Übersichtsarbeiten - OUP 04/2014

Der Meniskusschaden des Leistungsfußballers: eine Berufskrankheit?
Nach einem Poster für die 61. Jahrestagung der VSOU, 2. PosterpreisBased on a scientific poster for the 61st VSOU-Congress, 2nd poster prize

J. Hettfleisch1, L. Hettfleisch2

Zusammenfassung: Meniskusschäden der Kniegelenke
können unter bestimmten Voraussetzungen als Berufskrankheit anerkannt werden. Dabei ist durchaus diskussionswürdig, inwiefern sich die Anspruchsvoraussetzungen bei
einem Leistungsfußballer bzw. einem Untertagearbeiter
unterscheiden.

Schlüsselwörter: Meniskusschaden, Fußballspieler, Berufskrankheit

Zitierweise
Hettfleisch J, Hettfleisch L. Der Meniskusschaden des Leistungsfußballers: eine Berufskrankheit?
OUP 2014; 4: 188–190. DOI 10.3238/oup.2014.0188–0190

Summary: Under certain circumstances meniscal damage can be acknowledged as an occupational disease. Similarities and differences on this issue between professional soccer players and coal miners are stressed out in a case study.

Keywords: meniscal damage, soccer player, occupational disease

Citation
Hettfleisch J, Hettfleisch L. Meniscal damage in professional soccer players: an occupational disease?
OUP 2014; 4: 188–190. DOI 10.3238/oup.2014.0188–0190

Im Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK-Nr. 2102 [1] wird die Berufskrankheit folgendermaßen definiert: „Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten“.

Die Gruppe der Leistungsfußballer wird darin ausdrücklich zum gefährdeten Personenkreis für eine berufsbedingte Meniskusschädigung gezählt. Dabei weist bereits Pressel [2] in seiner inzwischen klassischen Habilitationsschrift darauf hin, dass für den Untertage-Bergbau selbst – für den jene Berufskrankheit ursprünglich konzipiert war – keine epidemiologischen Studien vorliegen, nach denen ausgerechnet Bergleute eine in besonderem Maße einschlägig gefährdete Berufsgruppe darstellten. Zudem hat Pressel ebenfalls gezeigt, dass Rangierer – laut Merkblatt [1] gleichfalls besonders gefährdet – gegenüber nicht meniskusbelasteten Ladearbeitern der Deutschen Bahn keine höhere Inzidenz von Meniskusschäden aufweisen. Dennoch ist die BK 2102, ursprünglich als „Lex montana“ zugunsten der Bergleute entwickelt, im Anschluss an jene Arbeiten von Pressel für andere Berufsgruppen geöffnet worden – unter anderem eben auch für Lizenzfußballer.

Bis auf den heutigen Tag mangelt es, im Unterschied zu einer Reihe anderer Berufskrankheiten, an einer epidemiologischen Begründung für den besonderen Schutz einzelner Berufsgruppen. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass – ähnlich wie bei einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule (BK 2108) – ein belastungsspezifisches Schadensbild nicht besteht. Der Meniskusschaden des beruflich Belasteten bzw. die sich daraus entwickelnden Folgen für das Kniegelenk unterscheiden sich nicht erkennbar von schicksalhaften Verläufen. Für im Bergbau Tätige unterscheidet sich nicht einmal der Altersgipfel für das Auftreten des Meniskusschadens von der nicht beruflich exponierten Normalbevölkerung. Er liegt in beiden Kollektiven bei etwa 45 Jahren.

