Übersichtsarbeiten - OUP 05/2023

Interventionelle Wirbelsäulentherapie ohne Zuhilfenahme bildgebender Verfahren

Theodoros Theodoridis, Ulricke Randel, Constantinos Georgallas

Zusammenfassung:
Das Hauptziel der interventionellen Wirbelsäulentherapie ist es, die schmerzgeplagten Rückenpatientinnen und -patienten, die möglicherweise sogar vor einem operativen Eingriff stehen, über deren Schmerzspitzen hinwegzuhelfen. Spinalnervanalgesien, epidurale Injektionen, Facettengelenk- und ISG-Infiltrationen wirken direkt am Ausgangspunkt der Nozizeption im Bewegungssegment und führen sehr häufig maßgeblich zu einer Befundbesserung. Diese Injektionen lassen sich sicher und effektiv anhand anatomischer Landmarken durchführen. Dies geschieht vor allem strahlenfrei, ohne kostenintensiven apparativen Einsatz und mit einem geringen organisatorischen und zeitlichen Aufwand.

Schlüsselwörter:
Interventionelle Wirbelsäulentherapie, Landmarken, Spinalnervenanalgesie, Facetteninjektionen, ISG-Injektionen, epidurale Therapie

Zitierweise:
Theodoridis T, Randel U, Georgallas C: Interventionelle Wirbelsäulentherapie ohne Zuhilfenahme bildgebender Verfahren
OUP 2023; 12: 200–206
DOI 10.53180/oup.2023.0200-0206

Summary: The main goal of interventional spine treatment is to help back pain patients, who may even think about surgery, get over their pain peaks. Nerve root blocks, epidural injections, facet injections and sacroiliac joint injections are procedures that influence the pathological process directly in the spine motion segment and very often lead to a significant improvement in the findings. These spinal injections can be performed safely and effectively using anatomical landmarks. Above all, this is done radiation free, without the use of expensive equipment and with low organizational effort and time.

Keywords: Interventional spine treatment, anatomical landmarks, nerve root blocks, periradicular treatment, facet injections, sacroiliac joint injections, epidural injections

Citation: Theodoridis T, Randel U, Georgallas C: Spinal injection techniques without imaging
OUP 2023; 12: 200–206. DOI 10.53180/oup.2023.0200-0206

T. Theodoridis, C. Georgallas: Orthopädische Privatpraxis Dr. med. Theodoros Theodoridis, Bochum

U. Randel: Bochum

Einleitung

Bei der interventionellen Therapie an der Wirbelsäule wird durch die lokale Injektion von Lokalanästhetika, ggf. gemischt mit Kortikosteroiden, unmittelbar am Wirbelkanal oder im Wirbelkanal selbst behandelt. Aufgrund der direkten Einwirkung an den Ausgangspunkt der Nozizeption in der Region der Primärstörung, gehört die interventionelle Therapie zu den gängigsten und erfolgversprechendsten Therapiearten bei der Behandlung der degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen. Es handelt sich hierbei um minimalinvasive Vorgehensweisen als „single-shot“-Techniken in Form von epiduralen Injektionen, Nervenwurzelblockaden und Facetten- sowie ISG-Infiltrationen [9, 27, 29, 30, 31].

Lokalanästhetika führen nach Gewebeinfiltration zur reversiblen Ausschaltung der afferenten Fasern. Da die Wirksamkeit der Lokalanästhetika mit einer Vergrößerung des Faserdurchmessers abnimmt, werden zuerst die sensiblen und bei höherer Dosierung die motorischen Nervenfasern blockiert. Angriffspunkt der interventionellen Therapie sind die sensiblen Nervenfasern. Die Verwendung höherer Konzentrationen mit vollständiger Anästhesie und Paralyse ist für die interventionelle Therapie nicht erforderlich. Ziel ist eine Herabsetzung der Erregbarkeit mit Heraufsetzen der Reizschwelle. Die schmerzlindernde Wirkung hält länger an, als von der Wirkdauer des Lokalanästhetikums zu erwarten ist. Eine wiederholte Applikation ist ggf. erforderlich [9, 31].

Hauptindikationen stellen lokale, radikuläre und pseudoradikuläre Wirbelsäulensyndrome mit einer Korrelation zwischen klinischem und bildgebendem Befund dar.

In der interventionellen Therapie unterscheidet man sog. „landmarkengestützte“ Verfahren (ohne Unterstützung bildgebender Verfahren) von Verfahren unter gleichzeitiger Kontrolle der Nadellage durch bildgebende Verfahren. Diese sind üblicherweise die Sonografie, die Durchleuchtung mittels eines Röntgenbildwandlers und die CT-Steuerung [9, 30].

