Übersichtsarbeiten - OUP 06/2022
Ein Jahr G-BA-Beschluss proximales FemurWas gibt es Neues?
Ebenso werden im Beschlusstext spezifische Anforderungen an die Zusatzweiterbildungen von Pflege und ärztlichem Personal gestellt, welche insbesondere einen signifikanten Zuwachs der geriatrischen Weiterbildungen erforderlich machen werden. Laut der Ärztestatistik der Bundesärztekammer 2020 [1] (neuere Daten sind noch nicht verfügbar) sind insgesamt 2879 Geriater in Deutschland tätig, davon 2723 berufstätig, im Vergleich zu 2541 berufstätigen Geriatern im Jahr 2019. Gab es im Jahr 2018 [2] noch einen Zuwachs von 9,9 % und 2019 [3] von 8,9 % war im Jahr 2020 lediglich noch ein Zuwachs von 7,6 % zu verzeichnen.
Allerdings nimmt der Anteil stationär tätiger Geriater zu, von 1714 in der Ärztestatistik 2018 auf immerhin 1946 stationär tätige Träger der Zusatzweiterbildung Geriatrie 2020. Natürlich lassen sich solche Zahlen lediglich im Kontext interpretieren. Im Deutschen Krankenhausverzeichnis sind 1148 Abteilungen gelistet, die die ICD S 72.0 versorgen [4]. Sucht man in den Qualitätsberichten des G-BA aus dem Berichtsjahr 2020 mit dem Veröffentlichungsjahr 2022 sind 1261 Kliniken, die unfallchirurgisch tätig sind vermerkt. Demnach zeigt sich aktuell ein deutliches Mismatch im Verhältnis von zur Verfügung stehender geriatrischer Fachkompetenz zu Fachkompetenz-bedürftigen Versorgungsabteilungen.
Der ab Januar 2021 bindende Strukturnachweis von hüftfrakturversorgenden Krankenhäusern soll dann in Form von jährlichen Nachweisverfahren und ergänzenden MDK-Prüfungen kontrolliert werden. Dies war ursprünglich erstmals Anfang 2022 für das vorangegangene Jahr geplant. Im Falle unzureichender Krankenhausstrukturen in der Versorgung älterer Hüftfrakturpatienten drohen neben dem Verbot der Patientenversorgung, der Wegfall des Vergütungsanspruchs sowie empfindliche Abschlagszahlungen, welche in den sog. „Tragenden Gründen“ des G-BA-Beschlusstextes auf 20.000 € dotiert worden sind.
Ursprünglich wurden den versorgenden Krankenhäusern zunächst exakte Übergangsfristen eingeräumt, so kann bis einschließlich 31. Dezember 2023 die täglich geforderte geriatrische Kompetenz auch durch Einbezug eines Facharztes für Innere Medizin/Allgemeinmedizin oder Neurologie erfüllt werden. Ab dem 1. Januar 2024 müsste in der ursprünglichen Fassung dann jedoch für weitere 3 Jahre bis zum 31. Dezember 2026 mindestens 1 geriatrischer Konsildienst auf Anforderung täglich zur perioperativen Versorgung zur Verfügung stehen. Diese Übergangsfristen wurden aktuell noch nicht verlängert.
Die in den Mindestanforderungen hinterlegte Notwendigkeit einer 24 h- Anwesenheitspflicht eines Facharztes für Anästhesiologie wurde in einer Prüfbitte von 8/2020 an den G-BA zur Diskussion gestellt. Hier wurde die 24 h-Regelung in § 3 Absatz 4 QSFFxRL durch einen Rufbereitschaftsdienst mit Verfügbarkeit eines Facharztes im Gebiet der Anästhesie innerhalb von 30 Minuten als Mindestanforderung für die Versorgung der hüftgelenknahen Femurfraktur festgelegt [5].
