Informationen aus der Gesellschaft - OUP 03/2020
Aktuelle Aspekte zu Zugang und Therapie in der Rehabilitation
Hartmut Bork
Vernetzung und Zugang
zur Rehabilitation
Die Einführung von diagnosebezogenen Fallgruppen mit zunehmend verkürzten Liegezeiten hat Akutmedizin und Rehabilitation nach orthopädisch-unfallchirurgischen Eingriffen am Haltungs- und Bewegungsapparat in den letzten Jahren enger zusammengeführt, aber auch in den nachbehandelnden Rehabilitationseinrichtungen den ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Behandlungsaufwand je nach versorgtem Patientenklientel erhöht. Zwar versucht man mit Fast Track Konzepten gerade beim künstlichen Gelenkersatz einerseits durch Aufklärung, ein optimiertes Patient blood management, Anwendung muskelschonender Operationstechniken, einer die Frühmobilisierung ermöglichenden Schmerztherapie und den Verzicht auf Wunddrainagen den Behandlungspfad weiterhin zu optimieren und zu verkürzen, jedoch gelingt dies bei Patienten mit multiplen Komorbiditäten und einer dadurch herabgesetzten kardiopulmonalen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, bei Polytraumatisierten und Patienten nach septischen Operationen und Amputationen oftmals nur unzureichend. Vielfach benötigen diese Patienten weiterhin ein erhöhtes Maß an ärztlicher Aufmerksamkeit und Kontrolle mit einer engmaschigen schmerztherapeutischen mitunter auch psychologischen Begleitung, der Beobachtung postoperativ pathologisch veränderter Laborparameter und kardiopulmonaler Auffälligkeiten. Dies gilt auch für betagte Patienten. Nicht jeder alte Patient ist geriatrisch. Dennoch ist bei betagten Patienten häufig mit einem erhöhten Betreuungsaufwand und einem längeren Rehabilitationsverlauf zu rechnen. Oft besteht ein erheblicher Pflege- und individueller Therapiebedarf, da die Fähigkeit an Gruppentherapien teilzunehmen bei diesem Patientenklientel wenige Tage postoperativ begrenzt ist. Im Rahmen nosokomial erworbener Infektionen müssen Patienten mitunter auch isoliert werden, was den organisatorischen und materialtechnischen Rehabilitationsaufwand zusätzlich erhöht.
So stieg in den letzten Jahren der Anteil derjenigen, die die Kriterien der Reha-Fähigkeit mit weitgehender Selbständigkeit für eine Anschlussheilbehandlung bei Entlassung aus dem Krankenhaus noch nicht erfüllen, sodass der Anteil der Direktverlegungen bei diesen Patientengruppen kontinuierlich abnahm, während im gleichen Zeitraum die Zeit zwischen dem Akutaufenthalt und dem Beginn der Rehabilitation zunahm. Auch Daten von Polytrauma-Patienten aus den Jahresberichten des Trauma-Registers in Deutschland zeigen eine solche Tendenz.
Obwohl eine nahtlose Rehabilitation Grundlage für die zeitnahe Reintegration in den Alltag und das berufliche Leben ist und eine qualifizierte Nachbehandlung ein wesentlicher Bestandteil für ein gutes OP-Ergebnis darstellt, werden derzeit immer wieder sowohl jüngere als auch ältere Patienten in die Kurzzeitpflege oder nach Hause entlassen, wo eine adäquate rehabilitative Versorgung nicht gewährleistet ist. Hierdurch resultieren für die Betroffenen erhebliche Belastungen. In Kurzzeit-Pflegeeinrichtungen fehlt neben der meist nötigen fachärztlichen Betreuung die Möglichkeit, eine auf die Erkrankung/Verletzung ausgerichtete Therapie zu erhalten, sodass sich die körperliche Leistungsfähigkeit mitunter verschlechtert und darüber hinaus aufgrund der längeren Wartezeit bis zur Rehabilitation auch psychische Belastungen bei Betroffenen auftreten. Eine frühzeitige, auf das individuelle Leistungsvermögen angepasste Rehabilitation wäre aber sinnvoll, wenn langfristige Beeinträchtigungen der Aktivität und der Teilhabe drohen, damit funktionelle Defizite am Haltungs- und Bewegungsapparat bzw. psychische Folgen möglichst gering bleiben und Patienten zeitnah ihre alte Leistungsfähigkeit wiedererlangen.
