Arzt und Recht - OUP 10/2013

Informationspflichten des Arztes nach dem Patientenrechtegesetz

Hinsichtlich der Verwertung der Mitteilungen von Informationen an Patienten in Rechtsverfahren ist zu differenzieren. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf den Schutz durch die Haftpflichtversicherung, der bei „überschießender“ Pflichterfüllung durch zu umfassende Information des Patienten gefährdet sein kann:

In Straf- und Bußgeldverfahren ist zur Vermeidung einer Umgehung des Selbstbelastungsverbots die Verwendung der Aussagen gegen die Ärztin oder den Arzt von deren Zustimmung abhängig. Dies ist ausdrücklich im neuen § 630c Abs. 2 Satz 3 BGB geregelt:

„Ist dem Behandelnden … ein Behandlungsfehler unterlaufen, darf die Information nach Satz 2 zu Beweiszwecken in einem gegen den Behandelnden … geführten Straf- oder Bußgeldverfahren nur mit Zustimmung des Behandelnden verwendet werden.“

Im Zivilverfahren eines Arzthaftpflichtprozesses gilt dies jedoch nicht. Insofern ist noch unklar, wie die erweiterten Informationspflichten des neuen § 630c Abs. 2 Satz 2 BGB mit den Bedingungen der Haftpflichtversicherer vereinbart werden können. Auch deshalb sollten Informationen sehr zurückhaltend und ohne jede Wertung ausschließlich in Form von Tatsachen gegeben werden. Im Zweifelsfall sollte vorher die Zustimmung der Haftpflichtversicherung eingeholt werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass durch ein pflichtwidriges Schuldanerkenntnis der Versicherungsschutz verloren geht.

Folgen eines Verstoßes gegen die Informationspflicht unklar

Im Gesetzestext ist auch nicht geregelt, welche Folgen der Verstoß gegen die Informationspflicht für die Beweislastverteilung hat. In der Regelung über die Beweislast ist lediglich entsprechend der bisherigen Rechtsprechung vorgesehen, dass der Behandelnde zu beweisen hat, dass er eine Einwilligung eingeholt und entsprechend den Anforderungen nach § 630e BGB aufgeklärt hat. Die Informationspflicht über Behandlungsfehler nach § 630c BGB ist somit nicht einbezogen.

Man wird zudem entsprechend der Rechtsprechung davon auszugehen haben, dass Fehler bei der Erfüllung der Informationspflicht zur therapeutischen Aufklärung gehören und deshalb wie Behandlungsfehler zu würdigen sind, sodass die Beweislast auch für den Fehler bei der Erfüllung der Informationspflicht grundsätzlich beim Patienten liegt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Begründung des Regierungsentwurfs. Es soll ausdrücklich lediglich „die bisherige Rechtsprechung zur Beweislastverteilung gesetzlich geregelt werden“. Ziel der Norm sei es, „die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den Beweiserleichterungen systematisch in einer Vorschrift zusammenzufassen.“

Übrige gesetzliche Regelungen: keine wesentlichen Neuerungen

Im Übrigen werden durch den Gesetzestext lediglich erstmals die Informations-pflichten ausdrücklich begrifflich von den Aufklärungspflichten des § 630e BGB unterschieden.

Darüber hinaus haben sich die Informationspflichten durch die gesetzliche Kodifizierung gegenüber dem bisher geltenden Richterrecht nicht wesentlich geändert:

  • Gemäß § 630c Abs. 2 Satz 1 BGB ist die Ärztin/der Arzt verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern (insbesondere Diagnose, voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, Therapie, zu ergreifende Maßnahmen).
  • Die Ärztin/der Arzt muss den Patienten zudem gemäß § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB in Textform über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung informieren, wenn die (vollständige) Kostenübernahme durch einen Dritten (insbesondere Krankenkasse) ausgeschlossen oder auch nur zweifelhaft ist (z.B. IGeL-Leistung). Der Patient hat ausdrücklich einen Anspruch auf Bezifferung (nicht bloße Information über das „Ob“).
  • Gemäß § 630c Abs. 4 BGB entfällt die Informationspflicht, wenn die Behandlung unaufschiebbar ist, der Patient auf die Information ausdrücklich verzichtet hat oder die Information ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist.

Praktische Umsetzung

Für die praktische Umsetzung im ärztlichen Alltag ergeben sich letztendlich fünf Fallkonstellationen:

  • 1. Es liegen Umstände vor, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, und der Patient fragt allgemein nach dem Behandlungsverlauf. Ärztinnen und Ärzte haben durch Mitteilung sämtlicher Umstände (reiner Tatsachenbericht!) ohne Auslassung der „kritischen“ Umstände den Behandlungsverlauf zu schildern.
  • 2. Es sind Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers rechtfertigen und der Patient fragt ausdrücklich nach solchen Umständen. Die Ärztin/Der Arzt hat entsprechend der gesetzlichen Informationspflicht die Frage wahrheitsgemäß zu beantworten, indem sie/er das Vorliegen dieser Umstände (ausschließlich Tatsachenbericht) bejaht oder verneint. Darüber hinaus steht es ihr/ihm frei, den Patienten auf die Aspekte hinzuweisen, die gegen die Annahme eines Behandlungsfehlers sprechen.
  • 3. Es sind Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, und der Patient fragt ausdrücklich nach dem Vorliegen eines Behandlungsfehlers. Die Ärztin/Der Arzt kann sich darauf beschränken, auch in diesem Fall lediglich die Umstände, die für die Annahme eines Behandlungsfehlers sprechen, darzulegen. Des Weiteren steht es ihm frei, hierbei gleichermaßen die Umstände, die gegen die Annahme eines Behandlungsfehlers sprechen, zu betonen und seine persönliche Wertung abzugeben, dass nach eigener Einschätzung kein Behandlungsfehler vorliegt.
  • 4. Die voranstehenden Verhaltensmöglichkeiten gelten auch für Fälle, in denen zweifelhaft ist, ob die erkennbaren Umstände die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen. Der Behandlungsverlauf ist ohne Wertung korrekt zu schildern. Auch bloße Spekulationen über die Behandlungsfehlerhaftigkeit sind nicht zu äußern.
  • 5. Es sind keine Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen. Ärztinnen und Ärzte müssen (und können bedenkenlos) sämtliche Fragen vom Patienten über den Behandlungsverlauf beantworten.

Ein Verstoß gegen die Informationspflichten durch die Ärztin/den Arzt könnte zu Schadensersatzansprüchen von Patienten führen, wobei die Patienten für die Informationspflichtverletzung, den Schaden und den kausalen Zusammenhang beweispflichtig sind. Ob darüber hinaus Sanktionen insbesondere auch nach dem Strafrecht z.B. wegen (versuchten) Betruges drohen (weil sich der Arzt durch das Verschweigen belastender Tatsachen einer ggf. vorhandenen Schadensersatzpflicht entziehen wollte/entzogen hat), kann nicht ausgeschlossen werden.

Fazit

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