Übersichtsarbeiten - OUP 02/2020
Empfehlungen zur postoperativen Rehabilitation nach MeniskusverletzungenErgebnisse eines internationalen Experten-Konsensus
Heribert Keller, Michael Lapp, Ingo V. Rembitzki, Jörg Jerosch
Hintergrund:
Eine unzureichende Behandlung von Meniskusläsionen bei vor allem jungen
Patienten kann zum Entstehen von zusätzlichen Knorpelschäden führen. Daher ist es wichtig, die richtige operative Therapie einzuleiten, gefolgt von einer spezifischen Rehabilitation. Betrachtet man die zunehmende Zahl klinischer Studien über verschiedene Verfahren zur Meniskusnaht, so fällt auf, dass es zur postoperativen Rehabilitation sehr uneinheitliche Empfehlungen gibt.
Ziel:
Aus diesem Grund haben die Autoren ein Treffen initiiert, um mit internationalen Experten
Empfehlungen zur Rehabilitation nach operativer Knorpeltherapie von vollschichtigen
Knorpeldefekten und Meniskusschäden des Kniegelenks zu erarbeiten.
Material und Methode:
Zur Vorbereitung auf ein 2-tägiges internationales Expertenmeeting wurde ein standardisierter
Fragebogen an alle Teilnehmer versendet, um aktuelle Strategien zu erfassen und zu analysieren, die Ergebnisse dienten als Diskussionsgrundlage. Konkrete Patientenbeispiele wurden vorgegeben. Mit den Daten wurde ein Konsens zur Rehabilitation im Rahmen einer Delphi-Runde konsentiert.
Ergebnisse:
Sowohl für die Rehabilitation nach Meniskusnaht eines radiären Innenmeniskus-Risses als auch für die postoperative Rehabilitation nach lateralem/medialen Meniskuswurzelriss wurden
5 Rehabilitationsphasen von Woche 0–26 identifiziert und entsprechend den Heilungsphasen
Therapieempfehlungen abgeleitet. Für die Rehabilitation nach Naht von Innenmeniskus-Korbhenkelrissen wurden 4 Rehabilitationsphasen in den ersten 16 Wochen postop beschrieben und
darüber hinaus ab der 26. Woche eine Phase „Return to play“ identifiziert. Entsprechende
Therapieempfehlungen wurden beschrieben.
Schlussfolgerung:
Nach Knorpel- und Meniskusrepair ist eine stringente, multimodale Versorgung von Patienten notwendig. In den ersten Wochen steht die Therapie von Schwellung und Schmerz mit ggf.
passagerer Einschränkung der Gelenkbeweglichkeit im Vordergrund. Die Physiotherapie wird durchgehend empfohlen, sonstige Therapien wie Thromboseprophylaxe gemäß Leitlinien.
Orthesen werden vorwiegend in den Wochen 0–6 bzw. 12 empfohlen, entweder zur Immobilisation, ROM-Begrenzung oder Entlastung des betroffenen Gelenkkompartiments. Entlastende Knieorthesen können als funktionelle Lösung zur Unterstützung der Prähabilitation und der präoperativen Behandlung und Rehabilitation von Knorpelverletzungen und Meniskusläsionen eine wesentliche Rolle spielen, da sie eine dynamische und individuell einstellbare Entlastung eines
Gelenkkompartiments (femoro-tibial) ermöglichen.
Schlüsselwörter:
Meniskusrepair, Meniskuswurzelriss, Innenmeniskusriss, Korbhenkelriss, Rehabilitation
Zitierweise:
Keller H, Lapp M, Rembitzki IV, Jerosch J: Empfehlungen zur postoperativen Rehabilitation nach Meniskusverletzungen. OUP 2020; 9: 116–120
DOI 10.3238/oup.2020.0116–0120
Background: Inadequate treatment of meniscal lesions, especially in younger patients, may induce additional cartilage damage. Therefore it is particularly important to initiate the correct surgical treatment followed by a specific rehabilitation. Considering the increasing number of clinical studies on the different meniscus repair procedures, it is striking that there are no clear recommendations regarding postoperative rehabilitation.