Bei den landmarkengestützten Techniken werden die Injektionen nach dem Aufsuchen der palpatorisch-anatomischen Orientierungspunkten (Landmarken) nach bestimmten vorgegebenen Winkeln- und Längenangaben durchgeführt. Diese können zusätzlich durch exakte Messungen an den vorhandenen diagnostischen Bildern vor der Injektion nochmal verifiziert und bestätigt werden [30]. Diese präinterventionelle Planung macht eine landmarkengestützte Technik auch bei vorhandenen anatomischen Normabweichungen sicher durchführbar.

In der Tab. 1 werden verschiedene Merkmale und Aspekte der landmarkengestützten Interventionen im Vergleich zu Techniken unter Bildgebung dargestellt (Tab. 1).

Der zeitliche und organisatorische Aufwand der landmarkengestützten Interventionen ist im Vergleich zu allen anderen Techniken deutlich kürzer bzw. geringer. Das interventionelle Handling erfolgt ohne größere hygienische Risiken und Manipulationen am Injektionsareal. Die Injektionen werden v.a. strahlenfrei (für Patientin/Patient und Ärztin/Arzt) und ohne kostenintensiven apparativen Aufwand durchgeführt. Dadurch lässt sich auch die in der Regel notwendige Wiederholung der Injektionen in einem Behandlungszyklus in der Facharztpraxis einfacher planen und gestalten [30].

Indikationen für die Anwendung eines bildgebenden Verfahrens ergeben sich z.B. bei fehlender Wirkung einer abgelaufenen Injektionsserie ohne Bildgebung, aus besonderen anatomischen Verhältnissen mit Schwierigkeit spezielle Landmarken aufzufinden wie bei ausgeprägten Skoliosen, Übergangsanomalien oder sehr adipösen Patientinnen und Patienten [27, 30, 31]. Aber auch bei der interventionellen Diagnostik ist immer ein bildgebendes Verfahren notwendig, wenn z.B. eine Kontrastmitteldarstellung einer Nervenwurzel präoperativ erforderlich ist [9].

Alle Verfahren haben schließlich eine lange Lernkurve und ein gemeinsames Ziel. Neben der schnellen Beschwerdelinderung gilt es, die komplikationsträchtigen offenen Operationen zu vermeiden, welche irreversible Folgeerscheinungen hinterlassen können. Dies ist bei einer sorgfältig durchgeführten Injektionstherapie nicht der Fall [29].

Anatomische Landmarken

Voraussetzung für die lokale Palpation und das Aufsuchen der für die landmarkengestützte Interventionstherapie wichtigen neuroanatomischen Orientierungspunkte sind Kenntnisse in der topografischen und morphologischen Anatomie. Das gezielte Ertasten der konkreten Landmarken gelingt oft erst nach dem Aufsuchen von weiteren benachbarten und teilweise fernen Leitstrukturen (Abb. 1) [22].

HWS/BWS

Die eindeutige Identifizierung des Dornfortsatzes C7 und die topografische Differenzierung zu den benachbarten Dornfortsätzen des 6. Halswirbels (C6) und des 1. Thorakalwirbels (Th1) sind für die schmerztherapeutischen Injektionstechniken an der Hals- und Brustwirbelsäule äußerst relevant. Weitere Landmarken für Interventionen an der Brustwirbelsäule sind die Dornfortsätze Th3 und Th7. In Höhe des Angulus medialis, des dreieckförmigen Beginns der Spina scapulae, findet sich der Dornfortsatz Th3 und in Höhe des Angulus inferior, der unteren Begrenzung der Scapula, findet sich der Dornfortsatz Th7 (Abb. 1) [30].

LWS

Die eindeutige Identifizierung der Beckenkämme, der Spina iliaca posterior superior auf beiden Seiten (SIPS) und der Dornfortsätze L3, L4, L5 und S1 sind für alle Injektionstechniken an der Lendenwirbelsäule äußerst relevant.

Als „intercrestal line“, auch bekannt als Tuffier´s line oder Jacoby´s line, bezeichnet man eine horizontale Linie, die beide Darmbeinkämme verbindet. Sie durchquert in der Regel den Dornfortsatz L4 (Abb. 1). Das wird in der Literatur im Rahmen von mehreren klinisch-radiologischen und anatomischen Studien verifiziert [5, 14, 33].

Die Palpation erfolgt durch ein bimanuelles Aufsuchen der Beckenkämme. Anschließend gleiten die Daumen von lateral über die hinteren Darmbeinstacheln nach medial bis zur Spina iliaca posterior superior (SIPS).

