Editorial - OUP 10/2014

Wissen schafft Vertrauen

In der heutigen orthopädischen und unfallchirurgischen Praxis erleben wir beides: Konsequente therapeutische Erfolge und diagnostische Fortschritte in Orthopädie und Unfallchirurgie, aber auch verunsicherte Patienten, die einem medialen Feuerwerk aus Wahrheiten, Halbwahrheiten und Unwahrheiten ausgesetzt sind. Wir sollten uns dieser Situation auf die Art und Weise stellen, wie die meisten von uns Medizin verstehen: ungeachtet von allen politischen und gesellschaftlichen Interessen an unserer Arbeit versuchen, evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen und das mit unseren Erfahrungen zu koppeln. Wer das konsequent macht, gewinnt das Vertrauen der Patienten, muss sich aber bemühen, diese Art und Weise den Patienten auch verständlich zu machen.

Vor diesem Hintergrund lade ich Sie alle zum DKOU 2014 vom 28. bis 31. Oktober 2014 nach Berlin ein und wünsche mir einen regen Austausch unserer Wissenschaft und unserer Erfahrungshorizonts. Wir werden uns dort intensiv mit wesentlichen Entwicklungen unseres Fachgebiets auseinandersetzen.

Wissenschaftsfortschritte

Die heutigen Therapiemöglichkeit sind das Ergebnis intensiver Forschung und Entwicklungen in Orthopädie und Unfallchirurgie. Osteoporose-, Arthritis- und Arthrosepatienten können heute von Medikamenten profitieren, die Entzündungsprozesse verlangsamen. Patienten mit rheumatischen Erkrankungen profitieren in einem solch ausgeprägten Maße von diesen Therapien, dass Operationen hier seltener werden. Knorpelgewebe lässt sich replizieren und bei jungen Menschen zur Defektdeckung transplantieren. Knochengewebe lässt sich übertragen und zur Heilung von Knochendefekten nach Unfällen einsetzen. Osteosyntheseimplantate und Endoprothesen sind heute knochenverträglich, bruch- und abriebsicher und werden millionenfach eingesetzt. Dank unserer Forschung wissen wir heute mehr über Allergien, Fremdkörperreaktionen und Partikelakkumulationen. Aber Wissen und Erkenntnisse über die speziellen Eigenschaften unserer Kunstimplantate sind auch durch Rückschritte gekennzeichnet. Die Erkenntnisse im Zusammenhang mit Metall/Metall-Gleitpaarungen wurden leider verzögert wahrgenommen. Hier müssen wir für die Zukunft das Prinzip des kontrollierten Einsatzes von neuen Technologien mehr betonen, um Risiko und Chance einer Innovation in der Balance zu halten. Eine große Herausforderung der Kunstimplantate ist die bakterielle Infektion, ein Thema, dem sich die deutsche Orthopädie und Unfallchirurgie mit Hingabe widmet und dessen Überwindung wir uns zum Ziel der Decade gesetzt haben.

Sicherheit und Qualität

Der Einsatz von Kunstgelenken gehört zu den heutigen Standardverfahren mit so großer Sicherheit, dass sich die Frage nach der Notwendigkeit neuer Innovationen stellt. Mit in den letzten Jahrzehnten entwickelten neuen Materialien, optimierten Zugangswegen und instrumentelle Hilfen für die Operation sehen wir heute schon Standzeiten von 96 % der Patienten über 20 Jahren, was eine Weiterentwicklung weniger wichtig erscheinen lässt. Aber was den Erfolg für 96 % bedeutet, ist das Problem von 4 % der nicht so zufriedenen Patienten. Die Perspektive ändert sich: Was wir jetzt brauchen, sind Innovationen, die Fehler reduzieren, Sicherheit erhöhen und den Erfolg noch näher an die 100 % bringen. Nach dem Vorbild der Luftfahrtsicherheit, sind hier Zentren und Register eine wesentliche Innovation. Die zertifizierten Endocert-Endoprothetikzentren und das Deutsche Endoprothesenregister sind die Meilensteine der letzten Jahre auf dem Weg zu mehr Sicherheit. Solche Projekte verlangen große Anstrengungen in der Versorgungsforschung, um Sicherheit und Qualität in Zahlen ausdrücken zu können und vergleichbar zu machen. Eine ähnlich fortschrittliche Entwicklung ist das deutsche Traumanetzwerk der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, verbunden mit dem Traumregister. Hier arbeiten Klinik-Netzwerke bei der Versorgung von Schwerverletzten zusammen, um jedes Unfallopfer schnellstmöglich von einem Spezialisten versorgen zu lassen. Schwerstverletzte haben heute eine Überlebens-Wahrscheinlichkeit von über 80 %. Deutschland ist hier der Vorreiter für europäische und internationale Entwicklungen.

Vertrauen

Uns steht heute ein breites Spektrum an medikamentösen, operativen und physikalisch-manuellen Behandlungsmöglichkeiten zu Verfügung. Nicht alle Verfahren sind hinreichend bewertet – dafür brauchen wir mehr Wissenschaft. Aber schon heute müssen wir als Orthopäden und Unfallchirurgen ein vertrauensvoller Berater unserer Patienten sein, der hilft, in dem breiten Spektrum der Therapieangebote zurechtzukommen. Anders als in der Vergangenheit sollen Patienten in alle Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Sie sollen die ojektiven Vor- und Nachteile sowie Risiken der Therapien erfahren. Information ist ärztliche Zukunftsaufgabe. Dadurch stärken wir das Vertrauen zwischen Ärzten und Patienten.

Aber Vertrauen bedeutet auch, dass wir das Fach weiterentwickeln, dass wir nach Verbesserungen suchen und für die Herausforderungen der Zukunft neue notwendige Konzepte erarbeiten. Dafür brauchen wir die Wissenschaft, und das Vertrauen der Patienten, dass wir verantwortungsvoll mit ihr umgehen.

Ihr

Prof. Dr. Henning Windhagen,

Präsident der DGOU 2014

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