Übersichtsarbeiten - OUP 12/2014
Anwendung von Cerasorb Foam in der Orthopädie – eine prospektive Studie
A. Breil-Wirth1, J. Jerosch1
Zusammenfassung
Fragestellung: Es sind zahlreiche Knochenersatzmaterialien auf dem Markt verfügbar. In dieser prospektiven Studie sollte die Effizienz und Verträglichkeit von Cerasorb Foam, einem in porcinem Kollagen eingelagerten ?-Tricalciumphosphat untersucht werden.
Material und Methode: Eingeschlossen wurden 55 Patienten im Alter von 17–79 Jahren, bei denen eine Augmentation oder Knochenersatz erforderlich war. Ausgeschlossen wurden Patienten mit lokalen oder systemischen Infektionen, ausgeprägter Osteoporose oder die Wundheilung kompromittierenden Medikamenten. Klinische und nativradiologische Kontrollen wurden prä OP, 6 Wochen, 3, 6 und 12
Monate post OP durchgeführt. 28 Patienten haben die
Jahreskontrolle bis dato erreicht. Beurteilt wurden die Verträglichkeit, die Resorption des Knochenersatzmaterials und die knöcherne Durchbauung. Cerasorb Foam ist ein synthetisches Komposit aus 85 Gewichtsprozent (Gew-%) ?-TCP
Cerasorb und 15 Gew.-% Kollagen.
Ergebnisse: Bei keinem Patienten kam es zu materialassoziierten Komplikationen oder Unverträglichkeiten. Die Resorption des Cerasorb Foams setzte bei den Patienten nach 6 Wochen bis 3 Monaten radiologisch sichtbar ein und war nach 12 Monaten weitestgehend abgeschlossen. Die knöcherne Durchbauung war nach 12 Monaten ebenfalls ausgeprägt.
Klinisches Fazit: Die Auffüllung oder Augmentation von Defekten ist eine regelmäßige Notwendigkeit in der Orthopädie und Unfallchirurgie. Cerasorb Foam stellt ein leicht zu verarbeitendes und gut wirksames keramisches Knochenersatzmaterial mit breitem Anwendungsspektrum dar.
Schlüsselwörter: keramischer Knochenersatz, Cerasorb,
?-Tricalciumphosphat
Zitierweise
Breil-Wirth A, Jerosch J. Anwendung von Cerasorb Foam in der Orthopädie – eine prospektive Studie.
OUP 2014; 10: 608–615 DOI 10.3238/oup.2014.0608–615
Summary
Purpose: There are many materials for augmentation of bone defects available. The goal of this prospective trial was to determine the efficiency and tolerance of Cerasorb Foam, a ?-Tricalciumphosphate which is embedded in porcine
collagen.
Material and methods: 55 Patients, aged from 17 to 79, with need of bone augmentation or replacement were
enrolled in this trial. Patients with local or systemic infection, severe osteoporosis or wound healing compromising medication were excluded. Clinical and radiologic controls were performed pre-operativ, 6 weeks, 3, 6 and 12 months after operation. 28 patients appeared for final visit so far.
Evaluated were the biologic tolerance, the resorption of the material and the bone remodelling. Cerasorb Foam is a
synthetic composite of 85 % ? -Tricalciumphosphate and 15 % porcine collagen.
Results: The results approved Cerasorb Foam as a well working bone replacement, which is easy to use and to apply. The results considering resorption and bone remodelling confirmed former study results, both in trauma and orthopaedic patients.
Conclusion: The filling or augmentation of bone defects is a regular necessity in orthopaedics and trauma.
Cerasorb Foam is a convincing ceramic bone replacement
material embedded in collagen with a broad spectrum of use.
Keywords: ceramic bone substitute, Cerasorb, ?-Tricalciumphosphate
Citation
Breil-Wirth A, Jerosch J. Application of Cerasorb foam in orthopaedics – a prospective trial.
