Übersichtsarbeiten - OUP 02/2018
Die juvenile Knochenzyste des Calcaneus
Andreas Toepfer1, Stephan Keller1, Jan Meester1
Zusammenfassung: Zystische Läsionen des Calcaneus können die Ursache unklarer Fersenschmerzen darstellen, aber auch als Zufallsbefund in der radiologischen Abklärung von Sprunggelenkverletzungen auffallen. Nicht zuletzt sollte ein tumoröses Geschehen im Rahmen der differenzialdiagnostischen Abklärung ausgeschlossen werden, da der Rückfuß bevorzugte Lokalisation ossärer Neubildungen von Fuß und Sprunggelenk darstellt. Häufigste Entität gutartiger Knochentumoren stellt hierbei die simple Knochenzyste des Calcaneus dar, welche wiederum strikt von pseudotumorösen Läsionen wie intraossären Ganglien oder Arthrosezysten sowie physiologischen Normvarianten des Fersenbeins differenziert werden muss. Die Kenntnis relevanter Differenzialdiagnosen und adäquater Therapiemaßnahmen stellt die Voraussetzung dar, eine Über- oder Untertherapie des betroffenen Patienten zu vermeiden.
Ziel dieses Beitrags ist es, einen Überblick über dieses z.T. kontrovers diskutierte Thema zu bieten. Relevante Differenzialdiagnosen, etablierte Diagnoseverfahren und moderne Therapiemöglichkeiten werden aufgezeigt.
Schlüsselwörter: Calcaneuszyste, juvenile Knochenzyste, intraossäres Lipom, Fersenschmerz
Zitierweise
Toepfer A, Keller S, Meester J: Die juvenile Knochenzyste des Calcaneus. OUP 2018; 7: 107–113 DOI 10.3238/oup.20187.0107–0113
Summary: Cystic lesions of the calcaneus may be the cause of unspecific heel pain, but can also present as an incidental finding in the radiological evaluation of foot and ankle injuries. Last but not least, tumorous lesions should be considered in the differential diagnosis of unclear heel pain, since the hindfoot is the most commonly affected site for osseous neoplasm of the foot and ankle joint. Here, the most common entity of benign bone tumors is the unicameral bone cyst of the calcaneus, which must be strictly differentiated from pseudo-tumorous lesions such as intraosseous ganglia or degernerative cysts as well as physiological norm variants of the heel bone. The knowledge of relevant differential diagnoses and adequate therapeutic measures is the prerequisite for avoiding over- or undertreatment of the affected patient.
The purpose of this article is to provide an overview of this controversial topic. Relevant differential diagnoses, established diagnostic procedures and modern therapeutical options will be discussed.
Keywords: calcaneal bone cyst, unicameral bone cyst, intra-osseous lipoma, heel pain
Citation
Toepfer A, Keller S, Meester J: Unicameral bone cyst of the calcaneus. OUP 2018; 7: 107–113 DOI 10.3238/oup.20187.0107–0113
1 Kantonsspital St. Gallen, Klinik für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, St. Gallen, Schweiz
Definition
Die juvenile Knochenzyste (synonym solitäre Knochenzyste) wird entsprechend der Klassifikation der Word Health Organisation (WHO) als tumour of undefined neoplastic nature definiert. Häufig wird stattdessen jedoch der Begriff „tumor-like lesion“ verwendet, was terminologisch inkorrekt ist und der Begrifflichkeit des Pseudotumors (Beispiel: Ganglion) entspricht. Im deutschen Sprachgebrauch hat sich die Bezeichnung juvenile, simple oder solitäre Knochenzyste etabliert. Die juvenile Knochenzyste ist charakterisiert durch eine intramedulläre, meist einkammerige („unicameral“) Knochenhöhle (UBC, unicameral bone cyst), welche mit seröser, seltener sero-sanguiner Flüssigkeit gefüllt ist. Die Höhle wird durch eine dünne, fibröse Membran von weißlicher Farbe ausgekleidet [1]. Die juvenile Knochenzyste findet sich am Fuß fast ausschließlich am Calcaneus im Bereich des Wardschen Dreiecks im ventralen triangulären Bereich zwischen den Haupttrabekelgruppen (Diard’s Area 6, Abb. 1) [2] und wird dann auch als Calcaneuszyste bezeichnet.
