Arzt und Recht - OUP 01/2014
Honorarärzte in der Arztpraxis – Pflicht zur (Nach-)Zahlung von Sozialversicherung?
Rechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Fachanwalt für Medizinrecht, Karlsruhe
Einleitung
In der Regel führen (niedergelassene) Unfallchirurgen und Orthopäden (ambulante) = Operationen unter Beteiligung eines externen Anästhesisten durch. Seltener – aber doch – kommt es vor, dass Unfallchirurgen und Orthopäden selbst als Externe in einer Arztpraxis (Praxisvertretung) oder im Krankenhaus (Dienstvertretung) tätig werden. In den genannten Fällen erfolgt die Vergütung jedenfalls fast ausschließlich in der Form eines Zeithonorars pro Stunde oder eines Pauschalhonorars pro Einsatz auf Grundlage eines Honorar(arzt)vertrages.
Immer mehr Ärzte betätigen sich in dieser Form als Honorarärzte. Dementsprechend intensiver wurde in der letzten Zeit der bereits lange brennende Streit über die Frage geführt, ob Honorarärzte sozialversicherungspflichtige Beschäftigte oder sozialversicherungsfreie Selbstständige sind. Jüngst hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg zumindest für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Honorararzttätigkeit eines Facharztes für Anästhesiologie durch ein Berufungsurteil1 versucht, Klarheit zu schaffen. Dieser Beitrag zeigt die Hintergründe der Entscheidung, andere aktuelle Rechtsprechung sowie Kritik auf und gibt praktische Hinweise.
In den meisten Fällen verlassen sich sowohl die Auftraggeber (Praxisinhaber/Krankenhausträger) von Honorarärzten, als auch die Honorarärzte selbst aus wirtschaftlichen bzw. in der Regel steuerlichen Gründen darauf, dass die Tätigkeit von Honorarärzten selbstständig und damit insbesondere auch sozialversicherungsfrei ist. Die Zunahme der Honorarärzte ruft jedoch die Deutsche Rentenversicherung auf den Plan. Diese will im eigenen Beitragsinteresse bei der zunehmenden Anzahl der Honorarärzte geklärt haben, welchen sozialversicherungsrechtlichen Status Honorarärzte als potenzielle Arbeitnehmer haben. Im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Prüfverfahren (Statusfeststellung nach § 7a SGB IV, Meldepflichten nach §§ 28p, 28q SGB IV) versucht sie, Honorarärzte und ihre Auftraggeber in die Sozialversicherungspflicht zu zwingen.
Zu der Beurteilung einer Tätigkeit als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eine unübersichtliche Flut von Beurteilungskriterien entwickelt, die je nach Sachverhalt und Interessenlage verwendet werden. Diese Kriterien mussten auch in dem Musterprozess zur Beurteilung der Tätigkeit eines Anästhesisten als Honorararzt im Krankenhaus herangezogen werden, der nachfolgend dargestellt wird.
Sachverhalt
Der Anästhesist schloss mit dem Krankenhausträger einen „Honorarvertrag“. Darin war unter anderem Folgendes geregelt:
„Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der vertretungsweisen und stundenweisen Erbringung von ärztlichen Leistungen gemäß dem Berufsfeld eines Facharztes für Anästhesiologie. Die jeweiligen Tätigkeiten werden nach einer mündlichen Auftragsanfrage des Auftraggebers vereinbart.“
„Für den Auftragnehmer besteht kein Anspruch auf Erteilung von Einsätzen. Der Auftragnehmer ist nicht verpflichtet, Aufträge bzw. Einsätze zu übernehmen.“
„Der Auftragnehmer wird seine eigene Arztkleidung einsetzen.“
„Der Auftragnehmer übt seine Tätigkeit freiberuflich aus. Der Auftragnehmer ist kein Arbeitnehmer des Auftraggebers im Sinne des Sozialversicherungs-, Steuer- und Arbeitsrechtes. Der Einsatz des Auftragnehmers ist jeweils zeitlich begrenzt. Der Auftraggeber ist nicht der einzige Kunde des Auftragnehmers. Der Auftragnehmer hat somit das Recht, auch für dritte Auftraggeber, insbesondere Krankenhäuser, tätig zu sein.“
„Der Auftraggeber zahlt dem Auftragnehmer ein Honorar. Dieses beträgt 43,00 € je Stunde im Tagdienst und 30,00 € je Stunde im Bereitschaftsdienst. Dieses Honorar ist umsatzsteuerfrei. Der Auftragnehmer übernimmt alle sich aus dem Honorarvertrag ergebenden Steuerpflichten. Der Auftragnehmer stellt das Honorar dem Auftraggeber jeweils schriftlich in Rechnung.“
„Der Auftragnehmer schließt eine Berufshaftpflichtversicherung ab. Dem Auftraggeber wird eine entsprechende Kopie vorgelegt.“
Der Anästhesist erbrachte sowohl anästhesiologische Leistungen bei Operationen als auch intensivmedizinische Leistungen auf der Intensivstation. Hierbei hatte er weder eine besondere Funktion, noch nahm er an Besprechungen, Supervisionen etc. teil. Es stand ihm offen, bei Interesse an klinikinternen Fortbildungen teilzunehmen. Er war weder an bestimmte Anfangs- noch an Pausen- oder Endzeiten gebunden. Nur bei Übernahme eines Bereitschafts- oder Rufdienstes wurde sein Name kurzfristig im Dienstplan vermerkt, um den anderen Ärzten des Krankenhauses aus organisatorischen Gründen mitzuteilen, wer im entsprechenden Zeitraum für die anästhesiologische Betreuung von Patienten zuständig war.
Wenn ein vereinbarter Arbeitseinsatz (kurzfristig) vonseiten des Krankenhausträgers abgesagt wurde, erhielt der Anästhesist keine Vergütung. Die erforderlichen persönlichen Arbeitsutensilien brachte er mit. Auch organisierte und finanzierte er alle erforderlichen Versicherungen und Vorsorgemaßnahmen. Der Anästhesist stellte seine Leistungen gegenüber dem Krankenhausträger in Rechnung. Neben seiner Tätigkeit für den Krankenhausträger wurde der Anästhesist auch für weitere Auftraggeber tätig (Praxisvertretungen). Die Tätigkeit des Anästhesisten für den Krankenhausträger erfasste zeitlich ca. 20 % der Gesamtarbeitszeit.
In einem sogenannten Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SVB IV stellte die Deutsche Rentenversicherung Bund durch Bescheid fest, dass der Anästhesist sozialversicherungspflichtig war. Gegen diesen Bescheid richteten sich Widerspruch und Klage des Anästhesisten.
Rechtsfrage
Rechtsgrundlage des Bescheids zur Statusfeststellung ist § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV, dem zufolge insbesondere Personen, „die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind“, kraft Gesetzes von der Sozialversicherung umfasst und somit versicherungs- und insbesondere beitragspflichtig sind. Wie häufig kommt es bei der zu klärenden Rechtsfrage auf ein Wörtchen an: Das Sozialgericht und anschließend das Landessozialgericht Baden-Württemberg hatten zu klären, ob die Tätigkeit des Anästhesisten im Krankenhaus auf Grundlage des Honorarvertrages tatsächlich „nichtselbstständig“ im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV war:
§ 7 Abs. 1 SGB IV
„Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.“