Übersichtsarbeiten - OUP 01/2015

Exergames in der orthopädisch- unfallchirurgischen Rehabilitation

Bezüglich des Aspekts der gefühlten Sicherheit konnten wir durch unsere Befragung zeigen, dass die Mehrheit der Gelenkersatzpatienten während des Spielens fürchteten, Bewegungen durchzuführen, die ihren Therapieerfolg behindern oder gar verschlechtern könnten. Die Relevanz dieser Problematik wird durch die Aussage zumindest einiger Patienten noch erhöht, dass sie während des Spielens Bewegungen durchführten, die sie sich sonst noch nicht trauten. Dieses Spannungsfeld zwischen „Eintauchen“ ins Spielgeschehen und dadurch bedingtes Vergessen der Krankheit auf der einen Seite und dem Risiko für das frisch operierte Gelenk, welches durch unüberlegte Bewegungen Schaden nehmen könnte, gilt es positiv auszubalancieren. Die erhöhte Motivation durch den Spielcharakter sehen wir generell als positiven Effekt, in Bezug auf die Sicherheit der Patienten gilt es hier jedoch, ggf. bremsend einzuwirken. Bei Neukonzeptionen von Exergames speziell für die Therapie sollten daher Schutzmechanismen eingebaut werden. Die Analyse der Gelenkwinkel in Echtzeit durch die Spielekonsole sollte dazu als Basis für direkte Warnmeldungen bei kritischen Gelenkpositionen (z.B. 90° Hüftflexion bei Hüft-TEP Patienten) verwendet werden. Als indirekte Schutzmechanismen könnten schon bei der Planung neuer Exergames die Spiele so gestaltet werden, dass kritische Gelenkpositionen vermieden werden, indem das Spiel nur erfolgreich gesteuert kann, wenn der Patient innerhalb risikofreier Gelenkpositionen agiert. Beim Bowling könnte z.B. die virtuelle Bowlingbahn erhöht oder die Schrittweite des Ausfallschritts durch eine Begrenzungslinie künstlich begrenzt werden, um übermäßig weite Ausfallschritte und somit kritische Hüftflexionswinkel von über 90° zu vermeiden.

Jede Untersuchung weist Limitationen auf. Wir wollen in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die vorliegende Studie in ihrer Aussage zur Motivation und Akzeptanz von Exergames bei orthopädischen Patienten limitiert ist, da wir die Patienten nur innerhalb der Anschlussheilbehandlung befragt haben und nicht im Rahmen einer Anwendung im häuslichen, alltäglichen Umfeld der Patienten. Wir sehen zwar den Einsatz von Exergames als ergänzenden Teil des Therapieprogramms innerhalb der Anschlussheilbehandlung, um auch hier den Patienten eine kostengünstige und individualisierbare Therapieform anzubieten, aber ihr großes Therapiepotenzial können Exergames erst entfalten, wenn sie als Fortführung der stationären Therapie im häuslichen Umfeld von Patienten zum Einsatz kommen. Erst durch diesen langfristigen Einsatz können Exergames eine Stütze in der individuellen Rehabilitation zur vollständigen Genesung des Patienten darstellen. Unsere Studienreihe liefert dazu keine relevanten Erkenntnisse. Doch das gewählte Studiendesign konnte zum einen zeigen, dass eine Integration von Exergames im Rahmen der stationären Anschlussheilbehandlung als sinnvoll angesehen werden kann. Zum anderen rechtfertigen die Ergebnisse zukünftige longitudinale Untersuchungen zur Anwendung von Exergames im häuslichen Umfeld.

Schlussfolgerung

Unsere Studienreihe zur Eignung des Exergames Bowling als Therapieergänzung hat gezeigt, dass sich bereits unter den handelsüblichen Exergames Spiele befinden, die im orthopädischen Therapiealltag sinnvoll und gefahrlos eingesetzt werden können. Die Patientenakzeptanz für den Einsatz von Exergames erwies sich als überaus hoch, und insbesondere der motivierende Effekt kann dazu genutzt werden, dass Patienten auch nach stationärer und ambulanter Rehabilitation eigenständig weiter trainieren. Erfolge in anderen medizinischen Fachbereichen, die wenigen orthopädischen Untersuchungen und die Ergebnisse unserer Studienreihe belegen das hohe Potenzial von Exergames im Therapieeinsatz. Wir konnten jedoch feststellen, dass trotz der guten Eignung des Exergames Bowling nur wenige handelsübliche Exergames direkt für den Einsatz im Therapieumfeld geeignet sind. Neuentwicklungen für Exergames speziell für die Therapie sind daher unerlässlich, um dem Anwendungsgebiet gerecht zu werden. Bei speziell für den orthopädischen Einsatz entwickelten Spielen sollten Möglichkeiten der individuellen Trainingsprogression durch Veränderung der Spieleigenschaften bzgl. Spielgeschwindigkeit, notwendige Bewegungspräzision, Bewegungsausmaß oder Spieldauer implementiert werden. Weiterhin könnten individuell einstellbare Warnmechanismen die Patienten vor übermäßigen Bewegungsamplituden schützen. Gerade in der orthopädischen Rehabilitation bedarf es aussagekräftiger Studien mit hoher Evidenz über die therapeutische Wirksamkeit und die Nachhaltigkeit von Exergames.

Interessenskonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Internationalen Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Dr. Torsten Brauner

Konservative & Rehabilitative Orthopädie

Technische Universität München

Georg-Brauchle-Ring 60/62

80992 München

torsten.brauner@tum.de

Literatur

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5. Lamboglia, Carminda Maria Goersch Fontenele, da Silva, Vanina Tereza Barbosa Lopes, de Vasconcelos Filho, José Eurico, et al. Exergaming as a strategic tool in the fight against childhood obesity: a systematic review. J Obes 2013; 2013: 438364

6. Wiemeyer J. Gesundheit auf dem Spiel? – Serious games in Prävention und Rehabilitation. Deutsche Zeit Sportmed 2010; 61: 252–257

7. Ruivo JA. Exergames and cardiac rehabilitation: a review. J Cardiopulm Rehabil Prev 2014; 34: 2–20

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