Für die Bewertung einer beruflich bedingten Meniskusschädigung muss grundsätzlich von Konventionen ausgegangen werden – weil einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse nicht vorliegen. Zahlreiche Autoren [3, 4, 5] argumentieren, dass – ähnlich wie bei der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule – von einer Dosis-Wirkungs-Beziehung auszugehen sei – ohne dass dies allerdings wissenschaftlich belegt wäre. Dennoch kann als Konsens gelten, dass der Meniskus im Laufe eines Lebens bereits ohne jede berufsspezifische Belastung eine Texturstörung erfährt, auf welche die individuelle, berufliche Anforderung quasi aufsattelt. Dieser Sachverhalt wird unterstrichen durch kernspintomografische Untersuchungen von Jerosch und Kollegen [6]. Bei 82 beschwerdefreien Personen zwischen 8 und 62 Jahren fanden sie mit zunehmendem Lebensalter eine proportionale Häufung von Texturstörungen der Menisken.

Über jenen natürlichen und vollkommen schicksalhaften Prozess des Älterwerdens hinaus liegen zur Relevanz der Sportanamnese für das Zustandekommen einer Meniskustexturstörung keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse vor. Beispielsweise gibt es keine Kernspintomografie-Studien zur Häufigkeit derartiger Texturstörungen bei Fußballern verschiedener Leistungsklassen – erst recht nicht im Vergleich zur unbelasteten Normalbevölkerung. Bei einer Aufnahme des Fußballsports im Alter von 6 Jahren und nach Durchlaufen aller Jugendmannschaften bis zum Übergang in den Lizenzspielerkader dürften Leistungsfußballer allerdings im Allgemeinen ein vorgeschädigtes Meniskusgewebe aufweisen (Abb. 1).

Ein breites wissenschaftliches Einvernehmen zu Art und Umfang der Meniskusbelastung des Leistungsfußballers existiert ebenfalls nicht – selbst wenn in einem „Arbeitsmedizinischen Konsenspapier zur ... BK Nr. 2102“ der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft angenommen wird, ein signifikanter Gewebeschaden komme „erst nach langjähriger typischer Belastung (ca. 8–10 Jahre)“ zustande, weil erst dann eine „Beanspruchung der Menisci in relevantem Umfang angenommen werden“ könne.

Beim Leistungsfußballer lassen sich brüske Bewegungsbeanspruchungen, wie sie im einschlägigen Merkblatt [1] gefordert werden, durchaus erkennen. Wenn zum Teil behauptet wird, in höheren Spielklassen sei die Meniskusbelastung größer als in den unteren Ligen, dann überzeugt dies nicht. Gerade unterhalb der 2. Bundesliga sowie mit abnehmender Eleganz des Spiels sind die mechanischen Belastungen des Kniegelenks – einschließlich der Menisken – zum Beispiel beim Pressschlag (im Merkblatt als „Prellschlag“ bezeichnet) oder beim „Misstritt“ [1] höher als in den oberen Ligen (Abb. 2). Dementsprechend niedriger ist – unter Berücksichtigung einer Dosis-Wirkungs-Beziehung – die für einen Meniskusschaden notwendige Expositionsdauer.

Histologisch ist ein dem Lebensalter vorauseilender Meniskusschaden beim Leistungsfußballer häufig nachzuweisen. Wie in den gerade erwähnten Berufen, aber auch bei einer vollkommen schicksalhaften Zusammenhangstrennung, ist meistens das Innenmeniskushinterhorn betroffen – welches mechanisch in besonderem Maße belastet wird, weil der Innenmeniskus mit der Gelenkkapsel und dem Innenband verwachsen ist (Abb. 3) [3].

Schröter [5] erwartet für einen berufsbedingten Innenmeniskusschaden, dass beide Kniegelenke nahezu zeitgleich geschädigt werden. Dies kann allerdings nur für statische Belastungen gelten, wie sie im Bergbau oder bei Parkett- bzw. Fliesenlegern in andauernder und beidseitiger Hock- oder Kauerstellung vorkommen. Zu der Frage, wie sich bei einem Fußballer die Meniskusbelastung auf Standbein und Spielbein verteilt, gibt es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse. Eine einseitige Betroffenheit spricht bei jenem folglich nicht grundsätzlich gegen eine berufliche Verursachung des Schadens.

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