Ätiologie
Die Ursache juveniler Knochenzysten bleibt unklar. Eine venöse Abflussbehinderung und intraossäre Druckerhöhung scheint wahrscheinlich [3]. Die calcaneare, simple Knochenzyste unterscheidet sich histopathologisch nicht von juvenilen Knochenzysten anderer Skelettabschnitte. Der Pathologe kann deshalb ohne Angaben zur Lokalisation der Zyste keine Aussage treffen, wo sich die entsprechende Läsion befindet. Die Einlagerung von Cholesterinkristallen scheint in der Zystenwand calcanearer Zysten häufiger nachweisbar zu sein als in Zysten nicht belasteter Skelettabschnitte. Dies scheint auf eine mögliche Traumatisierung und Hämorrhagie des belasteten Knochen zurückzuführen sein [4, 5].
Epidemiologie
Muskuloskelettale Tumoren sind im Vergleich zu anderen Neoplasien selten [6]. Bezogen auf die anteilige Körpermasse des Fußes wird diese Region jedoch überproportional häufig von bestimmten tumorösen Neubildungen betroffen [7, 8, 9, 10, 11]. Einige Entitäten zeigen dabei eine besondere Prädilektion für bestimmte Knochen des Fußskeletts. Der Rückfuß stellt in allen größeren Studien zu Verteilungsmustern von Fußtumoren die häufigste Lokalisation gutartiger Knochentumoren dar [8, 9, 10]. Während der Talus typischerweise von aneurysmatischen Knochenzysten befallen wird, stellt der Calcaneus die Prädilektionsstelle für juvenile Knochenzysten und intraossäre Lipome dar [10].
Im eigenen Patientengut waren 29 von 43 Patienten mit einer juvenilen Knochenzyste des Calcaneus männlich. Das Alter der Patienten mit Calcaneuszysten lag mit durchschnittlich 19,1 Jahren im eigenen Patientengut ca. 10 Jahre über dem Altersdurchschnitt der Lokalisationen an den langen Röhrenknochen. Das Verteilungsmuster der Studie zeigte, dass die absolute Mehrheit juveniler Knochenzysten von Fuß und Sprunggelenk im Calcaneus lokalisiert ist (43 von 50), die übrigen Fälle fanden sich im Bereich der distalen Tibia (n = 7) [12].
Genaue Angaben zur Prävalenz der Calcaneuszyste existieren nicht. Ein Großteil benigner Knochenläsionen bleibt aufgrund fehlender Symptomatik häufig unentdeckt oder erscheint lediglich als Zufallsbefund. Außerdem fehlt im Gegensatz zu malignen Neoplasien ein zentrales Tumorregister. Die vorhandenen Daten beruhen deshalb auf Fallserien. Auch andere Autoren kommen zu der Feststellung, dass die Calcaneuszyste einer der fünf häufigsten gutartigen Knochentumoren des Fußskeletts darstellt [8, 9, 10].
Klinik
An der unteren Extremität lokalisiert, kann die juvenile Knochenzyste beharrliche Schmerzen verursachen und damit eine chirurgische Therapie rechtfertigen [13]. Neben Schmerzen stellt die drohende pathologische Fraktur eine weitere Indikation für die operative Behandlung dar. Das Risiko einer pathologischen Fraktur ist entsprechend den Pogoda-Kriterien ab einer bestimmten Größe der Läsion so erhöht, dass eine prophylaktische Ausräumung und Auffüllung der Zyste selbst bei asymptomatischem Verlauf diskutiert werden muss. Die kritische Größe ist erreicht, wenn 100 % des mediolateralen Querschnitts in der koronaren Ebene und mehr als 30 % in der Sagittalebene von der Zyste eingenommen werden [14].
