Arzt und Recht - OUP 12/2013

Beratung vor Regress – Widerspruch gegen Beratung?

Eine ausdrückliche abweichende Regelung finde sich für das Vertragsarztrecht etwa in § 98 Abs. 2 Nr. 4 SGB V. Für das Zulassungsrecht – für das ungeachtet der Regelungen in §§ 36 ff Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) auch das SGB X gilt – bestimmt § 98 Abs. 2 Nr. 4 SGB V, dass die Zulassungsverordnungen Vorschriften „über die Verfahrensgebühren unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes und der Bedeutung der Angelegenheit für den Gebührenschuldner sowie über die Verteilung der Kosten der Ausschüsse auf die beteiligten Verbände“ enthalten müssen. Hierauf beruhende Gebührenregelungen enthalten § 46 Ärzte-ZV und § 46 Zahnärzte-ZV.

Eine weitere Ausnahme vom Grundsatz der Kostenfreiheit auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung hat der Senat für das Verwaltungsverfahren bei Disziplinarmaßnahmen bejaht (BSG, Urteil vom 28.08.1996, Az. 6 BKa 22/96; bestätigt mit Beschluss vom 28.06.2000, Az. B 6 KA 1/00 B; ebenso Hencke, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand Januar 2012, § 81 SGB V RdNr. 7 und 45; Hess a.a.O., § 81 SGB V RdNr. 12), für das ebenfalls grundsätzlich das SGB X gilt (BSG, Beschluss vom 09.12.2004, Az. B 6 KA 70/04 B).

Rechtsgrundlage für die hier streitige Kostenregelung für das Widerspruchsverfahren sei § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Danach muss die Satzung der KÄV insbesondere Bestimmungen über Aufbringung und Verwaltung der Mittel enthalten. In dieser Regelung sieht der Senat in ständiger Rechtsprechung die Ermächtigungsgrundlage für Vorschriften über die „Festsetzung von Verwaltungskosten“ (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 17.08.2011, Az. B 6 KA 2/11 R = ArztR 2012, 107). Da die Vorschrift keine näheren Vorgaben für die Ausgestaltung der Erhebung von Beiträgen durch die KÄVen macht, seien Art und Weise der Einnahmenerhebung dem Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers überlassen, der dabei die allgemeinen Grundsätze des Beitragsrechts sowie den Gleichheitssatz zu beachten hat (BSG, Urteil vom 17.08.2011, Az. B 6 KA 2/11 R = ArztR 2012, 107). Die Verwaltungskostenbeiträge habe der Senat als Gegenleistung für Vorteile angesehen, die das Mitglied aus der Zugehörigkeit zu einer Körperschaft oder aus einer besonderen Tätigkeit dieser Körperschaft zieht oder potentiell ziehen kann (a.a.O. RdNr. 17 ff.).

Der Umstand, dass jeder Vertragsarzt mit seinem Verwaltungskostenbeitrag die allgemeine Tätigkeit der KÄV wie etwa die Honorarabrechnung bereits finanziert, schließe nicht aus, dass für besondere Tätigkeiten, die vom Vertragsarzt veranlasst werden und erhöhten Aufwand und Kosten verursachen, Gebühren erhoben werden. Aus der allgemeinen Finanzierungsregelung des § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V könne vielmehr auch die Berechtigung zur Erhebung von Gebühren abgeleitet werden (ebenso Feddern, in: juris-PK SGB X, 2013, § 64 RdNr. 24 unter Hinweis auf die hier angefochtene Entscheidung; vgl. auch Schiller, Erhebung von Beiträgen und Gebühren durch die Kassenärztlichen Vereinigungen, MedR 2004, 348, 351; sowie LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.09.2004, Az. L 5 KA 1529/03 = MedR 2005, 483, 484 zu einer Pfändungsgebühr). Der in dieser Vorschrift verwendete Begriff der „Mittel“ begrenze schon vom Wortsinn die KÄV nicht auf die Erhebung von Beiträgen.

Auch die Höhe der Gebühr sei nicht zu beanstanden. Die KÄVen müssten im Rahmen der ihnen zukommenden Satzungsautonomie die für das öffentliche Beitrags- und Gebührenrecht geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe, insbesondere das Äquivalenzprinzip, beachten. Letzteres erfordere, dass zwischen der Höhe des Beitrags und dem Nutzen des Beitragspflichtigen ein Zusammenhang besteht. Hierfür genüge, dass die Beitragshöhe nicht in einem groben Missverhältnis zu den Vorteilen steht, die der Beitrag abgelten soll (BSG, Urteil vom 17.08.2011, Az. B 6 KA 2/11 R = ArztR 2012, 107). Ein solches Missverhältnis sei bei der Gebühr in Höhe von 100,00 € ausgeschlossen. Es sei davon auszugehen, dass die verwaltungstechnische und inhaltliche Bearbeitung eines Widerspruchs bei einer zulässig typisierenden Betrachtung einen finanziellen Aufwand der Behörde weit oberhalb dieses Betrages verursacht. Aus diesem Grund sei auch ein Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip nicht gegeben. Angesichts der moderaten Höhe der Verfahrensgebühr sei nicht ersichtlich, dass ihre Erhebung über die Deckung des für das Widerspruchsverfahren erforderlichen Verwaltungsaufwandes hinaus in unzulässiger Weise der Finanzierung allgemeiner Aufgaben der KÄV dient. Gebühren der hier streitigen Art dürften die Finanzierung der KÄV durch umsatzbezogene Verwaltungskostenbeiträge aller Vertragsärzte lediglich für besondere Aufgabenbereiche ergänzen, aber nicht im originären Aufgabenbereich ersetzen. Für Letzteres fehle es hier schon im Hinblick auf die Relation zwischen den gesamten Verwaltungskosten der Beklagten (nach dem Rechenschaftsbericht für das Geschäftsjahr 2010 mehr als 150 Mio. €) und dem potentiellen Aufkommen durch die Widerspruchsgebühr an jedem Anhaltspunkt. Das dürfte angesichts des besonderen Aufwandes im Übrigen auch gelten, soweit die Satzung für erfolglose Widerspruchsverfahren, in denen Qualitätsprüfungen anhand von Unterlagen durchzuführen sind, erhöhte Gebühren vorsieht.

Fazit

Die Entscheidungen des Bundessozialgerichts zeigen, dass grundsätzlich auch gegen die (zunächst) festgesetzte Beratung Widerspruch und Klage statthaft sind, da auch die Beratung ohne „finanziellen Schmerz“ den Vertragsarzt in seinen Rechten verletzen kann. Hierbei spielt wie in jedem Rechtsbehelfsverfahren über Wirtschaftlichkeitsprüfung die Darlegungslast des Vertragsarztes insbesondere hinsichtlich Praxisbesonderheiten eine ganz wesentliche Rolle, da insofern der im Übrigen im Sozialrecht geltende Amtsermittlungsgrundsatz eingeschränkt ist. Der Vertragsarzt sollte demnach nur dann Widerspruch einlegen, wenn er die für ihn günstigen Umstände (in der Regel Praxisbesonderheiten), die zur Minderung/Beseitigung des Regresses/der Beratung führen können, auch beweisen kann. Darüber hinaus sollte nunmehr vor Einlegung des Widerspruchs geprüft werden, ob nach der Gebührenordnung der jeweils zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung des Bundeslandes eine Gebühr (auch) für den erfolglosen Widerspruch zu zahlen ist.

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4 | 5