Originalarbeiten - OUP 07-08/2012
Passagerer Visusverlust nach Epiduroskopie – Ein FallbeispielTemporary visual impairment following epiduroscopy – a case report
D.P. König1, P. Eysel2, S. Fürderer3, C. Schnurr1
Zusammenfassung: Epidurale Eingriffe bei chronischen
Rückenschmerzpatienten werden in Praxis und Klinik sehr häufig komplikationslos durchgeführt. Der behandelnde Arzt sollte sich jedoch über die seltene Gefahr des Visusverlustes nach diesen Eingriffen bewusst sein. Geringe verabreichte epidurale Flüssigkeitsmengen und eine Injektionsgeschwindigkeit von nicht über 1 ml/s können diese Komplikation verhindern.
Schlüsselwörter: Epiduroskopie, chronischer Rückenschmerz,
Visusverlust
Abstract: Visual impairment is a rare but significant complication following epiduroscopy or epidural injection. Doctors performing these procedures have to be aware of it. Reason for this impairment is usually a retinal hemorrhage due to
increase of the intercerebral fluid pressure. The amount and rate of fluid injected should be considered as a risk factor. That’s why 1 ml per 1–2 seconds should not be exceeded.
Keywords: epiduroscopy, low back pain, epidural space, visual impairment
Einleitung
Visusstörung nach epiduralen Injektionen und Epiduroskopien ist eine seltene beschriebene Komplikation [1–3]. Zahlen zur Inzidenz sind in der Literatur nicht zu finden. Es ist davon auszugehen, dass diese Komplikation wesentlich häufiger auftritt, ohne dass darüber berichtet wird. Jeder in der Schmerztherapie tätige Orthopäde/Unfallchirurg sollte diese mögliche Komplikation kennen und Techniken bei der epiduralen Injektion anwenden, die diese Komplikation möglichst verhindern. Das folgende Fallbeispiel schildert den typischen Krankheitsverlauf einer Patientin mit einem “Failed-back-Syndrom”, die im Rahmen der multi-modalen Schmerztherapie eine Epiduroskopie erhielt und postoperativ einen passageren Visusverlust erlitt.
Fallbeispiel:
Eine 44-jährige Patientin unterzog sich bei einer therapieresistenten Lumbo-
ischialgie einer Nukleotomie im Segment L5/S1. 4 Jahre später wurde mit der Diagnose eines Failed-back-Syndroms eine dorso-ventrale Spondylodese im Segment L5/S1 durchgeführt. Bei anhaltenden Implantatlagerbeschwerden wurde ein Jahr nach Durchbau der Spondylodese der Fixateur interne entfernt. Bei weiterhin bestehenden Beschwerden erhielt die Patientin eine intensive multimodale Schmerztherapie in Zusammenarbeit mit dem Institut für Anästhesiologie und Schmerztherapie. Eine MRT-Untersuchung konnte narbige Veränderungen im Segment L5/S1 nachweisen, sodass nach ausführlicher Aufklärung die Indikation zur Epiduroskopie gestellt wurde. In Standby-Anästhesie und Lokalanästhesie wurde der Hiatus sacralis punktiert. Unter Bildwandlerkontrolle konnte das 3-mm-Epiduroskop der Firma Wolf bis zum Segment L5/S1 vorgeschoben worden. Es fanden sich leichtgradige narbige Verziehungen, die mit Hilfe des Epiduroskops zum Teil gelöst werden konnten. Während des Eingriffs, insbesondere beim Vorschieben des Epiduroskops, wurden ca. 50 ml sterile Kochsalzlösung in den Epiduralraum eingebracht. Nach Erreichen der Verklebungen wurden 20 µg Sufentanil und 20 mg Prednisolon verabreicht. Die Patientin wurde eine Stunde im Aufwachraum observiert. Bei unkompliziertem Verlauf erfolgte die Verlegung auf die Normalstation. Einen Tag nach dem Eingriff gab die Patientin ein verschwommenes Blickfeld und
einen Visusverlust an. Der hinzugezogene Augenarzt konnte eine beidseitige retinale Hämorrhagie erheben. Nach einer Woche normalisierte sich der Visus.
Diskussion:
Retinale Hämorrhagien nach epiduralen Eingriffen gehören zu den seltenen, aber beschriebenen Komplikationen [1–3]. Sie können ein- oder beidseitig auftreten. Meist handelt es sich um eine passagere Störung, die ohne Therapie in der Regel nach einigen Tagen, aber auch gelegentlich erst nach Monaten abklingt. Die Genese dieser Komplikation ist nicht gesichert, als Ursache wird aber eine Erhöhung des intracraniellen Drucks angenommen. In einem Review-Artikel basierend auf einer PubMed-Recherche beschreiben Gill et al., dass Patienten, die diese Störung entwickelten, Flüssigkeitsmengen zwischen 20–120 ml epidural erhielten [2]. Als Auslöser wurde die Bolusinjektion angenommen. Bei allen Patienten ließen sich retinale venöse Hämorrhagien feststellen, in 58% beidseitig. In 79,2% der Fälle heilte die Hämorrhagie folgenlos aus. Die Autoren kamen zu dem Schluss, die insgesamt verabreichte Flüssigkeitsmenge niedrig zu halten, da schon ab 10 ml ein Anstieg des intracraniellen Drucks zu verzeichnen ist. Zudem sollte möglichst langsam injiziert werden (1 ml/1–2 s).
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Dietmar Pierre König
LVR Klinik für Orthopädie
Horionstraße 2
41749 Viersen
E-Mail: dietmarpierre.koenig@lvr.de
Literatur
1. Amirikia A, Scott IU, Murray TG, Halperin LS. Acute bilateral visual loss associated with retinal hemorrhages following epiduroscopy. Arch Ophthalmol 2000;118: 287–289
2. Gill JB, Heavner JE. Visual impairment following epidural fluid injections and epiduroscopy: a review. Pain Med 2005; 6: 367–374.
3. Moschos MM, Rouvas A, Papaspirou A, Apostolopoulos M. Acute visual loss and intraocular hemorrhages associated with endoscopic spinal surgery. Clin Ophthalmol 2008; 2: 937–939.
Fussnoten
LVR Klinik für Orthopädie, Viersen
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der Universität zu Köln
Orthopaedicum Trier
DOI 10.3238/oup.2012.0301-0302