Calcaneusfrakturen sind häufig mit einer dauerhaften Beeinträchtigung der Funktion und deutlichen Einschränkungen im alltäglichen Leben des betroffenen Patienten assoziiert [15]. Bei einer zugrunde liegenden calcanearen Knochenzyste ist die Möglichkeit der anatomischen Rekonstruktion einer Fraktur aufgrund der deutlich reduzierten Knochensubstanz und der eierschalenartig ausgedünnten Kortikalis zusätzlich erschwert (Abb. 2). Insofern gilt es, potenziell frakturgefährdete Osteolysen des Fersenbeins korrekt zu diagnostizieren und zu therapieren.
Nicht selten fällt eine Osteolyse als Zufallsbefund auf. In der bildgebenden Diagnostik nach Distorsionen oder Sprunggelenkfrakturen ist dies keine absolute Seltenheit (Abb. 3). Kann in der weiterführenden Diagnostik eine simple Knochenzyste als Ursache der Osteolyse eruiert werden, so sollte auch bei beschwerdefreien Befunden ein mögliches Frakturrisiko abgeklärt und, falls notwendig, eine prophylaktische Therapie empfohlen werden.
Differenzialdiagnosen und Diagnostik
Sobald eine osteolytische Knochenläsion des Calcaneus konventionell radiologisch erkannt wird, ist eine weitere Abklärung mittels MRT indiziert. Zahlreiche tumorähnliche Läsionen können ebenso wie benigne und maligne Tumoren als Ursache der Osteolyse in Frage kommen. Eine aufschlussreiche Analyse hierzu bietet die Arbeit von Weger et al., welche bei der Analyse von 92 Osteolysen des Calcaneus in 38 Fällen (41 %) eine Diskrepanz zwischen radiologischem Befund und definitiver histopathologischer Diagnose feststellen konnten (Abb. 4) [16]. „Diard’s area 6“, also der Bereich zwischen den Haupttrabekelgruppen, war in dieser Multizenterstudie in 80 % der Fälle (n = 64) Ausgangspunkt der osteolytischen Knochenläsion. In 17 Fällen (18 %) war ein Malignom Ursache der Osteolyse. Diese Daten unterstreichen, dass vor der geplanten Operation einer unklaren Raumforderung eine genaue Analyse der radiologischen Befunde und ggf. eine histopathologische Verifizierung der Diagnose mittels Biopsie durch einen muskuloskelettalen Tumorexperten ratsam sind, um Fehldiagnosen und unnötige Eingriffe zu vermeiden.
Das intraossäre Lipom des Calcaneus kann von einer einfachen Knochenzyste in der konventionellen Röntgenuntersuchung nur dann unterschieden werden, wenn eine zentrale Verkalkung vorliegt (Abb. 5). Diese Verkalkungen sind typisch, aber nicht obligatorisch für ein intraossäres Lipom und werden als Nidus oder Sequestrum bezeichnet. Das intraossäre Lipom stellt wohl lediglich eine regressive Entwicklungsstufe der simplen Knochenzyste dar. Unterschiedliche Untersuchungen verschiedener Autoren kommen zu diesem Schluss [14, 17, 18, 19]. Histologische Analysen von Pogoda et al. zeigen, dass Läsionen, die radiologisch als intraossäre Lipome eingeschätzt werden, in der Tat simple Knochenzysten des Calcaneus sind [14]. Die für simple Knochenzysten typischen gitter- bzw. tennisnetzartigen Zystenwandanteile lassen sich regelmäßig auch bei intraossären Lipomen finden. Umgekehrt zeigen eigene Untersuchungen sowie Ergebnisse von Amling et al. [17], dass simple Knochenzysten des Calcaneus häufig zentrale Kalzifikationen aufweisen und nicht selten intraoperativ lipomatöse Anteile in der Knochenhöhle gefunden werden können. Ein Nebeneinander von Lipom und flüssigkeitsgefüllter Zyste ist bei einer hochauflösenden Ossoskopie nicht ungewöhnlich (Abb. 6) [20, 21]. Auch andere Autoren beobachten die Ablagerung von Fett in degenerierten einfachen Knochenzysten [22]. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass zwei Begriffe für ein und dieselbe Entität verwendet werden. Je nach Alter der Läsion lassen sich regelmäßig typische degenerative Veränderungen mit intraläsionalen Verkalkungen und einer lipomatösen Transformation feststellen. So lag im eigenen Patientengut das durchschnittliche Alter juveniler Knochenzysten des Calcaneus bei 19,4 Jahren, das für intraossäre Lipome bei 39,4 Jahren.
