Übersichtsarbeiten - OUP 09/2016

Nutritiver Ansatz bei der Arthrosetherapie
Aktuelle Aspekte zu Omega-3-FettsäurenCurrent aspects on n-3 polyunsaturated fatty acids

Klaus K. Förster1, Jürgen Heisel2

Zusammenfassung: Die Arthrose – durch Über- bzw. Fehlbelastung sowie durch biochemische Prozesse verursachte zunehmende und letztlich irreversible Schäden synovialer Gelenke – ist eine der häufigsten Erkrankungen des Alters. Neben anderen größeren und kleineren Gelenken ist als eines der gewichttragenden Gelenke vor allem das Kniegelenk betroffen. Im Rahmen der medikamentösen bzw.
diätetischen Behandlung der symptomatischen Gonarthrose finden schwach antiinflammatorisch wirkende, beschwerdelindernde, in der Langzeittherapie sehr gut verträgliche Substanzen wie u.a. Glucosamin, Chondroitinsulfat, Hyaluronsäure und Kollagenhydrolysat ihren Einsatz, aber z.T. ebenfalls antikatabol und antiinflammatorisch wirkende ungesättigte Fettsäuren. Dargestellt werden neben neueren präklinischen und klinischen Erfahrungen Teilergebnisse einer
aktuellen Gonarthrose-Studie mit einer an Omega-3-Fettsäuren reichen ergänzenden bilanzierten Diät.

Schlüsselwörter: Arthrose, medikamentöse Therapie,
ergänzende bilanzierte Diät (EBD), Omega-3-Fettsäuren

Zitierweise
Förster KK, Heisel J: Nutritiver Ansatz bei der Arthrosetherapie.
Aktuelle Aspekte zu Omega-3-Fettsäuren
OUP 2016; 9: 474–479 DOI 10.3238/oup.2016.0474–0479

Summary: Osteoarthritis – a progressing and ultimately irreversible destruction of the synovial joints, induced by over- or misuse as well as by biochemical processes – is one of the most common diseases afflicting the elderly. Besides other larger and smaller joints, the knee, being a weight bearing joint, is predominantly affected. Mild anti-inflammatory symptom-reducing and very safe substances like glucosamine, chondroitin sulfate, hyaluronic acid, type II collagen and also anti-catabolic and anti-inflammatory acting polyunsaturated fatty acids are being used as part of the pharmacological or supplementing treatment of symptomatic osteoarthritis of the knee. Besides new preclinical and clinical experiences part of the results of a recent trial with a dietary food for special medical purposes containing n-3 polyunsaturated fatty acids are being presented.

Keywords: osteoarthritis, drug treatment, dietary food for special medical purposes, n-3 PUFAs (polyunsaturated fatty acids)

Zitierweise
Förster KK, Heisel J: Nutritional approach to osteoarthritis management. Current aspects on n-3 polyunsaturated fatty acids
OUP 2016; 9: 474–479 DOI 10.3238/oup.2016.0474–0479

Einleitung

Arthrosen sind degenerative Veränderungen – Texturstörungen nach Hempfling et al. [1] – primär des hyalinen Knorpelgewebes, das für die Beweglichkeit sowie die Belastbarkeit der synovialen Gelenke von zentraler Bedeutung ist. Klinisch sind Arthrosen charakterisiert durch Gelenkschmerz und -empfindlichkeit, Einschränkung der Beweglichkeit, gelegentliche Gelenkergüsse sowie lokale Entzündungsprozesse unterschiedlichen Ausmaßes, die sich jedoch nicht systemisch manifestieren [2]. Die degenerativen Veränderungen – bzw. Texturstörungen – verlaufen in der Regel langsam progredient und betreffen später nicht nur die Knorpel-, sondern auch die Knochenstruktur eines oder mehrerer Gelenke mit zunehmender Gelenkdeformierung [3].

