Übersichtsarbeiten - OUP 02/2014

Osteoporotische Wirbelfrakturen
Stellenwert perkutaner Zementaugmentierung durch Vertebroplastie, Kyphoplastie und verwandte VerfahrenPresent role of vertebral augmentation by vertebroplasty, kyphoplasty and related techniques

C. R. Schätz1

Zusammenfassung: Die demografische Entwicklung sowie die unzureichende medikamentöse Osteoporoseprophylaxe lassen auch in Zukunft eine weitere Zunahme der osteoporotisch gebahnten Wirbelfrakturen erwarten. Die Überlegenheit der perkutanen Zementaugmentierung des Frakturwirbels gegenüber der konservativen Therapie der osteoporotischen Wirbelfraktur bezüglich der Kategorien Schmerzen, Stabilität und funktionellem Ergebnis kann inzwischen als gut belegt angesehen werden. Wesentliche Ergebnisse veröffentlichter Studien aus den letzten Jahren werden vorgestellt und diskutiert, technische Hinweise ergänzt.

Schlüsselwörter: Osteoporose, Wirbelfrakturen, Zementaug-mentierung, Kyphoplastie

 

Zitierweise

Schätz CR. Osteoporotische Wirbelfrakturen.
OUP 2014; 3: 078–081. DOI 10.3238/oup.2014.0078–0081

Abstract: Demography and still insufficient prophylaxis of osteoporosis in the elderly population shall lead to further increase in the number of osteoporotic vertebral fractures in the future. Percutaneous cement augmentation techniques are superior to non-surgical treatment with respect to pain management, spinal stability, and functional outcome as demonstrated by a number of studies during the last few years. We present and discuss important results and offer technical hints.

Keywords: osteoporosis, vertebral fractures, vertebral augmentation, Kyphoplasty

 

Citation

Schätz CR. Osteoporotic vertebral fractures.
OUP 2014; 3: 078–081. DOI 10.3238/oup.2014.0078–0081

Stand der Diskussion

Die demografische Entwicklung mit Zunahme der Lebenserwartung der Menschen und des Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung sowie die noch immer unzureichende medikamentöse Osteoporoseprophylaxe werden auch in Zukunft zu einer weiteren Zunahme der osteoporotisch gebahnten Wirbelfrakturen führen. Gleichzeitig bewirken die Erfolge der onkologischen Therapien ein häufigeres Erleben der Folgen einer Wirbelsäulenmetastasierung und entsprechender Behandlungsbedürftigkeit pathologischer Wirbelfrakturen. Vor allem das Krankheitsbild der osteoporotisch gebahnten Wirbelfraktur in Form der Kompressionsfraktur, teilweise aber auch die metastasenbedingte Wirbelfraktur, insbesondere wenn der solide Tumoranteil zu vernachlässigen ist und die Osteolyse im Vordergrund steht, ist einem minimalinvasiven perkutanen Verfahren zugänglich. Wurde in älteren Leilinien [1] der konservativen Therapie der osteoporotischen Wirbelfraktur wesentlicher Vorrang eingeräumt, so erfolgte 2009 eine teilweise Korrektur mit Reduktion des geforderten konservativen Behandlungsintervalls von 3 Monaten auf 3 Wochen, allerdings wurde eine operative Behandlung in spezialisierten Zentren und im Rahmen von Studien sowie erst nach protokolliertem interdisziplinärem Gutachten vorgeschlagen. Ob die aktuell (2014) noch nicht verfügbare Leitlinie der DVO hier eine weitere Liberalisierung vor dem Hintergrund insbesondere der FREE-Studie und der VERTOS-Studie [2, 3, 4, 5] vollzieht, bleibt abzuwarten.

Die Überlegenheit der perkutanen Zementaugmentierung des Frakturwirbels gegenüber der konservativen Therapie der osteoporotischen Wirbelfraktur bezüglich der Kategorien Schmerzen, Stabilität, funktionelle Belastbarkeit der Wirbelsäule und – wenn auch weniger bei der Vertebroplastie – so zumindest bei der Ballonkyphoplastie und anderen modernen Verfahren wie der Radiofrequenz-Kyphoplastie, auch bei der teilweisen Wiederaufrichtung des Wirbels, kann inzwischen als gut belegt angesehen werden aufgrund von zahlreichen retrospektiven, prospektiven und teilweise auch randomisierten Studien [2–8] – wenn auch von Skeptikern trotz Akzeptanz der Wirksamkeit der Kyphoplastie noch eine Blindstudie im Sinne eines Behandlungsarms mit „sham operation“ zum Ausschluss eines bloßen Placebo-Effekts [9] gefordert wird. Die Forderung danach beruft sich auf die beiden im New England Journal of Medicine veröffentlichten Studien zur Vertebroplastie aus 2009 [11, 12].