Neben dem intraossären Lipom ist die aneurysmatische Knochenzyste (AKZ) eine weitere wichtige, wenn auch seltene Differenzialdiagnose osteolytischer Läsionen des Calcaneus. Aufgrund ihres aggressiveren biologischen Verhaltens erfordert sie einen unterschiedlichen therapeutischen Ansatz. Bereits in der Diagnostik muss hier häufig ein anderer Weg eingeschlagen werden: Da das teleangiektatische Osteosarkom eine relevante Differenzialdiagnose der AKZ darstellt und bildgebend häufig nicht sicher ausgeschlossen werden kann, wird von einigen Experten für die Sicherung der Diagnose zunächst eine histopathologische Verifikation mittels (offener) Biopsie empfohlen. Bei der Diagnostik osteolytischer Läsionen des Calcaneus sind jedoch eine Vielzahl von Differenzialdiagnosen zu berücksichtigen [16]. Präoperative Röntgenaufnahmen des Fersenbeins und der benachbarten Knochenabschnitte in 2 Ebenen sind obligat, aber meist nicht ausreichend und sollten daher durch eine MRT- und eine CT-Untersuchung ergänzt werden [23]. Sollte eine osteolytische Läsion des Calcaneus durch die Schnittbildgebung nicht weiter eingegrenzt werden können, muss eine (offene) Probebiopsie diskutiert werden.
Weitere erwähnenswerte Differenzialdiagnosen stellen eine physiologische Rarefizierung der Trabekelstruktur im Wardschen Dreieck [24, 25] und sog. Vakatfett (DD Intraossäres Lipom) dar. An dieser Stelle ist deshalb festzuhalten, dass tumoröse Raumforderungen des Os calcis strikt von einer physiologischen Rarefizierung der calcanearen Knochenstruktur im zentralen ventralen Dreieck zwischen den Haupttrabekelgruppen differenziert werden müssen [24, 25]. Analog zum proximalen Femur existiert auch am Fersenbein ein Ward-Dreieck („Ward’s neutral triangle“ [26]), welches nach Diard et al. auch als „Area 6“ bezeichnet wird (Abb. 1) [2].
Prinzipiell muss jede andere potenzielle Ursache einer Osteolyse (Sarkom, Metastase, Osteomyelitis ...) in der Differenzialdiagnostik berücksichtigt werden. Im Röntgenbild ist die simple Knochenzyste charakterisiert durch eine vermehrt röntgentransparente Knochenläsion bzw. Osteolyse, welche meist meta-diaphysär gelegen ist und keine oder nur eine geringe Randsklerose aufweist (Typ Lodwick 1b).
Im Bereich der Röhrenknochen ist eine Expansion des betroffenen Knochenabschnitts möglich, am Calcaneus wird dieses Phänomen in der Regel nicht beobachtet. Die Kortikalis zeigt sich am Calcaneus häufig ausgedünnt, aber intakt, solange keine pathologische Fraktur eingetreten ist. Die CT zeigt einen homogen hypodensen Inhalt (HE-Werte 10–20) bei ausgedünnter Compacta [27]. Die Computertomografie bietet für pathologisch frakturierte Knochenzysten die exakteste Darstellung der Fragmente und erleichtert die präoperative Planung. In allen anderen Fällen bleibt die MRT für eine Schnittbildgebung juveniler Knochenzysten die Methode der Wahl. In der MRT zeigt sich gelegentlich eine feine Septierung der flüssigkeitsgefüllten Knochenhöhle, der flüssige Inhalt einer UBC nimmt gewöhnlich kein Kontrastmittel auf. Multiple Spiegelbildungen der serösen Flüssigkeit sind nicht typisch und nur bei frakturierten oder eingebluteten simplen Knochenzysten zu erwarten.
