Übersichtsarbeiten - OUP 02/2015

Aktueller Stand der sonografischen Diagnostik kindlicher Hüftreifungsstörungen

R. Graf1, T. Spieß1

Zusammenfassung: Die Hüftsonografie hat sich hinsichtlich ihrer Präzision weiterentwickelt. Um klassische Fehler zu vermeiden, wurden im Sinne eines Qualitätsmanagments Checklisten eingeführt. Die häufigsten Fehler sind Fehlinterpretationen der anatomischen Strukturen und Fehler in der Brauchbarkeitsprüfung. Beide Probleme haben ihre Ursache meist in einer mangelhaften Untersuchungstechnik. Lagerungsschale und Schallkopfführung können unter Vermeidung von Kippfehlern wesentlich zum heutigen geforderten Präzisionsstandard beitragen. Bed-side Teaching kann nur eine Erstinformation liefern, aber keine strukturierten Ausbildungskurse ersetzen.

Schlüsselwörter: Hüftultraschall, Checklisten, Hüftsono-Messfehler, Hüftsono-Ausbildung

Zitierweise
Graf R, Spieß T. Aktueller Stand der sonografischen Diagnostik kindlicher Hüftreifungsstörungen.
OUP 2015; 02: 068–071 DOI 10.3238/oup.2015.0068–0071

Summary: Because of the general hip screening of all newborn babies in Germany, open reductions, Salter- or Dega-osteotomies and late operative corrections of the hip joints in young adults dropped down remarkably. Background of this success is the strict quality control of hip sonograms by quality commissions (KBV) in Germany. Most wrong diagnoses are due to wrong anatomical identification of the echoes, followed by non-reproducible plans and ignorance of the standard plan.

To solve these problems, a standardized examination technique with cradle and probe guide system must be trained to avoid tilting effects, which may lead to overdiagnosis, and makes the examination independent from examiner’s skill and experience. Before making a diagnosis, the sonograms must be checked according to standard checklists.

Final typing by measuring the bony and the cartilaginous roof classifies the hip joint considering the age of the baby. The type gives the advice for “never come back”, follow-up or what treatment is recommended.

Keywords: DDH, hip sonography, common mistakes, quality management, standard plan

Citation
Graf R, Spieß T. Hip sonography – where is the problem?
OUP 2015; 02: 068–071 DOI 10.3238/oup.2015.0068–0071

Einleitung

In manchen Ländern hat sich die 1980 erstmals publizierte [1] und kontinuierlich weiterentwickelte [2] Hüftsonografie der Säuglingshüfte als Screeningmethode etabliert (Deutschland, Österreich, Schweiz, Tschechische Republik), in vielen anderen Ländern wird die Methode zwar nicht flächendeckend, aber punktuell oder regional immer häufiger eingesetzt. (Japan, China, Türkei, Rumänien, Mongolei, Chile, Spanien, Italien etc.) Im Englisch sprechendem Sprachraum werden der Hüftultraschall und das Screening kontrovers diskutiert: Die Ursachen dafür sind andere Untersuchungstechniken [3, 4] aber auch andere gesundheitspolitische Strukturen (z.B. USA).

Der hohe Qualitätsstandard, den die Methode in den Deutsch sprechenden Ländern erreicht hat, ist sicher auch ein Verdienst laufender Qualitätskontrollen der KV-Kommissionen, andererseits werden naturgemäß durch viele Anwender auch mehr Fehler gemacht. Die angestrebte Ausbildung im Kurssystem durch autorisierte Ausbilder wird vielerorts durch Bed-side Teaching ersetzt. Fehler werden dadurch oft systematisch gelehrt und weiter verbreitet. Einerseits sind auch die Ansprüche an die Methode gestiegen: War man ursprünglich zufrieden, luxierte Gelenke zu diagnostizieren, ist es heute Standard, das Präluxationsstadium (Typ IIc) zu entdecken. Andererseits ist die Methode selbst präziser geworden, aber auch die Anforderungen an sie sind gestiegen. Es soll daher auf den aktuellen Standard der Methode eingegangen werden, ergänzt durch „Tipps und Tricks“ und Hinweise auf immer wiederkehrende Fragen und Fehler.

