.

Keywords: whole-body ct, ct, pan-scan, trauma, polytrauma, multiply injured, major trauma, multi-slice CT, emergency room, outcome

Citation
Huber-Wagner S, Kanz KG, Renger B, Lefering R, Biberthaler P:
Modern CT diagnostics in major trauma management. Review of
the literature.
OUP 2015; 01: 028–037 DOI 10.3238/oup.2015.0028–0037

Einleitung

Die Einführung der Technik der Spiral-Computertomografie in die klinische Routine Anfang der 1990er Jahre hat die diagnostische Radiologie revolutioniert [1]. 1998 ermöglichte die Einführung der Multi-slice-CT-Technologie (MSCT) eine Reduktion der Scanzeiten um das 8-fache. Dies resultiert aus einer Halbierung der Rotationszeit und 4-fachen Volumenabtastung bei gleichbleibender Schichtdicke, wodurch Bewegungsartefakte weitestgehend eliminiert werden können. Durch Fortentwicklung der Detektorentechnik konnte zudem eine höhere Auflösung bei geringeren Schichtdicken als Grundlage für die Berechnung 3-dimensionaler und multiplanarer Rekonstruktionen (MPR) erreicht werden [2–4].

Somit wurde die Durchführung einer Ganzkörper-Computertomografie (GKCT) überhaupt erst technisch möglich und denkbar [3, 4]. Dies führte dann folgerichtig zu Überlegungen, wie man die Ganzkörper-Computertomografie als ein Diagnostikum in die frühe Versorgungsphase Schwerverletzter sinnvoll integrieren könne [5–8].

Entwicklung / Historisches

Löw aus Mainz im Jahr 1997 war der erste, der über den Einsatz der Ganzkörper-Computertomografie im Rahmen der Schwerverletztenversorgung berichtete [9]. Es folgten weitere Berichte von Scherer [10], Leidner [5], Ptak [7], Klöppel [11] und Rieger [8]. Seitdem gab es mehrere Ansätze, die Ganzkörper-Computertomografie in Schockraumalgorithmen- bzw. -protokolle zu integrieren [6, 12–18].

Eine immer größere Anzahl von Traumazentren geht mittlerweile dazu über, die Ganzkörper-Computertomografie routinemäßig zur Diagnostik von polytraumatisierten Patienten während der Versorgung im Schockraum einzusetzen [14, 15]. Nach dem Jahresbericht 2014 des TraumaRegisters DGU der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) verwenden bereits 71 % aller am TraumaRegister teilnehmenden Kliniken diese Art der Diagnostik [19].

Die Ganzkörper-Computertomografie wird zumeist definiert als ein natives Schädel-CT (CCT, cranielle Computertomografie), gefolgt von einer intravenös kontrastmittelverstärkten CT des Thorax, des Abdomens und des Beckens einschließlich der gesamten Wirbelsäule. Die Ganzkörper-Computertomografie ist als single-pass oder segmentierte GKCT möglich.

Welche Evidenz liegt dieser Art der Diagnostik jedoch eigentlich zugrunde? Im Folgenden wird hierzu eine Übersicht über die relevante Literatur und aktuelle Entwicklungen gegeben.

Methodik

Protokoll

Ein Review-Protokoll wurde festgelegt. Dieses wird im Folgenden kurz beschrieben.

Einschluss- und Ausschlusskriterien

Englische und deutschsprachige wissenschaftliche Artikel seit 1997. Spezielle Untersuchungen mit dem Focus auf Kinder (< 16 Jahre) wurden ausgeschlossen.

Quelle

Pubmed der U.S. National Library of Medicine, unter: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed (zuletzt abgerufen am 25.11.2014)

Suchstrategie

Suchwörter: whole-body ct, computed tomography, ct, trauma, pan-scan, polytrauma, multiply injured, major trauma, multi-slice CT, dose, radiation, time, Ganzkörper-CT, Computertomografie, CT, Multi-slice CT, Dosis, Strahlung, Zeit

Datenanalyse

Die gefundenen Studien wurden manuell gescreent und gemäß der Einschätzung der Relevanz und des Evidenzgrades durch die Autoren in das review mitaufgenommen.

Festlegung des Evidenzgrads

Die Evidenzgraduierung nach Analyse der Studien erfolgte gemäß AHCPR (US Agency for Healthcare Policy and Research) in die Stufen Ia, Ib, IIa, IIb, III und IV (hohe Evidenz bis niedrige Evidenz)

Ergebnisse

Tabelle 1 zeigt die relevanten Studien zu dem Themenkomplex „Zeitaspekte“ im Rahmen der initialen CT-Diagnostik Schwerverletzter. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zahlreiche und gute Evidenz vorliegt, die eindeutig einen Zeitvorteil für die Durchführung einer Ganzkörper-CT im Vergleich zur Durchführung selektiver Organ-CTs belegt. Dies wird insbesondere durch jüngste Metaanalysen untermauert (Tab. 1).

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7