Originalarbeiten - OUP 06/2013

Diagnostik und Therapie der akuten Patellaluxation

M. Krüger-Franke1, B. Schurk1, A. Kugler1, A. Englert1

Zusammenfassung: Die Luxation der Patella ist eine häufige Verletzung des Kniegelenks, insbesondere bei
Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Indikation zur
konservativen und operativen Therapie sowie die Wahl der
geeigneten Operationsmethode werden weiterhin kontrovers diskutiert. Die Bedeutung des MPFL für die mediale Stabilität der Patella ist bewiesen, die Problematik der Dysplasie der Trochlea femoris und deren Therapie wird zunehmend berücksichtigt und ein Therapieansatz, der sich an den pathologischen Veränderungen des Patellofemoralgelenks orientiert, ist zu
favorisieren. Die laterale Retinakulumspaltung hat in der Behandlung der akuten Patellaluxation keinen Stellenwert mehr.

Schlüsselwörter: Patellaluxation, MPFL, Patellainstabilität, Dysplasie, Kniegelenk

 

Zitierweise

Krüger-Franke M, Schurk B, Kugler A, Englert A: Diagnostik und
Therapie der akuten Patellaluxation. OUP 2013; 6: 284–287.
DOI 10.3238/oup.2013.0284–0287

Summary: Patella dislocation is a common injury of the knee joint among adolescents and young adults. The indication for conservative or operative therapy is not clear; and which kind of operative technique for patella stabilization seems appropriate, is still under discussion. The importance of MPFL is proven, the problem of trochlea dysplasia and its therapy seems still unsolved. Nevertheless trochleaplasty is one of the options in operative therapy and the way of choosing the right therapy according to the complex pathologies is more and more accepted. Lateral release is no longer part of the therapy options in acute patella dislocation.

Keywords: Patella dislocation, MPFL, Patella instability, Patella dysplasia, knee joint

 

Citation

Krüger-Franke M, Schurk B, Kugler A, Englert A: Diagnosis and therapy of acute patella dislocation. OUP 2013; 6: 284–287. DOI 10.3238/oup.2013.0284–0287

Einleitung

Die Patella ist ein Sesambein, eingelagert in die Quadrizepssehne proximal und die Patellasehne distal, gehalten von den beiden Retinakula medial mit dem eingelagerten Verstärkungsband, dem medialen patellaofemoralen Ligament (MPFL), lateral durch das 2-schichtige laterale Retinakulum. Die Führung der Kniescheibe wird entscheidend bestimmt durch die Form der Patella selbst und der sog. Trochlea, der Gleitrinne der Kniescheibe, sowie durch die Position der Patella relativ zur Trochlea.

Die Stabilität der Patella wird bestimmt durch 3 Faktoren. Statische Stabilisatoren sind die knöchernen Gelenkpartner und deren Formgebung, passive Stabilisatoren sind die Retinakula, medial verstärkt durch das MPF; und aktive Stabilisatoren sind die Muskeln des M. quadrizeps femoris.

Die Patellaluxation ist eine Verletzung der Jugend, der Altersgipfel liegt zwischen 10 und 20 Jahren [1] und sie ist die zweithäufigste Ursache für einen Hämarthros des Kniegelenks nach der vorderen Kreuzbandruptur [2].

Die Ursache für eine Patellaluxation ist sehr häufig eine Sportverletzung, dies wird in verschiedenen Studien mit bis zu 72 % der Fälle als Ursache angegeben [3].

Man unterscheidet zwischen einer traumatischen und einer habituellen Patellaluxation; dies dann, wenn kein Trauma als Erstursache vorliegt und meist eine schwere Dysplasie der knöchernen Statischen Stabilisatoren gefunden werden kann. Auch bei den traumatischen Patellaluxationen muss man bei genauer Unfallanalyse allerdings feststellen, dass es sich mehrheitlich um eine „geringtraumatische“ Luxation handelt [4, 5].

Die Inzidenz der Patellaluxation ist beim weiblichen Geschlecht höher als beim männlichen Geschlecht, Grund dafür scheint die stärkere Ausprägung der dysplastischen Faktoren des Gelenks zu sein [4, 5].

Die traumatische Patellaerstluxation ist ein sehr schmerzhaftes und beeindruckendes Erlebnis für den Patienten, die Reposition erfolgt manchmal spontan, manchmal ist sie nur durch eine therapeutische Intervention zu erreichen und erfordert in allen Fällen anschließend eine klinische und bildgebende Diagnostik mit Festlegung einer definitiven Therapie. Hinsichtlich dieser Therapie gibt es noch keinen absoluten Konsens in der Literatur, die Indikation zu operativer oder konservativer Therapie der Patellaerstluxation ist weiterhin in der Diskussion.

Im folgenden Beitrag sollen Empfehlungen zu therapeutischen Maßnahmen entsprechend des Verletzungsmusters und der -schwere unter Berücksichtigung der eventuell vorliegenden Dysplasie-Faktoren des patello-femoralen Gelenks gegeben werden.

Diagnostik

Patienten mit einer akuten Patellaluxation weisen meist eine erhebliche Schwellung des Kniegelenks auf, eine Kombination aus einem intraartikulären Erguss und einer periartikulären Weichteilschwellung.

Die Patienten können oft sagen, dass die Kniescheibe subluxiert oder luxiert war, manchmal kann sich der Patient aber auch nicht erinnern, da die Patellaluxation sehr schmerzhaft ist und in einem Sekundenbruchteil passiert war. Manche Patienten berichten, das Knie sei nach innen weggestanden, da die Kniescheibe nach lateral luxiert war. Dies entspricht der Realität allerdings nur relativ selten und sollte nicht zu falschen Verdachtsdiagnosen führen.

Die klinische Untersuchung zeigt natürlich eine ausgeprägte Schmerzhaftigkeit des Gelenks, aber auch bereits auf die Diagnose hinweisende druckdolente Areale: Medialer Patellarand als Zeichen der Kontusion dort, manchmal kombiniert mit einer patellanahen Ruptur des MPFL, die nach Petri [6] bei jüngeren Patienten häufiger ist als bei älteren.

Weiterhin kann sich eine Druckdolenz im Bereich des femoralen Ansatzes des MPFL nahe dem Tuberculum adductorium, im Falle einer dort lokalisierten MPFL-Ruptur zeigen, nach Petri [6] häufiger bei älteren Patienten.

In jedem Fall einer kompletten Patellaluxation findet sich eine Druckdolenz am lateralen Femurkondylus, entstanden durch die Kontusion des medialen Patellarandes mit der lateralen Kondyle im Zuge der Reposition der Luxation.

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