Epidemiologisch ist das Alter (neben weiteren endogenen Faktoren wie Geschlecht, genetische Faktoren, hormonelle Umstellung in der Postmenopause) ein bedeutender Risikofaktor für Entstehung und Fortschreiten einer Arthrose, ebenso wie das Körpergewicht (neben mangelnder Bewegung, Makro- bzw. repetitiven Mikrotraumata). So nimmt es nicht wunder, dass die Arthrose in einer zunehmend alternden Gesellschaft, bei der auch ein stetiger Anstieg des Body-Mass-Index zu beobachten ist, als „Volkskrankheit“ [3] anzusehen ist.

Basierend auf kürzlich erfassten US-amerikanischen Daten (US Census 2005) ist die Arthrose in den Vereinigten Staaten die Hauptursache für körperliche Invalidität und betraf 2005 mehr als 50 Millionen Menschen [4]. Dies übertragen auf bundesrepublikanische Verhältnisse bedeutet, dass etwa 15–18 Millionen Menschen von der „Volkskrankheit“ betroffen sind. Repräsentative Ergebnisse geben für degenerative Gelenkerkrankungen im Alter zwischen 18 und 79 Jahren eine Gesamtprävalenz von etwa 28 % an und damit eine vergleichbare Größenordnung von Millionen Betroffenen. Bei den unter 30-Jährigen weisen lediglich etwa 5 % an (mindestens) einem Gelenk eine Arthrose auf, während es bei den über 60-Jährigen jeden zweiten betrifft [5].

Noch vor den degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule und am Hüftgelenk ist die Gonarthrose die häufigste Erkrankung des Bewegungsapparats, deren gegenwärtige Behandlungsoptionen im Wesentlichen auf die Reduktion der Schmerz- und Entzündungssymptomatik und die Verbesserung der Beweglichkeit abzielen.

Es gibt eine Reihe von Substanzen (in Arzneimitteln, Medizinprodukten oder ergänzenden bilanzierten Diäten), für die – neben dem symptomatischen Einfluss [6, 7] – eine potenziell positive Auswirkung auf die arthroseinduzierte Destruktion des hyalinen Knorpels diskutiert wird, aber auch auf die anderer Gewebsstrukturen des „Organs Gelenk“. Zu diesen Substanzen gehören z.B. Glucosamin(-sulfat, -hydrochlorid) und Chondroitinsulfat [6, 8], Hyaluronsäure [6], aber auch die vor allem in Fischöl enthaltenen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA [9]. Ihr auf positiven Erfahrungen basierender Einsatz bei verschiedenen entzündlichen Erkrankungen [10, 11] findet in den letzten Jahren zunehmend klinisch-wissenschaftliches Interesse.

Im Gegensatz zur klinischen Anwendung von Fischöl bzw. Omega-3-Fettsäuren bei rheumatoider Arthritis wird der nutritive Einsatz bei Arthrose – die ebenfalls als entzündliche Erkrankung diskutiert wird [12] – noch kontrovers beurteilt. Es sind einerseits die Inkonsistenz bisher vorliegender Studien, die fehlenden Langzeiterfahrungen sowie die mangelnde Standardisierung der Produkte, die kritisiert werden [4], andererseits finden sich auch Empfehlungen, Omega-3-Fettsäuren aufgrund explorativ-positiver Studienergebnisse und aufgrund der sehr guten Langzeit-Verträglichkeit [13] als ergänzende Therapie im Rahmen des üblichen Armamentariums der Arthrosebehandlung einzusetzen [14].

Präklinische Untersuchungen

Omega-3-Fettsäuren erfüllen im Organismus eine Reihe wichtiger Funktionen. Als Bestandteile der Membranphospholipide beeinflussen sie die Membranfluidität und damit auch die Bindungsfähigkeit und Wirksamkeit von Zytokinen. Darüber hinaus sind Omega-3-Fettsäuren Vorstufe für die endogene Eicosanoid-Synthese [14] (Abb. 1).

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