Übersichtsarbeiten - OUP 01/2024

Coccygodynie
Ein Überblick

Klinisch berichten die Betroffenen über den Hauptschmerz im Sitzen mit einer Verstärkung bei Reklination und bei Lageänderung, vor allem beim Aufstehen. Gerade die Sitzposition im Auto wird als extrem schmerzhaft beschrieben, obwohl in der Regel schon ein Ringsitzkissen eingesetzt wird. Die wenigsten haben Schmerzen beim Gehen und im Liegen. Der Großteil bevorzugt weiche Sitzunterlagen. Der Schmerz kann als lokaler Schmerz im Bereich des Steißbeins angegeben werden. Fast alle fühlen sich nicht ernst genommen und sind in ihrer Lebensqualität maximal eingeschränkt. Viele Patientinnen und Patienten berichten zudem, dass sie das Gefühl hätten, das Steißbein bewege sich bei Lageänderung und berichten über Schmerzen bei der Defäkation. In Tabelle 1 sind die typischen Aussagen der Patientinnen und Patienten zusammengefasst.

Klinische Untersuchung

Die körperliche Untersuchung sollte mit der Beobachtung der Sitzhaltung der Patientin/des Patienten beginnen und dann nach Läsionen suchen, einschließlich Anzeichen eines Pilonidalsinus, Fistel oder Infektion. Als nächstes kann die Palpation der darüber liegenden Haut, des Steißbeins und der angrenzenden Bänder und Muskeln fokale Druckempfindlichkeit zeigen [18]. Danach ist es wichtig, das schmerzhafte Areal zu palpieren und die druckdolente Stelle von den cranialen Sacrumanteilen abzugrenzen. Typisch ist ein Druckschmerz direkt an der Steißbeinspitze. Dort kann auch eine ventrale Instabilität oder eine Subluxation getastet werden. Um einen besseren Eindruck über eine dorsale Instabilität zu bekommen, ist eine rektale Untersuchung nötig.

Radiologische Diagnostik

Magnetresonanztomografie

Häufig stellen sich die Patientinnen und Patienten mit einer MRT ohne pathologischen Befund vor. Durch die liegende Position während der MRT können Instabilitäten nur bei deutlichen Fehlstellungen aufschlussreich sein. Manchmal kann in der T2-Wichtung und STIR-Sequenz ein Knochenödem oder diskrete Flüssigkeitsansammlungen im Sinne einer Reizung dargestellt werden. Dies ist vor allem bei frischen Traumata und dem Vorhandensein eines dorsalen Sporns der Fall. Der dorsale Sporn ist ein kleiner Osteophyt, der in der MRT häufig besser gesehen werden kann als im Röntgen (Abb. 1). Ein dorsaler Sporn kann entweder ein Auslöser oder eine Folge einer Coccygodynie sein [5, 19]. Zudem dient eine MRT insbesondere zum Ausschluss der oben genannten seltenen Differenzialdiagnosen.

Immer wieder wird trotz der Diagnose Coccygodynie nur eine MRT der LWS durchgeführt, auf der das Steißbein gar nicht abgebildet ist und die Patientin/der Patient stellt sich dann mit einem Normalbefund vor.

Computertomografie

Die CT hat nur einen geringen Stellenwert in der Diagnosestellung und sollte nur bei Trauma mit Verdacht auf eine Beteiligung des Sacrums durchgeführt werden. Eine Studie zeigte in der CT die hohe Variabilität der Fusion der Kreuz- und Zwischenwirbelgelenke und dass weibliche Steißbeine häufig kürzer, gerader und mehr retrovertiert sind [20]. Eine Korrelation der Befunde als Ursache der Schmerzen zeigte sich jedoch nicht.

Konventionelles Röntgen

Die konventionellen Röntgenaufnahmen des Steißbeins in 2 Ebenen werden entweder seitlich im Liegen oder Stehen durchgeführt. Da die Patientinnen und Patienten meist weder im Liegen noch im Stehen Beschwerden haben, zeigen sich auch hier selten Pathologien. Dazu kommt noch die enorme Variabilität des Steißbeins, die eine Beurteilung über das Vorliegen einer Pathologie erschweren.

Maigne et al. veröffentlichten bereits 1994 die Technik der dynamischen Funktionsaufnahmen des Steißbeins in seitlich stehender und sitzender Position des Steißbeins [12, 21]. Dabei wird zunächst eine Aufnahme im Stehen und nach fünfminütigem Sitzen in schmerzhafter, reklinierter Position im Sitzen angefertigt. Danach wurden die Folien der Aufnahmen übereinandergelegt und eine Winkelbeweglichkeit von mehr als 25° oder weniger als 5° wurde als abnormal beschrieben. Aufgrund des Fehlens validierter Techniken zur Messung der Winkelbeweglichkeit ist die dynamische Bildgebung jedoch weitgehend unbekannt, sie ist auch schwierig anzufordern.

Die von Maigne beschriebene Messmethode ist aufgrund der Digitalisierung im Röntgen heutzutage nur schwer durchführbar. Da die Funktionsaufnahmen aus Sicht des Autors jedoch der Goldstandard in der Diagnosestellung sein sollten, wurde vom Autor 2021 die Benditz-König-Klassifikation veröffentlicht [22]. Dabei werden 4 Typen unterschieden. Bei Typ I handelt es sich um ein Segment, das nach ventral mehr als 15° abkippt, bei Typ II um mehrere Segmente. Typ II war der häufigste Typ. Typ III und IV beschreiben Subluxationen nach dorsal, wobei mehr als 50 % der Typ-IV-Patientinnen/-Patienten operiert wurden, was im Vergleich zu Typ I und II signifikant erhöht ist [Abb. 2a–d].

Die AP-Aufnahmen haben nur einen geringeren Stellenwert in der Diagnosestellung und werden aus Strahlenschutzgründen nicht regelhaft benötigt. Sollte die klinische Untersuchung eine laterale Achsdeviation vermuten lassen, so ist die Aufnahme zur Verifikation sinnvoll.

Viele Patientinnen und Patienten haben Schwierigkeiten, einen Radiologen zu finden, der mit der Durchführung von Funktionsaufnahmen des Steißbeins im Sitzen im Vergleich zum Stehen vertraut ist. Selbst mit detaillierter Überweisung kommt es zu Schwierigkeiten. Diese Erfahrungen machte nicht nur der Autor schon häufig, sondern werden auch aus anderen Ländern berichtet [5].

Therapie

Konservative Therapie

In der Literatur ist eine Vielzahl von konservativen Behandlungsmethoden beschrieben. Diese sollten vor den Gedanken an eine operative Therapie immer vollumfänglich ausgeschöpft werden und über mindestens 6 Monate nach Beginn der Schmerzen probiert werden. Laut Literatur sind konservative Maßnahmen in 90 % der Fälle erfolgreich [23].

Entzündungshemmende
Maßnahmen, Sitzkissen,
Haltungstraining

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