Therapie
Obwohl die definitive Diagnose einer intraossären Läsion nur durch eine histopathologische Analyse möglich ist, sind CT und MRT des intraossären Lipoms und der juvenilen Knochenzyste sehr typisch und erlauben üblicherweise eine operative Versorgung ohne vorherige bioptische Sicherung der Diagnose. Die Indikation zur operativen Versorgung beider Entitäten besteht bei symptomatischen Fällen oder einer drohenden pathologischen Fraktur [14, 28, 29, 30]. Andere Autoren propagieren, asymptomatische Zufallsbefunde gar nicht zu operieren [31, 32]. Ausgehend von den Beobachtungen, dass calcaneare (simple) Knochenzysten und intraossäre Lipome möglicherweise eine gemeinsame Pathogenese teilen [33], empfehlen die Autoren deshalb, die Pogoda-Kriterien juveniler Knochenzysten des Calcaneus auch für intraossäre Lipome anzuwenden [14]. Eine weitere Indikation kann in ausgewählten Fällen die Tumorangst des Patienten darstellen. Der Wunsch des Patienten nach einer Operation sollte insbesondere bei asymptomatischen Zufallsbefunden genau diskutiert werden und eine individuelle Nutzen-Risiko-Analyse beinhalten. Der Indikation einer operativen Therapie muss immer eine gründliche Abklärung möglicher Differenzialdiagnosen des unklaren Fersenschmerzes vorausgehen, um eine Übertherapie zu vermeiden [34, 35, 36, 37].
Für die Behandlung calcanearer simpler Knochenzysten existiert eine Reihe etablierter Therapieverfahren. Diese reichen von perkutanen Kortison- oder Knochenmarkinjektionen bis hin zur offenen Kürettage und autologen Knochentransplantation. Daten zur Rezidivwahrscheinlichkeit variieren je nach Autor und Prozedur erheblich und liegen zwischen 20 und 50 % [38]. Das Risiko eines Rezidivs kann durch folgende chirurgische Schritte möglicherweise reduziert werden: mechanische Destruktion der Zystenwand (z.B. mit einer Kürette oder Diamantkopf-Hochgeschwindigkeitsfräse), Anwendung von chemischen oder thermischen intraoperativen Adjuvanzien (z.B. 95 % Ethanol, Phenol, Kryotherapie) oder die Schaffung eines Abflusses (kanülierte Schraube, Öffnung des angrenzenden Markraums) [4, 38, 39]. Verschiedene Studien zeigen, dass die minimalinvasive, endoskopische Therapie calcanearer Knochenzysten sehr gute Ergebnisse liefert [20, 40, 41]. Die eigene chirurgische Technik der calcanearen Ossoskopie vereint die Vorteile eines perkutanen, endoskopischen Verfahrens mit der Transplantation von allogenem, spongiösem Knochen [20, 21]. Wie das bisher einzige systematische Review von Levy et al. zur Behandlung juveniler Knochenzysten des Calcaneus gezeigt hat, ist eine operative Therapie mittels Kürettage und Auffüllung mit autologem oder allogenem Knochen allen anderen Therapieformen hinsichtlich Verbesserung des präoperativen Fersenschmerzes und knöcherner Konsolidierung überlegen [39].
Für die Auffüllung (Plombage) einer juvenilen Knochenzyste stehen prinzipiell drei verschiedene Materialien zu Verfügung: autologer Knochen, allogener Knochen und Knochenersatzmaterial. Eine Knochenzementplombe aus Polymethylmetacrylat (PMMA) ist bei dieser Art Knochentumor nicht indiziert und lediglich aggressiveren Läsionen wie der AKZ und dem Riesenzelltumor vorbehalten (Stage-3-Läsionen nach Enneking [42]). Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Füllmaterialien sind hinlänglich bekannt und beinhalten u.a. die „donor site morbidity“, unterschiedliches Potenzial der Osteoinduktion und -konduktion sowie eine mögliche Antigenität [43]. Nach Erfahrung der Autoren bietet allogene Spongiosa, welche bei Bedarf mit plättchenreichem Plasma („platelet-rich plasma“, PRP) oder Beckenkammaspirat angereichert werden kann, für die ossoskopische Behandlung juveniler Knochenzysten des Calcaneus den besten Kompromiss der o.g. Füllmaterialien [20, 21]. Auf Wunsch des Patienten kann auch ein bioresorbierbares, injizierbares Knochenersatzmaterial als Füllung der Knochenhöhle angeboten werden.
