Übersichtsarbeiten - OUP 12/2014
10 Gebote für eine gelingende Kommunikation mit chronischen Schmerzpatienten
9. Stelle bei Misserfolgen nicht
die Schuldfrage und wende dich nicht ab
Gerade weil der Behandlungsverlauf bei nicht-spezifischen, funktionellen oder somatoformen Körperbeschwerden häufig langwierig und z.T. frustrierend sein kann, ist es für die Patienten besonders wichtig, in ihrem Behandler einen zuverlässigen Begleiter an ihrer Seite zu haben, der ihnen Zuversicht vermittelt und gleichzeitig zu hohe Ansprüche und Erwartungen relativiert. Um dem Patienten zu helfen, Misserfolge im Behandlungsverlauf richtig einordnen zu können, sollte der Behandler dem Patienten vermitteln, dass solche Rückschläge zum Wesen einer so schwierig zu behandelnden und komplexen Krankheit gehören. Es kann auch bedeuten, dem Patienten offen mitzuteilen, dass man nun selbst am Ende seiner therapeutischen Möglichkeiten angekommen ist, für den Patienten aber Ansprechpartner bleibt und ggf. auch weitere Behandlungsoptionen (z.B. eine multimodale Schmerztherapie im stationären oder teilstationären Setting) begleitet.
10. Achte auf dein eigenes
Wohlbefinden
Gerade Menschen in helfenden Berufen gehen leicht über ihre eigenen Grenzen. Die Betreuung von Menschen mit chronischen, nichts-spezifischen, funktionellen oder somatoformen Körperbeschwerden kann aufgrund ihres zum Teil schwierigen Behandlungsverlaufs auch beim Behandler zu Stress, innerer Anspannung und negativen Emotionen führen. Hier ist es besonders wichtig, auf die eigenen Grenzen und Bedürfnisse zu achten. Zum einen kann hier die Praxisorganisation Erleichterung schaffen. So kann es z.B. sinnvoll sein, sich Patienten mit entsprechenden Beschwerden am Ende des Tages und mit ausreichend Zeit einzubestellen, um den Zeitdruck eines vollen Wartezimmers zu reduzieren. Auch empfiehlt es sich bei dieser Patientengruppe, regelmäßige, beschwerdeunabhängige Termine zu vereinbaren. Zum einen verschafft man sich so die Chance, den Patienten auch in beschwerdeärmeren Phasen zu sehen und mit ihm gemeinsam die „Erfolge feiern“ zu können. Zum anderen vermeidet man es auf diese Weise, durch ausschließlich beschwerdeabhängige Termine und die damit verbundene Zuwendung das Schmerzverhalten zu verstärken. Darüber hinaus ist auch Selbstfürsorge im Sinne von Achtung der eigenen Grundbedürfnisse (ausreichend Schlaf, Bewegung, gesunde Ernährung, Ruhe und Ausgleichsaktivitäten etc.) wichtig. Ein Achtsamkeitstraining kann helfen, die eigene innere Balance zu erhalten, einen achtsamen Umgang mit sich selbst zu pflegen und auch den Stress in schwierigen Behandlungssituationen zu reduzieren. Hierzu gehört, die eigenen Grenzen achten, nicht alles perfekt machen zu müssen, es nicht allen recht machen zu wollen etc. Inzwischen wurde ein Achtsamkeitsprogramm speziell für Menschen in helfenden Berufen entwickelt (Mindfulness Basics for Helping Professions, MBHP). Vor allem in Literatur wie „Achtsamkeit für Psychotherapeuten und Berater“ von G. Zarbock [18] und „Achtsamkeit in der Kunst des (nicht) Helfens“ von U. Pfeifer-Schaupp [19] finden sich Anregungen für einen achtsamen Umgang mit sich selbst und den Patienten in schwierigen Interaktionen. Dies kann nicht nur helfen, den beruflichen Stress zu reduzieren, sondern auch die Therapieergebnisse verbessern [20].
Fazit für die Praxis
Die Gestaltung einer gelingenden Arzt-Patienten-Beziehung auf der Basis wertschätzender und empathischer Kommunikation kann gerade in der oft schwierigen Behandlung von Menschen mit chronischen, nicht-spezifischen, funktionellen oder somatoformen Beschwerden auf beiden Seiten für mehr Zufriedenheit und weniger Anspannung sorgen. Aufseiten des Behandlers ist es hilfreich, die Grundhaltung gegenüber dem Patienten und das eigene Rollenverständnis zu reflektieren, die eigene Position in Bezug auf Diagnostik und therapeutischen Maßnahmen klar zu kommunizieren und Kommunikationsstrategien zu nutzen, die es dem Patienten ermöglichen, sich besser auf den Behandlungsprozess einzulassen. Neben Fortbildungen in Gesprächsführung (z.B. Motivierende Gesprächsführung n. Miller und Rollnick) können Behandler auch im Rahmen von Balint-Gruppen und Supervision Unterstützung erhalten.
Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Korrespondenzadresse
Dipl.Psych. Patricia Albert
Schmerzzentrum
Universitätsklinikum Erlangen
Krankenhausstraße 12
91054 Erlangen
Patricia.Albert@uk-erlangen.de
Literatur
1. Dibbelt S, Schaidhammer M, Fleischer C, Greitmann B. Patient-Arzt-Interaktion in der Rehabilitation: Gibt es einen Zusammenhang zwischen wahrgenommener Interaktionsqualität und langfristigen Behandlungsergebnissen? Rehabilitation, 2010; 49: 315–325
2. Bredart A, Bouleuc C, Dolbeault S. Doctor-patient communication and satisfaction with care in oncology. Curr Opin Oncol 2005; 17: 351–354
3. Sauer N, Eich W. Somatoforme Störungen und Funktionsstörungen (Somatoform and Funcitonal Disorders). Dtsch Ärztebl 2007, 104: 45–54
4. S3-Leitlinie „Nicht-spezifische, funktionelle und somatoforme Körperbeschwerden“ (051/001): Langfassung
5. Watzlawick P, Beavin J, Jackson D. Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. Bern: Huber Verlag, 2011
6. Rau J, Petermann F (2008) Motivationsförderung bei chronischen Schmerzpatienten. Schmerz 2008; 2: 209–2017
7. Miller W R, Rollnick S. Motivierende Gesprächsführung. Freiburg: Lambertus Verlag, 2009
8. Eccleston C. A normal psychology of chronic pain. The Psychologist 2011; 6: 422–425
9. Böcken J. et al.. Der Gesundheitsmonitor 2004. Die ambulante Versorgung aus Sicht der Bevölkerung und Ärzteschaft, Bertelsmann Stiftung, 2004
10. Little P, Dorward M, Warner G, et al. Importance of patient pressure and perceived pressure and perceived medical need for investigations, referral, and prescribing in primary care: nested observational study. BMJ 2004; 328: 444–447
11. Heger S. Zur Psychosomatik des Failed-Back-Syndroms: warum Rückenschmerzen chronifizieren. Plädoyer für einen zeitgemäßen Umgang mit den Lumbago-Ischialgie-Syndromen. Nervenarzt 1999; 70: 225–232