Es ist vorgesehen, die Erfüllung der Mindestanforderungen vom G-BA jährlich für alle Krankenhausstandorte, die hüftgelenknahe Femurfrakturen versorgen, im Rahmen einer Strukturabfrage ermitteln zu lassen.
Die Krankenhäuser sind verpflichtet, die vorgegebene Checkliste mit den Daten zum Nachweisverfahren [6] in elektronischer Form auf Basis einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen Spezifikation unter Nutzung einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu übermitteln. Der G-BA hat in seiner Sitzung am 19. Mai 2022 die Spezifikation zur Strukturabfrage für das Erfassungsjahr 2023 nach Maßgabe der Empfehlungen des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) beschlossen und zur Veröffentlichung freigegeben. Allerdings wurde dem G-BA im Mai 2022 von Vertretern der Software-Anbieter signalisiert, dass die Software zur richtlinien- und spezifikationskonformen Erhebung und Übermittlung der Daten aufgrund einer noch fehlenden technischen Spezifikationsversion und einer mindestens neunmonatigen Implementierungsdauer und anschließender Teststrecke nicht rechtzeitig zum derzeit vorgesehenen Verfahrensstart des Nachweisverfahrens und der Strukturabfrage der QSFFx-RL zur Verfügung gestellt werden kann. Aus diesem Grund ist eine Verlängerung der bestehenden Übergangsregelungen in § 12 QSFFx-RL zum Verfahrensstart des Nachweisverfahrens und der Strukturabfrage gemäß §§ 6 und 8 QSFFx-RL notwendig geworden. In § 12 Absätze 2, 3, 4 und 5 QSFFx-RL erfolgt daher eine Anpassung der Fristen zur erstmaligen Datenübermittlung um jeweils 1 Jahr [7]. Die Strukturabfrage gemäß § 8 erfolgt geplant somit erstmals im Jahr 2023 für das Jahr 2022.
Der Nachweis über die Erfüllung der Mindestanforderungen nach dieser Richtlinie von den Krankenhäusern stichtagsbezogen gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen ist demnach zwischen dem 15. November und dem 31. Dezember 2022 zu führen.
Die Anforderungen an die Zusatzweiterbildungen „Klinische Notfall- und Akutmedizin“ sowie an die Weiterbildung „Notfallpflege“ sind nun spätestens ab dem 1. Januar 2026 zu erfüllen – somit verbleibt ausreichend zeitliche Möglichkeit, die zweijährige Qualifikation zu erwerben. Die Übergangsmöglichkeit eines Fast Tracks für Pflegekräfte mit mehr als zehnjähriger Notaufnahmeerfahrung besteht nicht mehr.
Weitere Grauzonen, zu denen aktuell keine Stellungnahmen vorliegen, wurden in der Sammlung der Anfragen an die Fachgesellschaften identifiziert. So werden z.B. auch periprothetische/periimplantäre Femurfrakturen unter Verwendung des ICD-Codes S 72.x verschlüsselt. Somit sind unerwarteterweise auch orthopädische Fachkliniken mitbetroffen, in denen derartige Frakturen oftmals mit großer Expertise versorgt werden, die aber die angegebenen Mindestanforderungen mehrheitlich aufgrund der geforderten interdisziplinären Verfügbarkeit und der Fachweiterbildung der Pflege, nun nicht erfüllen können. Eine weitere Grauzone betrifft das Geltungsalter, welches bisher ab dem 18. Lebensjahr festgelegt worden ist, obgleich der Benefit einer interdisziplinären, geriatrischen Behandlung für deutlich jüngere Patienten fraglich bleibt.
Wie sich in den nächsten Jahren die Übergangsfristen, insbesondere in Bezug auf die Verfügbarkeit geriatrischer Kompetenz entwickeln werden, bleibt abzuwarten. Zunächst gilt es, die Anlaufschwierigkeiten, die bei einem derartig flächendeckend greifenden Umstrukturierungsprozess natürlicherweise nicht ausbleiben, zu überwinden und die Re-Evaluation nach 5 Jahren abzuwarten.