Objective: For this reason, the authors organized an international expert conference to develop recommendations for rehabilitation following surgical repair of meniscal injuries o the knee.
Material and method: In preparation for an international expert meeting of 2 days, a standardized questionnaire was sent to all participants in order to record and analyze the current strategies. The evaluation of the questionnaires served as basis for the discussion. As example data of a 28-year-old man were given (athletic type with normal physical activity, non-smoker, normal BMI) who had hurt his medial meniscus during a football match. The participants developed a consensus for rehabilitation after surgical repair and then consented in a Delphi round.
Results: For rehabilitation after repair of a radial internal meniscal tear as well as for the postoperative rehabilitation after lateral/medial meniscal root tear, 5 rehabilitation phases from week 0–26 were identified and a therapy recommendation was derived according to the healing phases. For rehabilitation after repair of meniscal bucket handle tear, 4 rehabilitation phases within the first 16 weeks after surgical therapy were identified and from 26th week onwards a phase „return to play“; corresponding therapy recommendations were described.
Conclusion: After meniscal repair a stringent, multimodal care of patients is necessary. In the first weeks therapy of swelling and pain with temporary restriction of joint range of motion (if needed) are in the foreground. Physiotherapy is recommended all time, while other therapies such as thrombosis prophylaxis are recommended according to the guidelines. Orthoses are recommended mainly in week 0–6 or 12, either for immobilization, for ROM limitation or unloading of the affected joint compartment. Knee unloader braces as functional solution for supporting pre-rehabilitation and pre-operative treatment, rehabilitation of cartilage injuries and meniscal lesions can be essential in rehabilitation, since they provide a dynamic and individually adjustable unloading which may be able to support healing of the repaired meniscus.
Keywords: meniscal repair, meniscal root tear; medial meniscal tear, bucket-handle meniscal tear, rehabilitation
Citation: Keller H, Lapp M, Rembitzki IV, Jerosch J: Recommendations for the postoperative rehabilitation after meniscus therapy. OUP 2020; 9: 116–120 DOI 10.3238/oup.2020.0116–0120
Heribert Keller: OUG Schwäbisch-Gmünd, Oberbettringer Str. 1, 73525 Schwäbisch Gmünd
Michael Lapp: Gemeinschaftspraxis Allgemeinchirurgie, Mathildenstraße 12, 64625 Bensheim
Ingo V. Rembitzki: Össur Europe B.V., De Schakel 70, 5651 GH Eindhoven, Niederlande
Jörg Jerosch: Johanna-Etienne-Krankenhaus, Am Hasenberg 46, 41462 Neuss
Einleitung
In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich die allgemeine Einstellung hinsichtlich der Funktion und der Bedeutung der Menisci neu ausgerichtet. Wurden früher Menisci nach Verletzungen häufig als „sekundäre“ Struktur großzügig entfernt, wird seit vielen Jahren die unbedingte Erhaltung des Gewebes propagiert. Eine erhebliche Anzahl biomechanischer, aber auch anatomisch-histologischer Untersuchungen zeigt die Bedeutung der Menisci im Zusammenspiel funktioneller Aspekte im Kniegelenk. Die Menisci sind für den Erhalt des Gelenkknorpels und für die gesamte biomechanische Kniegelenkfunktion essenziell. Bei der Therapie von Kniegelenkverletzungen hat der Erhalt bzw. die Reparatur der Menisci hohe Priorität.
Es kommen sowohl konservative als auch operative Behandlungsverfahren in Frage; die Auswahl ist erheblich und hängt von der Lokalisation und Größe der Verletzung ab. Verletzungen der Menisci können isoliert oder in Kombination mit anderen Weichteilverletzungen auftreten, insbesondere ligamentären Schäden, häufig aber auch mit Mikrofrakturierungen des subchondralen Knochens des lateralen Tibiaplateaus. Oftmals treten diese zusammen mit Verletzungen des vorderen Kreuzbands auf. Für isolierte Risse der Menisci ist ein häufiger Verletzungsmechanismus die femorale Rotation bei distaler Fixierung unter Belastung. Allerdings ist der Anteil der Kombinationsverletzungen, die alle Bewegungen beinhalten können, deutlich höher als die der isolierten Verletzungen. Verletzungen der Menisci sind in unterschiedliche Schweregrade einzuteilen, wie Längsriss, Lappenriss, Horizontalriss, radialer Riss, komplexe Risse, Korbhenkelläsion und degenerative Veränderungen.
