Originalarbeiten - OUP 03/2012

Der kindliche idiopathische Klumpfuß
The idiopathic clubfoot

Nach dem Erreichen einer plantigraden Fußstellung erfolgt die Versorgung mit einer Vollzeitorthese. Bei dem Verfahren nach Ponseti wird üblicherweise eine spezielle Orthese verwendet (Abb. 4). Der betroffene Fuß wird üblicherweise in 70 Grad Außenrotation und die Gegenseite in 40 Grad Außenrotation bei jeweils 10–15° Dorsalextension eingestellt. Für mindestens 3 Monate ist das Tragen der Schiene vollzeitig, dann nur noch zum Schlafen aber bis zum vierten Geburtstag erforderlich. Durch die geringe Invasivität entstehen wenig Vernarbungen und ein gut beweglicher Fuß. Allerdings steigt die Anzahl der Rezidive enorm, wenn die Schienenversorgung nicht konsequent eingehalten wird, was in der Praxis durchaus ein Problem darstellen kann [5].

Bereits zwischen 1924 und 1960 entwickelte J.H. Kite [6] eine andere differenzierte konservative Therapie des Klumpfußes, bei der die einzelnen Klumpfußkomponenten nacheinander redressiert wurden. Er begann mit der Korrektur der Vorfußadduktion, danach folgte die Korrektur des Rückfußvarus. Das Ziel war es, das Kuboid vor den Kalkaneus und das Os naviculare vor den Taluskopf zu stellen bevor die Spitzfußstellung mit Gipsen redressiert wurde. Die Redressionstherapie war langwierig und betrug ein halbes bis ein ganzes Jahr. Im Gegensatz zur Ponseti-Therapie, bei der alle Klumpfußkomponenten simultan redressiert werden und meist weniger als zehn Gipse notwendig sind, ist die Kite-Methode deutlich aufwändiger und langwieriger.

Alternativ zur Redressionsbehandlung mit Etapengipsen existiert die von Dimeglio et al. [7] in Montpellier entwickelte funktionelle Methode zur Klumpfußtherapie. Bei der sogenannten „französischen Methode“ werden die Kinder für drei Monate intensiv physiotherapeutisch beübt. Die Krankengymnastik erstreckt sich über mindestens 30 Minuten und wird viermal die Woche bis täglich durchgeführt. Das Ergebnis wird zwischen den Therapieeinheiten mit Bandagen, Schienen und ggf. Gipsen gehalten. Anfänglich wird die Behandlung meist stationär durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Methode sind insbesondere beim Typ 2 gut. Operative zusätzliche Maßnahmen sind insgesamt in einem Drittel der Fälle notwendig [8]. Der erhebliche logistische Aufwand hat sicher zur geringen Verbreitung der Methode in Deutschland mit beigetragen.

Operative Therapie:

Häufig lassen sich die einzelnen Klumpfußkomponenten konservativ nicht ausreichend korrigieren. Bei den meisten (ca. 85%) in der Ponseti-Technik gegipsten Füßen ist die Korrektur des Spitzfußes allein durch Manipulationen und Gipse nicht möglich, so dass eine Achillessehnendurchtrennung notwendig wird. Diese kann bereits in der 6. bis 8. Lebenswoche durchgeführt werden.

Da der Eingriff mancherorts in Lokalanästhesie und perkutan durchgeführt wird, zählen einige Autoren die Achillessehnentenotomie noch zu den konservativen Methoden. Eine kurze Narkose ist wie oben erwähnt nicht notwendig, wird aber häufig bevorzugt. Die Achillessehnendurchtrennung ist in diesem frühen Alter unproblematisch, da sich die Sehne (anders als beim Erwachsenen) gut regeneriert.