Diese placebo-kontrollierten Studien zur Vertebroplastie hatten vorübergehend zu Irritationen geführt. Beide Studien können nur als völlig insuffizient angesehen werden bezüglich u.a. Patientenauswahl und klinischer Diagnostik, aber auch technischer Durchführung der Vertebroplastie; auf eine erneute detaillierte Diskussion soll hier aber verzichtet werden und beispielhaft auf 2 Arbeiten in der umfangreichen Literatur verwiesen werden [13, 14]. Nur ein Argument erlaube ich mir herauszugreifen: Es wurden im Durchschnitt deutlich unter 3 ml Zement pro Wirbel eingebracht, jeder in der Kyphoplastie erfahrene Wirbelsäulenchirurg weiß aber, dass in der Regel die 2–3fache Menge Zement erforderlich ist, was zwischenzeitlich auch evidenzbasiert belegt ist [15]. Dies belegt, dass die Vertebroplastie in diesen Studien bereits nicht lege artis ausgeführt wurde, letztlich wurden 2 Placebo-Verfahren miteinander verglichen mit dem zu erwartenden Ergebnis.

Ob die Zementaugmentation das Risiko weiterer Frakturen erhöht, möglicherweise durch die erhöhte segmentale Steifheit, lässt sich nach den bisherigen Studienergebnissen nicht abschließend beantworten.

Grundsätzliche Risiken der Zementaugmentation sind vor allem mit Zementembolien in das Gefäßsystem oder in den Spinalkanal verknüpft, die Inzidenz klinisch relevanter Komplikationen ist jedoch in den Studien sehr gering.

Klinik, Diagnostik

Die Patientenauswahl ist für den Erfolg entscheidend. Für die Abwägung zwischen konservativer und operativer Behandlung ist im Wesentlichen auf die Schmerzintensität abzuheben; ein VAS von > 5/10 und ein unbefriedigendes Ansprechen auf NSAR sprechen zugunsten der operativen Behandlung. Der Zusammenhang zwischen den geklagten Rückenschmerzen und der Wirbelfraktur sollte sich möglichst eindeutig herstellen lassen. Dazu sollte die Diagnose eines frischen, in der STIR-Wichtung hyperintensen Wirbelkörperbruchs mit entsprechender Verformung im MRT gesichert werden. Gleichzeitig sollten die zumindest weitgehende Integrität der Wirbelkörperhinterkante und das Fehlen einer Bedrängung des Rückenmarks oder der Kauda equina durch ein Frakturfragment nachgewiesen sein. Konkurrierende mögliche Ursachen für Rückenschmerzen sollten beachtet werden, eine Abgrenzung ist meist durch die Anamnese möglich.

Die Anamnese zeigt einen plötzlich aufgetretenen Schmerz an, oft ohne erkennbare Ursache, manchmal mit Bagatellursache, etwa ein heftigerer Hustenanfall, Anheben einer schwereren Last o.Ä., manchmal mit inadäquatem oder auch adäquaterem Trauma wie häuslichem Sturz einhergehend. Die klinische Untersuchung zeigt meistens einen charakteristischen Klopfschmerz über dem Dornfortsatz des betroffenen Wirbels; eine neurologische Defizitsymptomatik mit der Notwendigkeit einer zügigen Dekompression sollte sicher ausgeschlossen sein. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, so bieten wir der Patientin oder dem Patienten ein minimalinvasives zementaugmentierendes Verfahren an. Da es sich zumeist um eine reine schmerztherapeutische Indikation handelt, sind wir mit Empfehlungen zur operativen Therapie sehr zurückhaltend. Eine dringendere Empfehlung sprechen wir nur bei frischen Serienfrakturen etwa im Zusammenhang mit einem multiplem Myelom aus und bei 2 oder mehr Frakturen im thorakolumbalen Übergang, um die zu erwartende Verschlechterung des sagittalen Profils zu mildern.

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