Die Symptome sind häufig Knieschmerzen medial oder lateral, oft im gesamten Gelenk nicht spezifisch zuzuordnen und mit typischen Entzündungszeichen mit Bewegungseinschränkungen im betroffenen Gelenk. Die konservative Therapie ist vielfältig und sollte sich an den Heilungsphasen (Entzündungsphase, Proliferationsphase, Remodulierungsphase) und nach persönlichen Gegebenheiten ausrichten. Es existieren verschiedene operative Verfahren mit differenzierten Effekten und Prognosen. Allgemeine, vor allem einheitliche Richtlinien für die Nachbehandlung nach einer Meniskektomie oder Naht-Techniken bestehen zurzeit nicht.
Aus diesem Grund haben sich im September 2018 Experten aus verschiedenen Ländern zu einem Konsensus-Meeting in Fürstenfeldbruck getroffen mit dem Ziel, einen internationalen und interdisziplinären Konsens zur Nachbehandlung von Meniskusverletzungen zu erarbeiten.
Methode
In Vorbereitung auf ein 2-tägiges internationales Expertenmeeting wurde ein standardisierter Fragebogen an alle Teilnehmer, Moderatoren und Referenten versendet, um die aktuellen Strategien zu erfassen und zu analysieren. Die Teilnehmer waren Alan Getgood (Kanada); Scott Faucett (USA); Siti Hawa Tahir (Myanmar), Sherwin Ho, Jihad Abouali, Andrew Geeslin, Patrick Kane, Shane P. Whalen, Peter D’Alessandro, Ross Radic (Australien), Pete Gallagher, Ionnis Pengas (Großbritannien), Heribert Keller, Michael Lapp, Ingo V. Rembitzki, und Jörg Jerosch (Deutschland).
Die Auswertung der Fragebögen diente als Grundlage für die Diskussion zwischen den Experten. Zusätzlich wurden konkrete Patientenbeispiele diskutiert, z.B. ein 28 Jahre alter Mann (athletischer Typ mit normaler sportlicher Aktivität, Nichtraucher, normaler BMI), der sich beim Fußballspielen den Innenmeniskus verletzt hat.
Auf Grundlage dieser Daten wurde einen Konsens zur Rehabilitation nach operativem Repair erarbeitet und im Rahmen einer Delphi-Runde anschließend konsentiert.
Ergebnisse
Meniskusverletzungen führen in der Regel zu deutlichen Einschränkungen der Kniefunktion und zu Schmerzen im Knie. Da eine Operation meist nicht am Tag der Diagnose durchgeführt werden kann, ist eine Behandlung der Knieschmerzen und der Funktionseinschränkung schon präoperativ erforderlich. Ziel dieser Prehabilitation ist es, die Schmerzen zu mindern, die Gelenkfunktion zu erhalten/zu verbessern und weiteren Schädigungen der betroffenen Strukturen bis zum Zeitpunkt der Operation vorzubeugen. Dadurch können die Knieschmerzen eingegrenzt und das Knie funktionsfähig gehalten werden, bis die Operation terminiert ist [1, 4, 7]. Darüber hinaus ist der Erfolg nach einer Meniskus-OP auch von der gezielten Rehabilitation unter Beachtung der Heilungsphasen abhängig. Die von den internationalen Experten erstellten Rehabilitationsempfehlungen basieren auf den Ergebnissen des Konsensus und beziehen sich auf eine über mehrere Wochen dauernde eingeschränkte Gelenkbelastung, in Kombination mit einer entsprechend den Heilungsphasen empfohlenen Steigerung von Aktivitäten. Besondere Beachtung muss im Rahmen der postoperativen Rehabilitation auf die Belastung und das Bewegungsausmaß gelegt werden, beide teilweise unterstützt durch den Einsatz entsprechender Orthesen und der physiotherapeutischen Therapie der Patienten. Gerade bei der Be- oder besser Teilbelastung des behandelten Kniegelenks bietet die Industrie innovative Knieorthesen zur Entlastung des behandelten Meniskus an (z.B. Rebound Cartilage), die in biomechanischen Tests an speziellen Humanpräparaten eine signifikante Entlastung des Meniskus ermöglichen [6]. Die Abbildungen 1–3 zeigen die erarbeiteten Rehabilitationsprotokolle für die jeweiligen Meniskuspathologien.