Bei kontrakteren Spitzfüßen wird von einigen Behandlern die dorsale Arthrolyse bevorzugt. Sie erfolgt in der Regel etwas später als die alleinige Tenotomie der Sehne, da der dann etwas größere Fuß die Übersicht erleichtert. Früher waren Längsinzisionen üblich, während heutzutage die kosmetisch wesentlich besseren Querinzisionen verwendet werden (Abb. 5). Die Achillessehne kann tenotomiert oder z-förmig verlängert werden. Zusätzlich wird das obere und untere Sprunggelenk in den dorsalen Anteilen eröffnet, so dass ein gute Dorsalextension des Fußes erzielt wird.

Das bis vor einigen Jahren noch allgemein akzeptierte peritalare Release zur operativen Korrektur des idiopathischen Klumpfußes hat zumindest in der Primärbehandlung an Bedeutung verloren [9]. Ein günstiger Zeitpunkt für diese Operation liegt zwischen dem siebten und neunten Lebensmonat. Über einen dorsalen hufeisenartigen Hautschnitt über den Innenknöchel und den Außenknöchel hinwegziehend wird ein sehr großer Zugang eröffnet (Abb. 6). Er gibt Übersicht über oberes und unteres Sprungelenk bis zu den Mittelfußgelenken medial und lateral („Cincinnati-Zugang“). Die Fehlstellungen können gut korrigiert werden. Eine temporäre Fixation des Talonavikulargelenkes, des Kalkaneokuboidgelenkes und der Stellung zwischen Os calcaneun und Talus kann mit 1,2 bis 1,4 mm starken Kirschner-Drähten erzielt werden. Arthrolysen und Sehnenverlängerung sind problemlos möglich. Die Operationswunde heilt in der Regel kosmetisch sehr günstig ab. Allerdings kann durch innere Vernarbungen eine Teilsteifheit des Fußes resultieren. Manche Gelenke (insbesondere das untere Sprunggelenk) sind in einigen Fällen komplett eingesteift. Ferner sind als Folge des aggressiven Releases vereinzelt Talusnekrosen mit resultierender „Flat-Top Talus Deformität“ beschrieben. Außerdem werden schwer zu therapierende Überkorrekturen (Plattfuß-Deformitäten) beobachtet. Das peritalare Release wird deshalb inzwischen eher auf sehr rigide Füße oder Rezidiveingriffe beschränkt.

In der Nachbehandlung wird in der Regel, abgesehen von der Ponseti-Methode (s. oben), postoperativ ein gepolsterter und gespaltener Oberschenkelgips in Neutralstellung mit 90 Grad gebeugten Kniegelenken angelegt. Bei der Operation perkutan eingebrachte K-Drähte werden meist 6 Wochen postoperativ entfernt. Die Gipswechselintervalle sind von Klinik zu Klinik unterschiedlich. Bewährt hat sich ein erster Gipswechsel in Sedierung eine Woche postoperativ. Beim Gipswechsel in der 3. bis 4. postoperativen Woche kann ein Abdruck für eine Redressiomschiene, die bis zum Oberschenkel reicht, angefertigt werden. Diese ist dann bei Abschluss der postoperativen Gipsbehandlung nach 6 Wochen verfügbar. Die Redressiomschiene, wird zunächst kontinuierlich getragen und anschließend als Nachtlagerungsschiene benutzt. Aufgrund des Wachstums sind regelmäßige Anpassungen durch die Orthopädietechnik notwendig.
Die physiotherapeutischen Maßnahmen werden nach der Gipsabnahme sechs Wochen postoperativ begonnen. Um eine gute Beweglichkeit des Fußes zu erhalten, sind täglich mehrfach Übungen nötig. Diese können nach Anleitung auch von den Eltern durchgeführt werden. Bei leichten Restdeformitäten des Fußes sind individuelle Einlagenversorgungen oder Schuhanpassungen sinnvoll. Beispielhaft sind die Dreibackeneinlage und der Antivarusschuh bei einer verbleibenden milden Vorfußadduktion. Nachtlagerungsschienen können hier zusätzlich zur Anwendung kommen.

Klumpfußrezidive, Rest-
deformitäten und Über-
korrekturen

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