Methodischer Standard

Die häufigsten Fehler werden bei der anatomischen Identifizierung gemacht, gefolgt von Fehlern bei der Brauchbarkeitsprüfung. Es ist daher darauf zu achten, dass bei Beginn der Beurteilung eines Sonogramms immer zuerst die Checkliste I (anatomische Identifizierung) abgearbeitet wird (Abb. 1) [5]. Kann nur ein einziger Punkt nicht identifiziert werden, darf das Sonogramm nicht zur Diagnose verwendet werden. Erst nach der anatomischen Identifizierung erfolgt die Brauchbarkeitsprüfung (Checkliste II), bei der die Standardebene (Unterrand os ilium, mittlere Schnittebene und Labrum, Kurzform: Unterrand-Schnitt-Labrum) überprüft wird (Abb. 2). Durch diese Vorgehensweise, Checkliste I vor Checkliste II, ist man immer auf der sicheren Seite und hat methodische Fehlerquellen (z.B. Kippfehler) automatisch ausgeschlossen.

Klassische Fehler

  • 1. Anatomischer Identifizierungsfehler Das Labrum wird mit der Umschlagfalte, der Unterrand des Os ilium mit der Fovea centralis, i.e. dem Lig. teres verwechselt.
  • 2. Der knöcherne Erker ist das Ende der Pfannenkonkavität und wird meistens durch einen Schallschatten zusätzlich markiert (Abb. 3). Praktischer Tipp: Der Umschlagpunkt (= knöcherner Erker) muss von unten nach oben gesucht werden (Übergang von Konkavität zu Konvexität).
  • 3. Typisierungsfehler
    Die Unterscheidung von Typ III und Typ IV erfolgt pathoanatomisch nach der Verdrängungsrichtung des deformierten hyalinen Pfannendachs. Die Position des hyalinen Pfannendachs ist ersichtlich am Echoverlauf des Perichondriums und nicht an der Position des Labrums! D.h., Typ III unterscheidet sich von Typ IV im Sonogramm durch den Perichondriumverlauf und nicht durch die Position des Labrums (Abb. 4a-b). Verläuft das Perichondrium nach kranial (so muss auch der Pfannendachknorpel noch kranial sein), handelt es sich um Typ III. Verläuft das Perichondrium horizontal oder muldenförmig, liegt Typ IV vor.
  • Wichtiger Hinweis: Typ-III- und Typ-IV-Gelenke befinden sich oft nicht mehr in der Standardebene, da der Hüftkopf nach dorsokranial luxiert und somit nicht mehr in der Standardebene steht. Sie können daher oft nicht mehr ausgemessen werden, müssen es aber auch nicht, weil die Diagnose durch die Morphologie (Verdrängungsrichtung des Perichondriums!) gestellt wird.
  • 4. Messfehler
    Jede der 3 Messlinien hat ihre eigene Definition [2], keine Linie baut auf der vorherigen Linie auf. Dadurch ist eine möglicherweise nicht ganz richtig eingezeichnete Messlinie nicht die Basis für die nächste Linie. Es können so Messfehler zwar nicht verhindert, aber mögliche Konsequenzen für den Säugling deutlich reduziert werden, da der Messfehler nicht „explodiert“. Die Linien schneiden sich daher normalerweise nicht in einem Punkt! Oder: Die Knorpeldachlinie kommt nicht automatisch vom Schnittpunkt von Pfannendach- und Grundlinie (Abb. 5).
  • Wichtiger Hinweis: Die Nichtangabe des ?-Werts ist ein großer Fehler aus zweierlei Gründen:
  • A. Wird der ?-Wert nicht angegeben, hat man folgerichtig die Knorpeldachlinie nicht eingezeichnet. Somit bleibt man aber auch den Beweis dokumentarisch schuldig, den Umschlagpunkt und das Labrum richtig identifiziert zu haben, was wiederum, im Falle einer Fehldiagnose zu rechtlichen Problemen führen kann.
    B. Bei Nichtangabe des ?-Werts kann der Typ-IIc-stabil von Typ-II-instabil nicht differenziert werden. Somit kann aber auch die Instabilität nicht von der harmlosen elastischen Federung unterschieden werden. Es erübrigt sich in diesem Fall die Diskussion über Instabilität [3].
  • 5. Kippfehler
    Durch schräg einfallenden Schallstrahl kommt es zu Brechungs- und Beugungsartefakten des Schallstrahls mit möglichen konsekutiven Überdiagnosen oder der Situation, dass die bildwichtigen Punkte der Checkliste I und der Checkliste II nicht gefunden oder nicht korrekt dargestellt werden können. Es sollte daher unbedingt Lagerungsschale und Schallkopfführung verwendet werden (Abb. 6).

Terminologieprobleme

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