Originalarbeiten - OUP 03/2012

Die allogene Knochentransplantation unter DRG Gesichtpunkten
The allogenic bone transplantation in the DRG system

M. Boos1, Ch. Neuhäuser1, J. Jerosch1

Zusammenfassung: Die allogene Knochentransplantation hat nach wie vor große Bedeutung in der orthopädischen Chirurgie und Unfallchirurgie. Mit steigenden Zahlen an Revisionsoperationen von Endoprothesen wird dieses Thema in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Gerade in Zeiten strenger werdender Anforderungen an das Führen einer lokalen Knochenbank stellt sich die Frage nach der Kosteneffizienz. Anhand des aktuellen DRG Groupers für 2012 wurde für unterschiedliche Diagnosen die Erlössituation im DRG-System bei Verwendung von allogenem Knochenmaterial kalkuliert. Die Analyse der DRG-Relevanz bei Verwendung von allogenem Kochen zeigt heterogene Ergebnisse. Hier ist z.T. gar keine Erlösrelevanz feststellbar, z.B. bei Revisionsoperationen an Knieprothesen. In einer Vielzahl von Fällen löst die Verwendung von allogenem Knochen jedoch eine deutlich höhere Vergütung aus. Bei Hüft-Prothesen-Wechsel erhöht sich der Erlös deutlich ebenso bei Pseudarthrosen oder bei Tumorauffüllungen. Einen hohen Zuwachs hat auch die Spondylodese bei degenerativen Erkrankungen. Die Umstellungsosteotomie an der Tibia führt bei Verwendung von allogenem Knochen ebenso zu einer Erlössteigerung. Die Verwendung von allogenem Knochenmaterial ist bei einer Vielzahl von Eingriffen im Bereich der Haltungs- und Bewegungsorgane medizinisch sinnvoll und betriebwirtschaftlich nicht schädlich.

Schlüsselwörter: Knochentransplantation, DRG, 2012

Abstract: The use of allogeneic bone material in orthopaedic surgery is of high interest. Growing numbers of endoprosthetic operations and consecutive revision operations lead to growing interest in this matter. Stricter requirements to running lokal bone banks need analyzing cost efficacy. With a 2012 DRG grouper we calculated for different diagnosis the use of allogenic bone tissue. For most of the procedures there is an increase in the CW, except for knee revision surgery. In THR revision there is also an increase as in the treatment of nonunions or in tumor surgery. There is also a significant increase in degenerative low back surgery, as well as in high tibia osteotomies. The use of allogenic bone material is usefull in many orthopedic operations. Cost analysis shows an increase in payment in the DRG-System in a lot of orthopaedic procedures using allogeneic bone.

Keywords: bone transplantation, DRG, 2012

Einleitung

Die Notwendigkeit zur Überbrückung bzw. Auffüllung von Knochendefekten stellt in der orthopädischen Chirurgie und in der Unfallchirurgie eine wichtige Säule der operativen Therapie dar. Dies ist besonders im Bereich der Revisionsendoprothetik von Knie [1] und Hüfte [2, 3], aber auch im Bereich der Wirbelsäulenchirurgie [4, 5] sowie der Behandlung von Pseudarthrosen [6] der Fall. Ein weiteres breites Einsatzspektrum bildet die operative Behandlung von Knochentumoren [7].

Der Goldstandard zur Überbrückung von Kochendefekten ist nach wie vor die autologe Knochentransplantation [8]. Bei der autologen Knochenentnahme reicht die entnommene Spongiosamenge zur notwendigen Defektfüllung jedoch oftmals nicht aus, oder dem Patienten wurde bereits bei einer Voroperation Knochen aus dem Beckenkamm entnommen und steht somit einer weiteren autologen Spongiosaentnahme nicht mehr zur Verfügung. Ein weiterer Faktor ist die Komorbidität der Entnahmestelle wie z.B. Scherzsymptome oder der Abriss der Spina iliaca anterior superior. In den letzten Jahren ist seitens der Industrie eine Vielzahl von Alternativen zur autologen Spongiosa auf den Markt gekommen. Eine weitere Alternative zur autogenen stellt die allogene Knochentransplantation dar. Allogener Knochen wird entweder aus lokalen Knochenbanken entnommen oder von kommerziellen Knochenbanken bezogen. Mit Umsetzung der Richtlinie 2004/23/EG vom 31.03.2004 des Europäischen Parlamentes und der Überführung in nationales Recht sind die Grundvoraussetzungen zum Führen einer lokalen Knochenbank deutlich verschärft worden [9, 10, 11]. Seitdem haben viele Krankenhäuser ihre bestehenden lokalen Knochenbanken aufgegeben und kaufen allogenen Knochen von kommerziellen Knochenbanken.

