Übersichtsarbeiten - OUP 04/2014

Der Meniskusschaden des Leistungsfußballers: eine Berufskrankheit?
Nach einem Poster für die 61. Jahrestagung der VSOU, 2. PosterpreisBased on a scientific poster for the 61st VSOU-Congress, 2nd poster prize

Konkurrierende Ursachen für einen Innenmeniskusschaden werden bereits im einschlägigen Merkblatt [1] formuliert und von Wenzl und Fuchs ebenso präzisiert, wie von Thomann, Schröter und Grosser [5] oder von Schönberger, Mehrtens und Valentin [7], vgl. auch Abb. 4. Moderate O-Beine sind demnach, eine inzwischen gesicherte Erkenntnis, ausdrücklich keine konkurrierende Ursache für einen Meniskusschaden [8, 7].

Eine plausible zeitliche Korrelation zwischen der beruflichen Belastung sowie der Krankheitsentwicklung muss zu erkennen sein. Zudem müssen Belastungsart und -umfang mit dem Meniskusschaden korrelieren. Im Anschluss an dessen arthroskopische Sanierung muss sich eine Besserung der ursprünglichen Beschwerdesymptomatik einstellen. In der Regel ist zu erwarten, dass wieder wettbewerbsfähig Fußball gespielt wird. Auch sollte der Meniskusschaden einem etwaigen Knorpelschaden vorauseilen – und nicht umgekehrt.

Fallbeispiel

Der zum Untersuchungszeitpunkt 34-jährige Herr K. gibt an, von Kindesbeinen an Fußball gespielt und alle einschlägigen Jugendmannschaften durchlaufen zu haben; er sei Rechtsfüßer. Zu seinen arbeitstäglichen Belastungen als bezahlter Spieler für verschiedene Sportvereine liegen kaum verwertbare Auskünfte vor. Beispielsweise wird seitens der Spielvereinigung 05 O. berichtet, es sei „3–4-mal wöchentlich“ trainiert worden. Zusätzlich habe „ein Punktspiel am Wochenende“ stattgefunden. „In der Vorbereitungszeit, also im Januar und im Juni/Juli wird sogar täglich trainiert, respektive gespielt“. Welche Zeitdauer pro Trainings- oder Spieltag dabei tatsächlich angefallen ist, erschließt sich nicht.

Über die darauffolgenden 2 Jahre bei der TGM SV J. gibt es keinerlei Informationen zum zeitlichen Umfang kniebelastender Tätigkeiten.

Anschließend ist Herr K. 2 Jahre für den Fußballverein Bad V. in der Oberliga tätig. Auch hierzu liegen keine präzisen Angaben zur zeitlichen Kniebelastung pro Tag vor. Allerdings wird vereinsseitig von einer durchschnittlichen Inanspruchnahme an 5 Tagen pro Woche gesprochen.

Vom 01.07.2001 bis 30.06.2002 – also über mehr als ein Jahr – spielt Herr K. für den VFR M. Detaillierte Angaben über die Einsatzzeiten seien „... nicht mehr möglich“. In Anbetracht des vertraglich vereinbarten Mindesthonorars von 4.200,00 DM sowie den angegebenen „Trainingszeiten 4–5-mal pro Woche“ mit einem zusätzlichen „Fußballspiel am Wochenende“ wird allerdings deutlich, dass während jener Zeit nicht nur Lauftraining und taktische Besprechungen erfolgt sind, sondern über wenigstens 160 Minuten pro Arbeitstag sowie über 5 Arbeitstage pro Woche eine effektiv meniskusbelastende Beschäftigung absolviert wurde.

Dies gilt ebenso für eine Tätigkeit des Herrn K. bei der TSG H.; etwa 2 Monate nach deren Beginn diagnostiziert der Mannschaftsarzt eine Zusammenhangstrennung am rechten Innenmeniskushinterhorn, die umgehend arthroskopisch saniert wird (Abb. 4). Ein Knorpelschaden zeigt sich dabei nicht.

Die arbeitstechnischen Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht sicher zu ermitteln. Herr K. hatte bis zur Feststellung seines Meniskusschadens mindestens eine 14-monatige – also mehr als einjährige – Beschäftigung im Hochleistungsfußballsport zurückgelegt. Wenigstens während jener Zeit sind 160 Minuten kniebelastender Tätigkeit pro Arbeitsschicht angefallen (u.a. gefordert vom Sozialgericht Hamburg, 04.04.2008, S 40 U 75/07). Die im Merkblatt [1] vorausgesetzte „Mehrjährigkeit“ wird vorliegend insofern erfüllt, als ein gut dokumentierter Expositionszeitraum von über einem Jahr bis zum Eintritt des Schadens erreicht wird und durchaus wahrscheinlich ist, dass bereits zuvor zurückgelegte Expositionszeiten zusätzlich berücksichtigt werden müssen.

Das Hessische Landessozialgericht (HLSG) hat jenen Meniskusschaden mit Urteil vom 30.09.2013 als Berufskrankheit anerkannt (L 9 U 214/09, nachzulesen in der Urteilsdatenbank des HLSG) und ist dabei den hier vorliegenden Ausführungen gefolgt.

Fazit

Es existiert kein belastungsspezifisches Schadensbild für die BK 2102. Selbst dann, wenn die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt werden, was im Einzelfall schwer zu belegen sein kann, ist der Medizinische Sachverständige in seiner Bewertung weitgehend auf Analogieschlüsse und Plausibilitätsüberlegungen angewiesen. Dies gilt bereits für den Untertagearbeiter – umso mehr aber für einen Leistungsfußballer.

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors bestehen.

Korrespondenzadresse

Dr. Jürgen Hettfleisch

medexpert

Darmstädter Straße 29

64331 Darmstadt-Weiterstadt

info@medexpert.ws

Literatur

1. Merkblatt zur BK 2102, Bekanntmachungen des BMA, BarbBl 2/1999; 135

2. Pressel G. Der chronische Meniskusschaden als Berufskrankheit. Habilitationsschrift der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt/M. 1985

3. Ludolph, E.: Berufskrankheit „Meniskopathie“. Trauma Berufskrankheit 1999; 1: 139–147

4. Wenzl, M.E., Fuchs, S.: Berufsbedingte Erkrankungen des Meniskus. Trauma und Berufskrankheit 2001; 3: 138–142

5. Thomann, K.D., Schröter, F., Grosser, V. (Hrsg.): Orthopädisch-Unfallchirurgische Begutachtung, Elsevier Verlag München, 2. Auflage 2012

6. Jerosch, J., Castro W.H., Halm, H., Assheuer, J.: Kernspintomographische Meniskusbefunde bei asymptomatischen Probanden. Unfallchirurg 1993; 96: 457–61

7. Schönberger, A., Mehrtens, G., Valentin, H. (Hrsg.): Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Erich-Schmidt-Verlag, Berlin, 2010

8. Schiltenwolf, M., Rompe, G.: O-Bein- und Meniskusschaden. Trauma Berufskrankheit 2000; 2: 195–200

Fussnoten

1 medexpert, Darmstadt

2 Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz

SEITE: 1 | 2