So könnten gerade bei noch erwerbstätigen Patienten die Kosten eines Arbeitsausfalls, die mitunter einen deutlichen Anteil an den gesamten Fallkosten ausmachen, reduziert werden. Eine zeitnahe Rehabilitation verringert zudem die Gefahr, dass aus den betroffenen Patienten chronisch Kranke werden. Wichtiges Ziel für dieses Patientenklientel ist daher das baldige Schließen dieser Versorgungslücke in der Behandlungsschnittstelle zwischen Krankenhaus und Rehabilitationsklinik, um die Selbstständigkeit des Patienten in den Aktivitäten des täglichen Lebens und die Rehabilitationsfähigkeit für umfassende Übungsbehandlungen im Sinne der AHB entsprechend den DRV-Kriterien frühestmöglich zu erreichen.
Angesichts der besonderen Herausforderungen kann aber nicht jede Rehabilitationsklinik diese Aufgaben erfüllen, da die strukturellen räumlichen und technisch apparativen Voraussetzungen, insbesondere aber die Personalressourcen oft nicht ausreichend sind. Da diese Leistungen nicht zu Preisen eines günstigen 3-Sterne Hotels zu erbringen sind, ist es erforderlich, dass Rehabilitationseinrichtungen, die für diese Patientengruppen ein gestuftes Reha-Konzept mit erhöhtem personellen und technischen Aufwand anbieten, eine angemessene Vergütung erhalten.
Therapie und
Nachbehandlungskonzepte
In den letzten 15 Jahren wurden von Kostenträgern wie der deutschen Rentenversicherung unter Beteiligung rehabilitationswissenschaftlicher Institute für einige operative Eingriffe wie z.B. der endoprothetischen Versorgung am Hüft- und Kniegelenk Nachbehandlungsstandards erarbeitet, mit denen die zuvor bestehende Varianz der Rehabilitationspraxis, resultierend in Über-, Unter- oder Fehlversorgungen gemindert und gleichzeitig eine in Umfang und Inhalten qualitätsgesicherte Behandlung erzielt werden sollte. Diese berücksichtigt neben einer medizinischen-funktionellen Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit auch Aspekte der sozialen Wiedereingliederung sowie beruflichen (Re-)Integration des Patienten. Insofern haben neben den physio- und bewegungstherapeutischen Anwendungen auch krankheitsspezifische Patientenschulungen, Gesundheitsbildung, psychologische Interventionen und Leistungen zur sozialen und beruflichen Integration im Rahmen der rehabilitativen Nachsorge einen höheren Stellenwert zu. Darüber hinaus wurden vom Arbeitskreis Traumarehabilitation der Sektion Physikalische Therapie und Rehabilitation der DGOU Nachbehandlungsempfehlungen für zahlreiche Verletzungen und Erkrankungen zusammengestellt, die mittlerweile in der rehabilitativen Praxis ebenfalls zunehmend beachtet werden.
Bei der Auswahl der einzelnen Therapien sind aber grundsätzlich immer operative Besonderheiten hinsichtlich der Belastbarkeit und des Bewegungsumfangs sowie weitere oft durch die Multimorbidität des Patienten vorhandene Einschränkungen zu berücksichtigen. Gerade hinsichtlich der Trainingssteuerung in der Rehabilitation kommt den ärztlichen Vorgaben in den multimodalen Programmen daher eine führende Rolle zu, um in einer engen Kommunikation mit den am Rehabilitationsprozess beteiligten Berufsgruppen die abgestimmten Therapievorgaben und Ziele zu überwachen und die Therapiemethoden individuell anpassen zu können. In den letzten Jahren konnten so einige Studien sowohl für die Rehabilitation bei chronischen Rückenschmerzen als auch nach einem endoprothetischen Gelenkersatz einen sichtbaren volkswirtschaftlichen Nutzen belegen.
Trotzdem bestehen für die Wirksamkeit einzelner Interventionen sowie die Frage nach den Behandlungsintensitäten hinsichtlich Dauer und Frequenz nach wie vor Forschungsdefizite, zumal sich Studienergebnisse aus dem internationalen Schrifttum aufgrund differenter Begrifflichkeiten oder erheblicher Unterschiede der Gesundheitsversorgungssysteme oftmals nicht ohne Weiteres auf Deutschland übertragen lassen.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Hartmut Bork
St.-Josef-Stift Sendenhorst
Westtor 7
48324 Sendenhorst
bork@reha-sendenhorst.de