Nach der Palpation und korrekter Ermittlung der Beckenkammhöhe und der SIPS erfolgt nun das Aufsuchen der unteren lumbalen Dornfortsätze. Die Dornfortsätze L1 bis L4 sind länglich geformt, dagegen ist der Dornfortsatz L5 kleiner und hat eine eher rundlichere Form. Der Dornfortsatz S1 findet sich in Höhe der SIPS und ist selten tastbar (Abb. 1).

Nach Beendigung des Palpationsvorgangs sollte man die ertasteten Strukturen und deren Begrenzungen auf die Patientinnen-/Patientenhaut aufmalen. Anschließend erfolgt das Aufsuchen der Einstichstelle entsprechend der Vorgaben und Messungen für die jeweils geplante Injektionstechnik. Das Markieren der Einstichstelle erfolgt am einfachsten durch Drehen eines Kugelschreibers mit eingefahrener Mine auf der Haut. Dadurch erhält man eine Markierungsstelle, die auch nach der präinterventionellen Desinfektion noch deutlich sichtbar ist [27].

Landmarkengestützte
Injektionsstechniken

Zervikale
Spinalnervenanalgesie (CSPA)

Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 5 ml Mepivacainhydrochlorid 0,5 %), ggf. gemischt mit Kortikosteroiden (Off-Label-Use) mit einer 6–8 cm langen Kanüle an der Austrittsstelle der zervikalen Spinalnervenwurzel aus dem Foramen intervertebrale. Hauptindikationen sind die am häufigsten in diesem Wirbelsäulenbereich vorkommenden C6 und C7 Wurzelreizsyndrome mit Irritation in den entsprechenden Segmenten C5/C6 und C6/C7 [30, 31].

Technik:

Sitzende Position, Kopfvorneigung ca. 30°–40°

Palpation und Markieren der Dornfortsatzspitzen C5, C6 und C7

Senkrechter Einstich 3–4 cm lateral der Medianlinie auf der halben Distanz zwischen 2 Dornfortsätzen bis zum Rand der Seitenmassen der Halswirbelbögen

Wurzel C6: 3,5–4 cm lateral bei C5/6 (Abb. 2)

Wurzel C7: 3,5–4 cm lateral bei C6/7) (Abb. 3)

Nach Knochenkontakt Stichrichtung nach kraniolateral oberhalb der Knochenbegrenzung, Vorschieben etwa 0,5–1 cm (Abb. 3)

Zervikale Facetteninfiltration (Fac. Zervik.)

Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 5–10 ml Mepivacainhydrochlorid 0,5 %), ggf. gemischt mit Kortikosteroiden mit einer 6–8 cm langen Kanüle an den zervikalen Wirbelgelenkkapseln. Hauptindikationen sind das lokale und pseudoradikuläre Zervikalsyndrom sowie das Zervikozephalsyndrom.

Technik:

Sitzende Position, Kopfvorneigung ca. 20°–30°

Palpation und Markieren der Dornfortsatzspitzen C5, C6 und C7

Senkrechter Einstich 2 cm lateral der Medianlinie auf der halben Distanz zwischen 2 Dornfortsätzen bis zum jeweiligen Facettengelenk (Abb. 4)

Klinische Relevanz der
landmarkengestützten
interventionellen Therapie an der Halswirbelsäule

Im Mittelpunkt der landmarkengestützten interventionellen Therapie an der Halswirbelsäule steht eine Serie von zervikalen Spinalnervanalgesien, ergänzt durch Facetteninfiltrationen. Okzipitalnerv- und Triggerpunktinfiltrationen erweitern, je nach Indikation und Krankheitsausprägung, das Behandlungsprogramm. Beide Techniken stellen eine Alternative zu aufwendigen Dekompressionsoperationen dar [31].

Thorakale Facetteninfiltration (Fac. thorakal.)

Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 5 ml Mepivacainhydrochlorid 0,5 %), ggf. gemischt mit Kortikosteroiden mit einer 6–8 cm langen Kanüle an den thorakalen Wirbelgelenkkapseln. Hauptindikationen sind das lokale- und pseudoradikuläre Thorakalsyndrom [30, 31].

