Originalarbeiten - OUP 01/2013

Halbwirbelresektion bei kongenitaler Skoliose – Beschreibung der
operativen Technik und langfristigen Ergebnisse

H. Meinig1, G. Ostrowski1, M. Ruf1

Einleitung: In einer retrospektiven Studie wurden Halbwirbelresektionen über den dorsalen Zugang bei Kleinkindern nachuntersucht. Als Operationsindikation bei kongenitalen Skoliosen sehen wir die nachgewiesene oder zu
erwartende Kurvenprogression infolge der Malformation.

Material und Methode: 40 Kinder im Alter von ein bis 6 Jahren mit kongenitaler Skoliose, die mit einer dorsalen Halbwirbelresektion und transpedikulärer Instrumentation versorgt wurden, wurden nachuntersucht mit einem mittleren Follow-up von 9,5 Jahren.

Ergebnisse: Der durchschnittliche Cobb-Winkel an der Hauptkrümmung betrug präoperativ 47°, postoperativ 12° und bei der letzten Kontrolluntersuchung 11°. Der Kyphosewinkel lag präoperativ bei 23°, postoperativ bei 9° und bei der letzten Kontrolluntersuchung bei 7°.

Komplikationen: Ein Infekt, einmal Hämatomausräumung, 3-mal Pedikelfraktur, 2-mal Zerklagenbruch, einmal Liquordrainage.

Schlussfolgerung: Die dorsale Halbwirbelresektion mit transpedikulärer Instrumentation ist eine sichere und
bewährte Technik, die erhebliche Vorteile bietet: Exzellente Korrektur sowohl in frontaler und sagittaler Ebene, kurzstreckige Fusion, hohe Stabilität, rein dorsales Vorgehen, niedriges neurologisches Risiko. Die Operation sollte so früh als möglich erfolgen, um schwere lokale und sekundäre strukturelle Veränderungen sowie langstreckige Fusionen zu vermeiden.

Schlüsselwörter: kongenital, Skoliose, operative Technik, Halbwirbel

Objective: A retrospective study was conducted, with clinical evaluation of hemivertebra resection using transpedicular instrumentation by a posterior approach in young children. Surgery should be performed when a curve-progression has to be expected or verified.

Methods: For this study, 40 consecutive cases of congenital scoliosis, managed by hemivertebra resection using a
posterior approach only with transpedicular instrumentation, were investigated retrospectively, with a medial follow-up of 9,5 years.

Results: The mean Cobb-angle of the main curve was 47° before surgery, 12° after surgery, and 11° at the latest follow-up assessment. The angle of kyphosis was 23° before surgery, but improved to 9° after surgery. There was one infection, one haematoma, 3 pedicle fractures and 2 failures of the initially used wire instrumentation, one liquordrainage.

Conclusions: Posterior resection of hemivertebrae with transpedicular instrumentation is a safe and established procedure that offers significant advantages for controlling congenital deformity: excellent correction in both the frontal and sagittal planes, short segment of fusion, high stability, no need for an anterior approach, and low neurologic risk. Surgery should be performed as early as possible to avert
severe local deformities, to prevent secondary structural changes, and to avert extensive fusions.

Keywords: congenital, scoliosis, surgery technique, hemivertebra

Einleitung

Skoliosen, die durch angeborene Fehlbildungen der Wirbelsäule verursacht werden, zeigen ein sehr variables Verhalten hinsichtlich der weiteren Progression. Einige Fehlbildungen, wie inkarzerierte oder balancierte Halbwirbel, haben einen meist gutartigen Verlauf; Halbwirbel insbesondere mit kontralateraler unsegmentierter Barbildung neigen zu einer rasch progredienten Verschlechterung.

In einer großen Studie analysierten Winter et al. [1] 234 Patienten. Er fand, dass angeborene Skoliosen sich in der Regel langsam aber konstant weiter verschlechtern. Ohne Behandlung kommt es in der Regel zu einer inakzeptablen Fehlstellung. Nasca et al. [2] berichteten über 60 Patienten mit angeborenen Skoliosen durch Halbwirbel sowie Halbwirbel mit Barbildung. Sie beschrieben eine sehr variable Progression im Bereich von 1°–33° pro Jahr, durchschnittlich von 4° pro Jahr.

McMaster und Ohtsuka [3] präsentierten 1982 eine Studie mit 251 Patienten mit unbehandelter angeborener Skoliose. Sie zeigten, dass die Progression sowie der Krümmungsgrad nach Wachstumsabschluss abhängig waren von der Art der Anomalie und der Lokalisation. Halbwirbel mit kontralateraler Barbildung hatten die schlechteste Prognose, gefolgt von 2 einseitigen Halbwirbeln, einzelnen Halbwirbeln und Keilwirbeln. Von 143 Patienten hatten im Alter von über 10 Jahren 36 % eine Kurve von 40°–60° und 28 % eine Kurve von mehr als 60°.

Da die meisten kongenitalen Skoliosen eine schlechte Prognose haben, ist in der Regel eine chirurgische Intervention notwendig. An chirurgischen Verfahren wurden konvexseitige Hemiepiphyseodesen und Hemiarthrodesen, wuchslenkende Instrumentationen sowie Halbwirbelresektionen mit Fusion beschrieben [4].

In-situ-Fusionen und Arthrodesen können die Progression stoppen oder zumindest verlangsamen. Die Korrekturmöglichkeiten sind jedoch begrenzt, und die Wirkung auf das weitere Wachstum schwierig einzuschätzen [5].

Bei Halbwirbeln erscheint es daher sinnvoll, diese operativ zu entfernen. Royle [6] berichtete 1928 zuerst über dieses Verfahren, gefolgt von Compere [7], Lackum und Smith [8] sowie Wiles [9]. Die Methode war anfangs jedoch mit häufigen Komplikationen wie Pseudarthrosen, Kyphosen und neurologischen Ausfällen belastet. Erst Leatherman und Dickson [10] berichteten 1979 über gute Ergebnisse bei einer größeren Anzahl von Halbwirbelresektionen über einen 2-zeitigen ventralen und dorsalen Eingriff. In der Folgezeit gab es mehrere Berichte über Halbwirbelresektionen durch kombiniert anterior-posteriore Vorgehensweise, zum Teil als 2-zeitige Operationen [11, 12, 13, 14, 15, 16]. Danach schienen gute Ergebnissen vor allem bei jungen Kindern erreichbar.

2002 wurde von Ruf und Harms erstmals über eine größere Serie von Halbwirbelresektionen über einen rein dorsalen Zugang berichtet [17, 18]. Dieses Verfahren hat sich in den letzten Jahren in vielen Arbeitsgruppen durchgesetzt [19, 20, 21, 22].

Material und Methode

In dieser Studie wurden 40 Patienten nachuntersucht, bei denen 44 Halbwirbel in unserem Hause über einen rein dorsalen Zugang reseziert wurden mit transpedikulärer Stabilisierung (23 weiblich, 21 männlich). Die vorhandenen Aufzeichnungen sowie die Röntgenaufnahmen wurden retrospektiv ausgewertet.

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