Diskussion
Laut der S2k-033–006-Leitlinie Meniskuserkrankung der DGOU [5] steigt die Inzidenz von Meniskusläsionen in der Gesamtbevölkerung mit Zunahme des Alters und Ausmaß der degenerativen Veränderungen des Kniegelenks. Eine klare Zuordnung der klinischen Beschwerden zum Meniskusschaden scheint jedoch durch die geringe Spezifität der klinischen Untersuchungstests schwierig.
Die Anzahl der klinischen Studien, insbesondere zur konservativen Therapie des symptomatischen Meniskusschadens, ist bisher unzureichend. Daher hat sich ein internationales Expertengremium mit dem Thema beschäftigt. Ziel war es, einen leitliniengerechten und pragmatischen Konsens zu Rehabilitationsempfehlungen unter Berücksichtigung der Einteilung und Klassifikation von Meniskusschäden zu erarbeiten. Unter Beachtung der S2k-Klassifikationen [5] wurden Rehabilitationsempfehlungen für die am häufigsten auftretenden Meniskusläsionen erstellt.
Die multimodalen Therapiemaßnahmen sehen die biomechanischen Interventionen als einen wesentlichen Bestandteil der konservativen und postoperativen Versorgung bei Meniskusschäden in den ersten Wochen im Vordergrund; insbesondere, um die Rehabilitation von geschädigten Strukturen entlang der Heilungsphasen zu respektieren und zu sichern. Weitere klinische Studien zur konservativen Therapie und Rehabilitation von Meniskusschäden werden empfohlen.
Interessenkonflikte:
ML, IVR und JJ geben an, dass Beraterverträge mit der Firma Össur bestehen bzw. sie Mitarbeiter der Össur BV Netherlands sind.
Literatur
1. Edwards PK, Ackland TR, Ebert JR: Accelerated weightbearing rehabilitation after matrix-induced autologous chondrocyte implantation in the tibiofemoral joint. Am J Sports Med. 2013; 41: 2314–24
2. O’Donell K et al.: Rehabilitation after isolated meniscal repair: A systematic review. Am J Sports Med. 2017; 45: 1687–97
3. Perkins B. et al.: Similar failure rate in immediate post-operative weight bearing versus protected weight bearing following meniscal repair on peripheral, vertical meniscal tears. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2018; 26: 2245–50
4. Reinold MM, Wilk KE, Macrina LC, Dugas JR, Cain EL: Current concepts in the rehabilitation following articular cartilage repair procedures in the knee. J Orthop Sports Phys Ther. 2006; 36: 774–94
5. Siebert CH et al.. S2k-Leitlinie Meniskuserkrankung: konservative und operative Therapie. Z Orthop Unfall 2018; 156: 324–29
6. Spang III RC, Nasr MC, Mohamadi A et al.. Rehabilitation following meniscal repair: a systematic review. BMJ Open Sport Exerc Med 2018; 4: e000212
7. Tyler TF, Lung JY: Rehabilitation following osteochondral injury to the knee. Curr Rev Musculoskelet Med. 2012; 5: 72–81
Korrespondenzadresse
Dr. med. Heribert Keller
Facharzt für Orthopädie
Orthopädie Unfallchirurgie Gmünd
Oberbettringer Str. 1
73525 Schwäbisch Gmünd
Tel. 07171 1045980
dr.keller@ou-gmuend.de