Ziel der vorliegenden Untersuchung war die finanzielle Abbildung des hausintern hergestellten allogenen Knochentransplantates aus gespendeten Femurköpfen von Patienten, die mittels primärer Hüft-Totalendoprothese im DRG-System versorgt wurden.

Methoden

Anhand des aktuellen DRG Groupers für 2012 wurde für unterschiedliche Diagnosen die Erlössituation im DRG-System bei Verwendung von allogenem Knochenmaterial kalkuliert. Hierzu wurde der Web-Grouper DRG Research Group der Universität Münster verwendet (http://drg.uni-muenster.de/).

Ergebnisse

Die Analyse der DRG-Relevanz bei Verwendung von allogenem Kochen zeigt heterogene Ergebnisse. Hier ist z.T. gar keine Erlösrelevanz feststellbar, z.B. bei Revisionsoperationen an Knieprothesen. In einer Vielzahl von Fällen löst die Verwendung von allogenem Knochen jedoch eine deutlich höhere Vergütung aus. Bei Hüft-Prothesenwechsel erhöht sich der Erlös deutlich (Abb.1) ebenso bei Pseudarthrosen oder bei Tumorauffüllungen (Abb.2). Einen starken Erlöszuwachs hat auch die Spondylodese bei degenerativen Erkrankungen. Die Umstellungsosteotomie an der Tibia führt bei Verwendung von allogenem Knochen ebenso zu einer Erlössteigerung (Abb.3). Weitere Beispiele zur Erlösrelevanz bei Verwendung von allogenem Knochen sind Tabelle 1 zu entnehmen.

Diskussion

In Zeiten hoher Ansprüche an das Führen einer Knochenbank stellt sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit an das Betreiben einer lokalen Knochenbank.

In unserem Haus findet das Marburger Knochenbanksystem Anwendung. Dabei handelt es sich um ein gut etabliertes und valides Verfahren [12].

In einer Vielzahl von Operationen liegt die Erlösrelevanz deutlich höhere DRG-Einstufung, wenn man allogenes Knochenmaterial verwendet. Bemerkenswert dabei ist die fehlende Systematik. Während Revisionsoperationen an Hüft-Totalendoprothesen mit einer deutlichen Erlössteigerung einhergehen, führt die Verwendung von allogenem Knochen bei Knie-Totalendoprothesen-Revisionen zu keinem Mehrerlös. Bei der Versorgung von Pseudarthrosen ist die Mehrvergütung variabel. Die Auffüllung von tumorösen Defekten ist im Allgemeinen sehr gut abgebildet. Fusionen an der LWS bei degenerativen Erkrankungen ziehen eine Vergütungssteigerung nach sich, während Stabilisationen bei Frakturen an der LWS keinen Effekt in der Vergütung zeigen.

Vergleicht man allogene Knochentransplantation und Knochenersatzstoffe, so zeigt sich, dass beide Verfahren in der gleichen DRG eingruppiert werden. D.h., die Erlössteigerung ist im Allgemeinen die gleiche. Da der hauseigen hergestellte allogene Knochen deutlich günstiger ist als Knochenersatzstoffe, kann man die Zugewinn-spanne deutlich steigern.

