Übersichtsarbeiten - OUP 01/2018

Fokussierte Sonografie in Orthopädie und Unfallchirurgie
Symptom-orientierte Sonografie zum raschen ErkenntnisgewinnSymtom oriented ultrasonography for rapid gain in knowledge

Der einfache Nachweis von Frakturen durch Ultraschall der Knochenoberfläche (Abb. 10) ist seit langem bekannt und jetzt in einer Meta-Analyse im Deutschen Ärzteblatt mit einer sehr hohen diagnostischen Genauigkeit (Sensitivität 91 %, Spezifität 94 %, 48 eingeschlossene Studien) publiziert worden [4]. Damit kann die immer wiederkehrende Frage nach der rechtlichen Bedeutung jetzt deutlich sicherer beantwortet werden kann, wenn auf Röntgen verzichtet wird. Es ist heute nicht mehr statthaft, ein Röntgebild anzufordern, wenn es eine Bildgebung gibt, die nachweisbar ohne Strahlung das gleiche Ergebnis liefert. Bei kindlichen Frakturen sind die Kollegen Ackermann, Großer und Eckart weit vorangekommen und haben einen festen Algorithmus etabliert [1, 2]. Der Nachweis einer Ermüdungsfraktur ist einfach möglich, in dem der Schallkopf DA aufgesetzt wird, VO’S wehtut (DAVOS-Sonografie) und nach einer Unterbrechung der Kortikalis gefahndet wird (Abb. 11). Ganz besonders eindrucksvoll sind Ultraschall-Aufnahmen von Osteosynthesen, wenn Funktions-Störungen im Sehnenbereich aufgetreten sind und mit den herkömmlichen bildgebenden Verfahren keine Problemlösung möglich war, obwohl mit der Sonografie einfach festgestellt werden kann, dass eine Sehne von einer Schraube erfasst wurde (Abb. 12). Diese einfache Möglichkeit sollte immer genutzt werden, wenn nach Osteosynthesen Funktionsstörungen beobachtet werden, weil der Schallkopf einfach da aufgesetzt wird, wo das Problem liegt. Die aktuelle Datenlage zu den einzelnen anderen Themen ist in den jeweiligen Arbeiten der Mit-Autoren nachzulesen.

Kritische Anwendung
im Kontext mit anderen
bildgebenden Verfahren

Die fokussierte Sonografie zur Untersuchung des Bewegungsorgans ist traditionell in Deutschland nicht an die Radiologen gebunden, sondern an die Fachärzte, hier Orthopäden und Unfallchirurgen. Wegen vermeintlich großem Zeitbedarf und der angeblichen Spezialisten-Untersuchung wird sie nicht angewendet und die schnelle Überweisung zum Radiologen hat sich etabliert. Hier kann im Vorfeld zur Überweisung mit Hilfe der fokussierten Sonografie entweder auf eine weitere Bildgebung verzichtet werden (Ganglion, Hygrom, Bakerzyste, etc) oder sie kann gezielt angefordert werden (Muskel-Verletzung, Syndesmosen- [siehe die Arbeit von Reimers im gleichen Heft] oder Sehnen-Verletzung [siehe Arbeit von Hartung im gleichen Heft]). Gerade im Handgelenk- und Schulterbereich sind kernspintomografische Untersuchungen häufig dann nicht aussagekräftig genug, wenn es um die Differenzierung von Flüssigkeits-Ansammlungen in Sehnen und Gelenken in unmittelbarer Nähe zueinander geht (Sehne M. flexor hallucis longus und OSG und USG oder Sehne M. flexor pollicis longus und flexor carpi radialis oder Sehne M. abduktor pollicis brevis und Sattelgelenk). Hier ist die ergänzende Untersuchung mit der Sonografie quasi unverzichtbar.

Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Radiologen (Röntgen und MR) ist für den Sonographeur schon lange Pflicht!

Diagnostischer Algorithmus und Hinweise für fokussierte Vorgehensweise

In der Durchführung geht es vor allem darum, nach der ersten Kontaktaufnahme mit dem Patienten eine Verdachts-Diagnose zu entwickeln, aus welcher sich dann die klinische Fragestellung ergibt. Diese führt zur Untersuchung, welche unverzichtbar für eine sichere Diagnose ist. Im Beispiel eines Ganglions wird dieses beim Betasten „knochenhart“ sein. Jetzt kann sinnvoll die Sonografie zum Einsatz kommen und der Schallkopf wird exakt mittig über diese „knochenharte“ Struktur gesetzt, denn es geht ja um die Differenzialdiagnose zur Exostose. Beides ist sofort erkennbar (Abb. 4 und Titelbild). Im Beispiel einer vermuteten Fraktur wird der tastende Finger auf die schmerzende Region geführt und dort der maximal schmerzende Punkt (häufig im positiven Fall einer Fraktur mit ausgeprägtem Lymphödem) ermittelt und der Schallkopf exakt mittig über den Schmerzpunkt gesetzt. Die Kortikalis-Unterbrechung ist genauso sicher zu erkennen wie die intakte Kortikalis (Abb. 11 und 12).

Die Sonografie endet (zumindest beim ersten Untersuchungskontakt) hier und es wird vermerkt, dass nur fokussiert sonografiert wurde. Damit hat der klinisch tätige Arzt den maximalen Effekt bei der Diagnostik mit seinem Ultraschall erzielt.

Interessenkonflikt: Keine angegeben.

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Christian Tesch

Orthopädie-Chirurgie

Große Bleichen 32

20354 Hamburg

christian@gelenktesch.de

Literatur

1. Ackermann O, Emmanouilidis I, Rülander C: Ist die Sonographie geeignet zur Primärdiagnostik kindlicher Vorderarmfrakturen? Dtsch Z Sportmed, 2009. 60: 4

2. Ackermann O, Liedgens P, Eckert K, Chelangattucherry E, Husain B, Ruchholtz S: Sonographische Diagnostik von metaphysären Wulstbrüchen – eine prospektive Multicenterstudie. Unfallchirurg, 2009. 112: 6

3. Frink, M, Lechler P, Debus F, Ruchholtz S: Multiple Trauma and Emergency Room Management. Dtsch Arztebl Int, 2017. 114: 497–503

4. Schmidt GL, Lippmann S, Unverzagt S, Hofmann C, Deutsch T, Frese T: Diagnostik bei Frakturverdacht – Ultraschall im Vergleich zu konventioneller Bildgebung. Dtsch Aerztbl, 2017. 114: 8

Fussnoten

1 Hamburg, Kursleiter Stufe III DEGUM, Chirurgie; Sprecher des AK Orthopädie&Unfallchirurgie der Sektion Chirurgie der DEGUM

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