Editorial - OUP 01/2018

Fokussierte Sonografie

Die Ultraschalldiagnostik hat sich trotz erheblicher Verbesserung der Geräte-Qualität bis heute – nach fast 30 Jahren klinischer Anwendung in den Notaufnahmen und Praxen der Unfallchirurgie und Orthopädie – nicht als bildgebendes Verfahren durchsetzen können, abgesehen von wenigen Zentren, in denen Ultraschall-Spezialisten arbeiten, in der Regel Ausbilder der DEGUM III. Im deutschsprachigen Raum in Östereich und der Schweiz ist die Situation besser, weil überwiegend Radiologen neben MR und CT auch ein Ultraschallgerät zur Verfügung haben und dies im Kontext zu den anderen bildgebenden Verfahren nutzen, je nachdem, welches sinnvoller ist. So wird Ultraschall dort zur Unterstützung bei Gelenk-Injektionen genutzt oder für die Sonografie der Nerven, um dann das Gelenk oder die exakte Lokalisation der Nervenpathologie im MR weiter abklären zu können.

In Deutschland ist die Sonografie traditionell bei den Fachärzten angesiedelt, in unserem Fall den Orthopäden und Unfallchirurgen. Diese führen diese Ultraschall-Untersuchung aber nicht flächendeckend durch, was sicher auch daran liegt, dass im niedergelassenen Kassenbereich eine lohnende Bezahlung fehlt und im klinischen Bereich die Infrastruktur nicht darauf ausgelegt ist.

Die Ultraschalldiagnostik am Bewegungsorgan hat zwar eine lange Tradition, durchgesetzt hat sie sich aber nur in wenigen Teilbereichen. Hier ist vor allen Dingen die Ultraschalldiagnostik der Säuglingshüfte zu nennen, die ganz besonders durch Reinhard Graf so sicher implementiert wurde, dass sie heute gemeinhin als Standard zur Früherkennung der Hüft-Dysplasie und zum Monitoring der ersten Behandlungserfolge anzusehen ist. Die Sonografie der Schulter ist zwar nach unserer Ansicht die beste Möglichkeit, Probleme im Bereich der Rotatorenmanschette zu erkennen, aber nicht alle Schulterchirurgen nutzen diese Bildgebung so, wie es ihrem Stellenwert entspricht. Nur so ist zu erklären, dass Patienten meist mit einer oder mehreren Schulter-Kernspintomografien vorgestellt werden, eine Ultraschalldiagnostik jedoch bislang nicht erfolgt war.

Die Distorsions-Verletzung des oberen Sprunggelenks wird auch heute noch primär röntgenologisch abgeklärt, wenngleich die Verletzung eines oder mehrerer Außenbänder für die Röntgendiagnostik unsichtbar bleibt. Hier hat sich eigentlich international durchgesetzt, die Außenbänder des oberen Sprunggelenks und die Peroneal-Sehnen einschließlich des CC-Bands mit der Ultraschalldiagnostik bildgebend abzuklären, auch dies hat sich in den Ambulanzen deutscher Kliniken noch nicht durchsetzen können. Ganz besonders ist darauf hinzuweisen, dass die direkte Sicht auf die vordere Syndesmose einfach möglich ist und direkt eine Verletzung dieses wichtigen Bands ausgeschlossen oder bewiesen werden kann. Damit können unnötige Kernspintomografien und/oder CT-Untersuchungen vermieden werden.

Die Detailauflösung von Sehnen (vor allem der Achillessehne, der Plantarfaszie und der Sehnen des Fußes und der Hand) ist im Ultraschall eindeutig höher als in der Kernspintomografie. Dennoch vertrauen Orthopäden und Unfallchirurgen bei der Abklärung der genannten Sehnen nach wie vor auf die Kernspintomografie, selbst dann, wenn bei Zweifelsfragen eine dynamische Untersuchung sinnvoll ist und mit dem Ultraschall einfach durchgeführt werden kann.

Eine relativ junge Anwendung der Ultraschalldiagnostik ist die interventionelle Sonografie, die hier ganz besonders im Bereich der Wirbelsäule (Facettengelenke) äußerst effektiv anwendbar ist und in der Hand des kundigen orthopädisch tätigen Therapeuten unmittelbar der PRT vorgeschaltet ist (welche nie ohne längeren Termin-Vorlauf durchführbar ist) und somit unmittelbar dem Patienten zugutekommt. Daneben wird die sonografisch gesteuerte Infiltration von Sehnen und Nerven sowie die Injektion in Gelenke zunehmend Bedeutung erlangen.

Bei der Diagnostik von Muskel-Läsionen kann mithilfe der Sonografie erstens die Lokalisation für die folgende MR genau bestimmt werden und zweitens mit der Detektion von im Ultraschall sichtbaren Veränderungen eine erste Einteilung der Verletzung ermöglicht werden, um dann z.B. zur Punktion von posttraumtischen Flüssigkeitsansammlungen den Ultraschall auch therapeutisch zu nutzen.

Aus diesem Grund haben wir uns im Rahmen der sogenannten Refresher-Kurse auf dem Kongress der Vereinigung Süddeutscher Orthopäden und Unfallchirurgen, VSOU, dieser Themenkomplexe angenommen und freuen uns, dass die Schriftleitung der OUP die Gelegenheit eröffnet hat, im Rahmen sogenannter Themenhefte unsere bevorzugte Methode der Diagnostik und minimalinvasiven Therapietechnik vorzustellen. Innovationen wie die Elastografie und die Kontrastmittelsonografie sind mittlerweile in aller Munde, aber kaum einer weiß so genau, wie der Nutzen dieser Techniken ist. Die Elastografie werden wir aktuell vorstellen, die Kontrastmittelsonografie (CEUS von Contrast Enhanced UltraSonography) ebenso wie die gesamte interventionelle Sonografie in einer Folgepublikation.

Wir (das sind überwiegend sehr erfahrene Ultraschall-Spezialisten mit langjähriger Ausbildungserfahrung und dem Wunsch, die Methode ihrer Bedeutung angemessen zu propagieren, und wir stehen für den AK Bewegungsorgane der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin, DEGUM, der AG Orthopädie & Unfallchirurgie der DEGUM und der AG Ultraschall der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, DGOU) möchten mit diesem Heft Chefärzte der orthopädisch-unfallchirurgischen Kliniken in Deutschland ebenso ansprechen wie niedergelassene Orthopäden und Unfallchirurgen. Wir hoffen, sie hiermit zu interessieren, zu überzeugen und möglichst für die Sonografie am Bewegungsorgan gewinnen zu können. Vielleicht wird es dadurch möglich, auch die Ausbildung in der Sonografie durch Entscheidung für Stellenbeweber mit einen Ausbilderstatus der DEGUM zu verbessern. Damit würde sich der Kreis schließen und der Nachwuchs würde von Anfang an optimal ausgebildet.

PD Dr. med. Christian Tesch, Hamburg

DEGUM Stufe III

Sprecher der AG Orthopädie & Unfallchirurgie der Sektion Chirurgie der DEGUM

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