Im Vergleich autogene vs. allogene Knochentransplantation im DRG-System ist festzuhalten, dass die autologe Knochentransplantation im Allgemeinen zu keiner Aufwertung der DRG führt. Lediglich bei zwei der ermittelten Verfahren kam es zu einer Aufwertung der DRG bei Verwendung von autologem Knochen. Hierbei handelt es sich um die Defektauffüllung gutartiger Knochentumore am Femur (I08F) und die Versorgung der pathologischen Fraktur am Femur (I08E) mit Verwendung von autologer Spongiosa.

Die Fallpauschalen wurden exemplarisch für Patienten ohne DRG-relevante Nebendiagnosen erhoben. Hier kann es zu Veränderungen der Erlösrelevanz kommen, falls der betreffende Patient durch Nebendiagnosen bereits in eine höhere Entgeltstufe eingruppiert wird.

Fazit und klinische Relevanz: Die Verwendung von allogenem Knochenmaterial ist bei einer Vielzahl von Eingriffen im Bereich der Haltungs- und Bewegungsorgane medizinisch sinnvoll und betriebwirtschaftlich nicht schädlich.

Korrespondenzadresse

Prof.Dr.med.Dr.h.c. Jörg Jerosch

Johanna-Etienne-Krankenhaus

Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin

Am Hasenberg 46

41462 Neuss

E-Mail: j.jerosch@ak-neuss.de

Literatur

1. Bezwada HP, Shah AR, Zambito K et al. Distal femoral allograft rekonstruction for massive osteolytic bone loss in revision total knee arthroplasty. J Arthroplastie 2006; 21:242–248

2. Beswick A, Blom AW. Bone graft substitutes in hip revision surgery: A comprehensive overview. Injury 2011; in press

3. Blom AW, Wylde V, Livesey C. Impaction bone grafting of the acetabulum at hip revision using a mix of bone chips and a biphasic porous ceramic bone graft substitute. Acta Orthop 2009; 80:150–154

4. Grauer JN, Beiner JM, Kwon B et al. The evolution of allograft bone for spinal applications. Othropedics 2005; 28(6):573–577

5. Muramatsu K, Hachiya Y, Izawa H et al. Remodeling of heat-treated cortical bone allografts for posterior lumbar interbody fusion: serial 10-year follow-up. Cell tissue bank 2011; Jul 20 Epub

6. Wei-Peng L, Jinn L. Allografting in locked nailingand interfragmentary wiring for humeral nonunions. Clin Orthop Relat Res 2010; 468: 852–860

7. Potter BK, Adams SC, Pitcher JD et al. Proximal humerus reconstructions for tumors. Clin Orthop Relat Res 2009; 467(4); 1035–41

8. Burchard H: The biology of bone graft repair. Clin Othrop 1983; 174: 28–52

9. Bundesärztekammer – Wissenschaftlicher Beirat. Richtlinien zum Führen einer Knochenbank. Dtsch Ärztebl 2001; 98(15): A1011–1016

10. Bundesministerium der Justiz (2003) 11. Bekanntmachung der für den Vollzug des Arzneimittelgesetzes zuständigen Behörden, Stellen und Sachverständigen. Bundesanzeiger vom 30.09.2003, 55(183a): 6–52

11. Pruss A, Knaepler H, Katthagen BD et al. Auswirkungen der EU-Geweberichtlinie 2004/23/EG auf deutsche Knochenbanken. Orthopäde 2005; 34: 1160–1168

12. Pruss A: Comparison of the efficiacy of virus inactivation methods in allogeneic avital bone tissue transplants. Cell and Tissue Banking2001; 2: 201–215

13. Pruss A., Seibold M, Benedix F, et al. Validation of the ‘Marburg bone bank system’ for thermodisifection of allogneic femoral head transplants using selected bacteria, fungi and spores. Biologicals 2003; 31: 287–294

14. Flören M, Kappe T, Reichel H. Effektivitätsanalyse einer klinikinternen allogenen Knochenbank. Orthopäde 2007; 36: 667–672

15. Mall N, Ryan M, Kirk E, et al. The fate of grafting acetabular defects during revision total hip arhtroplasty, Clin Orthop Relat Res 2010; 468: 3286–3294

Fussnoten

1 Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Johanna-Etienne-Krankenhaus, Neuss

DOI 10.3238/oup.2012.0100-0106

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