Übersichtsarbeiten - OUP 09/2015
Arzneimittelrechtliche Zulassung von Kortikoiden bei wirbelsäulennahen InjektionenDer deutsche Weg im Widerspruch zur internationalen EvidenzThe German way contrary to international evidence
Markus Schneider1
Zusammenfassung: Der Gebrauch von Kortikosteroiden zur epiduralen Injektion ist weltweit nicht arzneimittelrechtlich zugelassen, also off-label. Dies ist wissenschaftlich anerkannt, dennoch kam es 2011–2012 in Deutschland zu einer erneuten Diskussion, wobei als Folge die bisher genehmigte Abrechenbarkeit von den Gesetzlichen Krankenkassen und der KBV revidiert wurde. Nachdem dies unter den interventionellen Schmerztherapeuten und den Radiologen zu erheblicher Unruhe geführt hat, wurde im September 2014 ein Triamcinolonacetonid Volon A 40 zur intrafokalen Anwendung bei zervikaler, thorakaler und lumbaler Radikulopathie vom BfArM zugelassen. Zeitgleich wurde im November 2014 als Resultat einer seit 2009 bei der FDA geführten Debatte über die Sicherheit von Steroiden bei der epiduralen Injektion eine Anhörung durchgeführt, bei der alle maßgeblichen Fachgesellschaften Gehör fanden. Zusammengefasst wurde, dass trotz der beschriebenen Risiken der Benefit dieser Injektionen die Risiken überwiegt, aber es sollte auf ein kristallines Kortison verzichtet werden und die transforaminale zervikale Injektion überdacht werden, die interlaminäre (epidurale) Injektion sei vorzuziehen.
Auf die erheblichen Widersprüche der internationalen Literatur im Vergleich zur deutschen Zulassung wird hingewiesen.
Schlüsselwörter: Epidural, lumbal, zervikal, Injektion, transforaminal, Volon, Zulassung Steroide, Zulassung Kortison, BA-Beschluss Nr. 290, Off-Label-Kortison
Zitierweise
Schneider M. Arzneimittelrechtliche Zulassung von Kortikoiden bei wirbelsäulennahen Injektionen. Der deutsche Weg im Widerspruch zur internationalen Evidenz.
OUP 2015; 9: 432–435 DOI 10.3238/oup.2015.0432–0435
Summary: The use of steroids is an international off-label procedure but scientifically recognized. Nevertheless there was a big discussion about this topic in Germany in 2011, as a result there was a declination of the reimbursement of this procedure in Germany.
This led to tremendous discussions among interventional pain specialists as well as radiologists. Furthermore in September 2014 the German authorities approved a particulated steroid (Triamcinolone acetonide) for „intrafocal use with cervical, thoracal or lumbal radiculopathy“; an epidural use was still claimed „off label“.
Meanwhile in November 2014 there was a hearing of the FDA, ending a long during discussion that had started in 2009 about serious complications regarding the use of steroids in transforaminal epidural injections. As a result of this hearing the board came to the conclusion, that cervical TFSI (transforaminal epidural steroid injections) should be reconsidered and an interlaminar approach should be used because of a smaller risk of accidental arterial uptake and neurological damage; a non-particulate steroid should be used.
The eminent discrepancy between the German and international literature is discussed.
Keywords: Epidural, lumbal, cervical, steroid, transforaminal injection, triamcinolone acetonide, admission steroids, admission cortisone, off-label use
Citation
Schneider M. Pharmaceutical drug approval of corticosteroids for epidural spinal injections. The German way contrary to international evidence.
OUP 2015; 9: 432–435 DOI 10.3238/oup.2015.0432–0435
Die Injektion von Steroiden wirbelsäulennah wird seit Anfang der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts durchgeführt – über verschiedene Zugangswege. Die zunehmende Verbreitung dieser Therapie in den letzten 15 Jahren hat dazu geführt, dass derzeit in den Vereinigten Staaten ca. 5 Millionen Injektionen pro Jahr (lt. FDA) durchgeführt werden.
Zur Anwendung kommen verschiedene Arten von Steroiden, in der internationalen Literatur wird zwischen kristallinen und nichtkristallinen Steroiden unterschieden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Applikationsarten wie intramuskulär, peritendinös, intravenös oder oral, erfolgte nie eine Zulassung der Steroide zur nervennahen periradikulären Injektion. Dies wird auch in den großen Fachgesellschaften bei entsprechenden Kursen so gelehrt und findet sich auch in der internationalen Fachliteratur wieder.
Dennoch kam es Ende 2012 zu einer zunehmenden Diskussion über den Off-Label-Gebrauch von Kortison besonders in Deutschland, was im Verlauf des Jahres 2013 dazu führte, dass Injektionen mit Steroiden an Nervenwurzeln (PRT, periradikuläre Therapie) nicht mehr als Kassenleistung vergütet wurden. Dies hat zu erheblicher Unruhe in Deutschland geführt, besonders auch unter den Radiologen. Gleichzeitig wurde zum 1. April 2013 die CT-gesteuerte PRT nur noch auf Überweisung eines Schmerztherapeuten zugelassen. Dieser sogenannte BA-Beschluss Nr. 290 hat jedoch mit der Off-Label-Kortison-Diskussion rein gar nichts zu tun.
Verschiedentlich wurde von Fachgesellschaften darauf hingewiesen, dass der Off-Label-Gebrauch von Kortison bei PRT kein deutsches Phänomen sei, auch die FDA hat verschiedentlich darauf hingewiesen, dass in den Vereinigten Staaten keine arzneimittelrechtliche Zulassung besteht.
Aufgrund eines Hinweises aus dem Jahr 2009 von einem Anästhesisten aus dem Massachusetts General Hospital, der die FDA kontaktiert hatte, begann ein Prozess der Sichtung der Literatur und der Auflistung von neurologischen Zwischenfällen bei der Benutzung von Steroiden an der Wirbelsäule. Im September 2010 wurden die Ergebnisse dem Anesthetic and Analgesic Drug Products Advisory Committee der FDA präsentiert und es kam zu einer Anhörung am 24. und 25. November 2014 , bei der sämtliche maßgeblichen Fachgesellschaften und Spezialisten Gehör fanden [1].
In Deutschland führte die Diskussion zu verschiedenen Stellungnahmen der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, nach denen wirbelsäulennahe Injektionen (PRT) mit Steroiden nicht länger zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden durften. Die Landes-KVen gaben entsprechende Stellungnahmen an ihre Mitglieder ab. Dies führte bundesweit dazu, dass die seit den 50er-Jahren durchgeführten Injektionen zunehmend als Selbstzahlerleistung in Deutschland angeboten wurden.
Im September 2014 wurde publik, dass einem Produkt eines kristallinen Kortikoids, nämlich Triamcinolonacetonid 40 mg (Volon A 40/A 40–5 ml), durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Zulassung für die intrafokale Anwendung bei zervikaler, thorakaler und lumbaler Radikulopathie erteilt wurde [2].