Informationen aus der Gesellschaft - OUP 03/2020
Innovation Qualität Ethik 2020
Wir müssen zuverlässige und repräsentative Daten sammeln und vertrauensvoll damit umgehen. So bilden beispielsweise in der Endoprothetik die mit der Initiative unserer Fachgesellschaft gegründeten Systeme der Datenerfassung (EPRD) und Zertifizierung (EndoCert) eine gute Grundlage. Sicherlich wird auch in manchen Bereichen eine enge Zusammenarbeit zwischen medizinischen Dienstleistern wie den Krankenhäusern und medizinisch orientierten Hightech-Unternehmen notwendig sein, wie es z.B. in skandinavischen Ländern bereits etabliert ist. Wichtig dabei ist jedoch, dass wir als Interessenvertreter der Patienten Partner auf Augenhöhe sind und die Persönlichkeitsrechte und Interessen der Patienten wahren. Wir müssen zudem für eine korrekte Interpretation der Daten sorgen und die Möglichkeiten und Grenzen der digitalen Vorhersagbarkeit auf der Basis von Big Data und KI-gestützter Verfahren kritisch beurteilen.
Ohne Zweifel ist, dass die Digitalisierung in O und U ein großer Gewinn sein kann. Es ist eher die Frage, wie lange wir es verantworten können, dass diese bisher so gering eingesetzt wurde? Digitalisierte Gesundheits- und Patientenakten können den Informationsfluss zwischen Patienten, Ärzten und Pflegekräften transparenter, effizienter und sicherer gestalten. Big Data-Technologien stellen die Grundlage für die personalisierte Medizin und Theranostik dar, sei es in der Behandlung degenerativer Gelenkerkrankungen, der Sarkomtherapie oder des Polytraumamanagements. Diese Techniken erlauben es, hoffentlich zukünftig auf den Patienten zugeschnittene Therapien mit verbessertem Outcome vorzuschlagen. Bis auf weiteres trägt jedoch immer noch der Arzt die Verantwortung für den Patienten und die Entscheidung für jede Therapie, die aber zukünftig auf einer breiteren wissenschaftlichen Grundlage basiert (sog. assistant intelligence). Roboter sind ideal, um in der Pflege und im OP zu unterstützen. Ein Roboter soll einen Arzt nicht ersetzen, ihn aber unterstützen und so für ein besseres Ergebnis sorgen. Dazu müssen wir gemeinsam mit Ingenieuren und Informatikern die Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz und Robotik steuern. Die erwartbaren Effizienzgewinne aus einer digitalisierten Medizin müssen dann vor allem in mehr Zeit für Ärzte und Pflegende münden, denn gerade das Fehlen von Zeit hat die Medizin durch die Beschränkung der direkten Kommunikation und Zuwendung unmenschlicher gemacht.
Und natürlich wird sich die Ausbildung auch dahingehend wandeln (müssen). Hier ist das Ziel, digital versierte und patientenzugewandte Ärzte und Pflegende auszubilden, aber auch die Ausbildung der Entwickler, Ingenieure und Informatiker um ethisch-medizinische Anteile zu ergänzen. Was wir von amerikanischen Hightech-Unternehmen lernen können, ist die Offenheit für Vorschläge insbesondere von Jüngeren. Die jüngere Generation muss mehr einbezogen werden, um den Wandel der Ansprüche an die Medizin frühzeitig zu erkennen.
Die zukünftigen Herausforderungen in unserem Fach, sei es die Ökonomisierung oder Digitalisierung, müssen proaktiv von uns Ärzten adressiert werden. Kommen wir dieser Aufgabe nicht nach, werden fachfremde Akteure ohne Rücksicht auf Qualität, Recht oder Ethik Lösungen präsentieren und es besteht die Gefahr, dass wir zu reinen Dienstleistern ohne Gestaltungsmöglichkeiten reduziert werden. Wie können wir aber in einem Umfeld der ungleichen Machtbalance und Ressourcenknappheit für unsere Patienten diese Herausforderungen bewältigen? Gerade die aktuelle Situation zeigt, dass wir es sind, die in den systemrelevanten Berufen tätig sind und dementsprechend können und müssen wir auch auftreten. Dabei müssen wir in O und U – Kliniker, Wissenschaftler und Niedergelassene gemeinsam – nach außen den Kassen, Politikern und Unternehmen gegenüber Geschlossenheit demonstrieren und mit einer Stimme sprechen – zum Wohl unserer Patienten. Dann besteht aber eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Digitalisierung dem Arzt, Pflegenden und Patienten gemeinsame Zeit und Wertschätzung zurückgibt und die Ergebnisse verbessert.
Korrespondenzadresse
Univ.-Prof. Dr. med.
Rüdiger von Eisenhart-Rothe
Klinikum rechts der Isar
Technische Universität München
Ismaninger Straße 22
D-81675 München
eisenhart@tum.de