Die Prognose der einkammerigen juvenilen Knochenzyste ist gut. Eigene Beobachtungen weisen darauf hin, dass die Rezidivneigung für calcaneare simple Knochenzysten bei gleicher Therapie im Vergleich zu anderen Lokalisationen geringer zu sein scheint. Von anderen, nicht lasttragenden Körperregionen (z.B. Humerus) ist bekannt, dass Spontanfrakturen juveniler Knochenzysten den Selbstheilungsvorgang beschleunigen können. Bei Lokalisation am Calcaneus stellt eine pathologische Fraktur jedoch eine schwerwiegende und häufig kaum rekonstruierbare Verletzung dar, die frühzeitig in einer sekundären Arthrose und Fehlstellung enden kann. Insofern stellt hier die prophylaktische Therapie bei Erreichen einer kritischer Größe der Läsion die Therapie der Wahl dar [14, 20, 21].
Zusammenfassung
Unklare Fersenschmerzen sind ein häufiger Grund für die Konsultation des Orthopäden und Unfallchirurgen. Obwohl sich nur in seltenen Fällen ein tumoröser Prozess als Ursache der Beschwerden identifizieren lässt, muss auch diese Genese differenzialdiagnostisch abgeklärt werden. Osteolytische Prozesse des Knochens sind häufig bereits auf dem konventionellen Röntgenbild gut abgrenzbar, erfordern aber stets eine weiterführende Abklärung mittels MRT, um zusätzliche Hinweise zur Dignität der Knochenläsion gewinnen zu können. Am Calcaneus finden sich als Vertreter gutartiger Knochentumoren typischerweise die juvenile Knochenzyste, seltener das intraossäre Lipom, welche entweder durch einen unspezifischen Fersenschmerz, als Zufallsbefund oder seltener auch als pathologische Fraktur in Erscheinung treten. Die häufigste Lokalisation dieser Entitäten im Calcaneus stellt dabei das sog. Ward-Dreieck, welches am Os calcis auch als „Diard’s area 6“ bezeichnet wird, dar. Die MRT zeigt bei einem Vorliegen des intraossären Lipoms und der juvenilen Knochenzyste üblicherweise einen nahezu pathognomonischen Befund, sodass eine Sicherung der Diagnose mittels Biopsie und histologischer Analyse in der Regel nicht erforderlich ist. Die Calcaneuszyste unterscheidet sich histopathologisch nicht von anderen Lokalisationen juveniler, simpler Knochenzysten und stellt somit keine eigene Tumorentität dar. Die operative Therapie ist bei einem schmerzhaften Befund und einer erhöhten Frakturgefahr indiziert. Traditionell wurden symptomatische Fälle von intraossärem Lipom und juveniler Knochenzyste häufig mittels offen-chirurgischer Kürettage und autologer Knochentransplantation behandelt. Die endoskopische Resektion des Tumors und perkutane Auffüllung des Defekts stellt eine schonende und reproduzierbare Alternative zu offenen chirurgischen Verfahren dar [39, 40, 44, 45]. Bei dem Vorliegen einer Calcaneuszyste ist stets eine individuelle Analyse der vorliegenden Befunde nötig, um unter Berücksichtigung der patientenspezifischen Gegebenheiten die geeignete Therapie zu wählen.
Interessenkonflikt: Keine angegeben
Korrespondenzadresse
Dr. med. Andreas Toepfer
Kantonsspital St. Gallen
Klinik für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparats
Haus 03
Rorschacher Strasse 95
CH-9007 St. Gallen
doktortoepfer@gmail.com
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