OUP 2014; 10: 608–615 DOI 10.3238/oup.2014.0608–615
Einleitung
Knochendefekte entstehen aus unterschiedlichen Ursachen und stellen ein häufiges Problem in der Orthopädie und Unfallchirurgie dar. Ursachen sind beispielsweise Traumata, Pseudarthrosen, Zysten, Infekte, Tumoren oder auch Revisionseingriffe nach Gelenkersatz. In Deutschland werden pro Jahr ca. 71.000 Knochentransplantationen durchgeführt [1]. Ein ideales Knochenersatzmaterial konnte bislang jedoch noch nicht gefunden werden. Anforderungen an ein solches wären ausreichende Verfügbarkeit, geringe Kosten, hohe Erfolgsrate, fehlendes Infektionsrisiko, keine Kanzerogenität, kein Risiko einer Allergisierung, keine Entnahmemorbidität, Osteokonduktivität, Osteoinduktivität, Stabilität und Resorbierbarkeit [2].
Aktuell gilt autologe Spongiosa und/oder Corticospongiosa nach wie vor als sog. Goldstandard zur Überbrückung bzw. zum Auffüllen von Knochendefekten. Vorteile sind gute osteokonduktive Eigenschaften und ein gewisses osteogenes Potenzial, wobei dieses schon nach kurzer extrakorporaler Zwischenlagerung und im Zentrum eines corticospongiösen Spans schnell abnimmt [2]. Nachteile sind die eingeschränkte Verfügbarkeit, die schwindende Knochenqualität mit zunehmendem Lebensalter, die Entnahmemorbidität (Blutung, Infekt und Schmerzen), die Verlängerung der OP-Zeit und die dadurch entstehenden Belastungen des Patienten sowie die zusätzlichen Kosten. Auch klagen Patienten teils über stärkere Schmerzen am Entnahmeort als am Ort der Primär-OP, welche teilweise über Monate anhalten können [1, 3].
Es gibt jedoch auch zahlreiche alternative Knochenersatzmaterialien. Autologem Knochen am nächsten kommt allogener Fremdknochen. Dieser ist jedoch auch nicht unbegrenzt verfügbar, ist lagerungs- und sterilisationsbedingt nicht osteogen und birgt potenzielle Restrisiken einer immunogenen Reaktion oder einer Infektübertragung.
Künstliche Ersatzmaterialien sind insbesondere Tricalciumphosphate und Hydroxylapatit. Letzterer bietet osteokonduktive Eigenschaften bei besserer Primärstabilität, zeigt jedoch eine deutlich schlechtere Resorbierbarkeit und wird in den neuen Knochen eingebaut, ohne von diesem ersetzt zu werden. Tricalciumphosphate sind gut untersuchte und bewährte Ersatzmaterialien mit guten osteokonduktiven Eigenschaften bei guter Resorbierbarkeit, abhängig von Porengröße und Poreninterkonnektivität. Sie haben jedoch ebenfalls keine osteogene oder osteoinduktive Potenz und sind weniger primärstabil als Hydroxylapatit [4]. Bei stabilen Defekten kommt es allerdings regelmäßig zu einer Restitutio ad integrum. Tricalciumphosphat wird rein synthetisch hergestellt und wird in dem untersuchten Produkt als ?-TCP verwendet. ?-TCP wird im Körper vollständig abgebaut und durch neu gebildeten Knochen ersetzt. Im Gegensatz zu ?-TCP wird es nicht zu Hydroxylapatit abgebaut [5, 6].
Cerasorb wurde insbesondere in der Zahnmedizin ausführlich untersucht und zeigte sich dort autologem Knochen gleichwertig [7]. Auch in der Anwendung in der Orthopädie und Unfallchirurgie konnten in einigen Studien sehr zufriedenstellende Ergebnisse gezeigt werden [8]. Die Weiterentwicklung Cerasorb Foam ist ein hochporöses Komposit aus porcinem Kollagen und ?-Tricalciumphosphat-Granulaten. Durch die Einbettung in Kollagen sollen die Verarbeitungseigenschaften des Produkts verbessert werden. Das Granulat soll einfacher an den gewünschten Ort platziert werden können und dort auch verbleiben. Darüberhinaus saugt der Kollagenschwamm Blut auf und bindet damit Wachstumsfaktoren. Durch die Oberflächenproteine wird auch die Bindung von Integrinen gefördert, welche Osteoblasten stimulieren können. Auf diese Weise verbessert das Kollagen die osteokonduktiven Eigenschaften des Granulats und bewirkt zusätzlich eine Osteoinduktion. Kollagen-Keramik-Komposite sind in der Wirbelsäulenchirurgie bereits erfolgreich eingesetzt worden [9, 10, 11].