Technik:

Sitzende Position, leicht kyphosierte BWS

Palpation und Markieren der Dornfortsatzspitzen C7, Th1, Th3, Th7 zur topografischen Orientierung und anschließend Aufsuchen der betroffenen Dorfortsätze

Senkrechter Einstich 1 cm lateral der Dornfortsatzoberkante bis zum jeweiligen Facettengelenk (Knochen-Kapselkontakt) (Abb. 5)

Klinische Relevanz der
landmarkengestützten
interventionellen Therapie an der Brustwirbelsäule

Mit der interventionellen Therapie an den thorakalen Bewegungssegmenten können Irritationen von Nozizeptoren in den Facettengelenken, den Kostotransversalgelenken und den thorakalen Spinalnerven behandelt werden. Es besteht jedoch ein hohes Pneumothoraxrisiko. Insgesamt empfiehlt sich eine weitgehende Zurückhaltung bei der Injektionsbehandlung an der Brustwirbelsäule, da lokale und radikuläre Thorakalsyndrome einen gutartigen selbstlimitierenden Verlauf zeigen. Die thorakale Facetteninfiltration ist von allen Injektionstechniken an der Brustwirbelsäule am sichersten [27, 30, 31].

Lumbale
Spinalnervenanalgesie (LSPA)

Posterolaterale Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 10 ml Mepivacainhydrochlorid 0,5 %), ggf. gemischt mit Kortikosteroiden (Off-Label-Use) mit einer 12 cm langen Kanüle an der Austrittsstelle der lumbalen Spinalnervenwurzel aus dem Foramen intervertebrale. Hauptindikationen sind die am häufigsten in diesem Wirbelsäulenbereich vorkommenden L3-, L4-, L5- und S1-Wurzelreizsyndrome mit Irritation in den entsprechenden Segmenten L3/4, L4/5 und L5/S1 [30, 31].

Technik:

Sitzende Position

Palpation und Markieren der Beckenkämme, der SIPS und der Dornfortsätze L3, L4 und L5

Ausgehend von einer Einstichstelle 8 cm lateral der Medianlinie in Höhe der Beckenkämme erfolgt die Einstellung der 12 cm langen Kanüle auf 60° in der Horizontalebene

Abhängig von der Segmentirritation gibt es 3 Stichrichtungen (Einstich bis zum Knochenkontakt/foraminoartikuläre Injektion):

horizontaler Einstich: Wurzel L3 (Region L3/4)

kraniales Anwinkeln um 30°: Wurzel L4 (Region L4/5)

kraniales Anwinkeln um 50°: Wurzel L5 (Region L5/S1) (Abb. 6)

Mit dieser schrägen Einstichtechnik erreicht man einen sicheren Knochenkontakt im posterolateralen Anteil des Lendenwirbels. Dies ist auch der wesentliche Unterschied zu den Techniken von Reischauer [23] und Macnab und Dall [15].

Lumbale Facetteninfiltration (Fac. Lumbal)

Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 10 ml Mepivacainhydrochlorid 0,5 %), ggf . gemischt mit Kortikosteroiden mit einer 6–8 cm langen Kanüle an den lumbalen Wirbelgelenkkapseln. Hauptindikationen sind das lokale-, und pseudoradikuläre Lumbalsyndrom sowie das lumbale Facettensyndrom.

Technik:

Sitzende Position

Palpation und Markieren der Beckenkämme, der SIPS und der Dornfortsätze L3, L4 und L5

Senkrechter Einstich 2 cm (Fac. L3/4 u. L4/5) (Abb. 7) bzw. 2,5 cm (Fac. L5/S1) lateral der Medianlinie auf der halben Distanz zwischen 2 Dornfortsätzen bis zum jeweiligen Facettengelenk (Knochen-Kapselkontakt)

Ligamentäre Infiltration am Iliosakralgelenk (ISG-Block)

Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 10 ml Mepivacainhydrochlorid 0,5 %), ggf. gemischt mit Kortikosteroiden mit einer 6–8 cm langen Kanüle an den dorsalen Bandapparat der Sakroiliakalgelenke und an den Ansätzen des Lig. iliolumbale. Hauptindikationen sind das ISG-Syndrom mit oder ohne Blockierung, das lokale-, und pseudoradikuläre Lumbalsyndrom und ggf. die Sakroiliitis [30, 31].

Technik:

Sitzende Position

Palpation und Markieren der Beckenkämme, der SIPS und der Dornfortsätze L3, L4, L5, Aufsuchen und Markieren des Dornfortsatzes S1

Einstich nach lateral in Höhe des Dornfortsatzes S1 genau in der Mittellinie zwischen der Medianlinie und der gleichseitigen SIPS in 45°-Winkeleinstellung bis zum jeweiligen ISG-Gelenk (Knochenkontakt/ligamentäre Infiltration)

Epidurale dorsale Injektion (Epi dorsal/Epi gerade)

Dorsale interlaminäre Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 5–10 ml Naropin 2 mg/ml) ggf. gemischt mit Kortikosteroiden (Off-Label-Use) mit einer 7,5 cm langen Spinocan-Kanüle in den dorsalen lumbalen Epiduralraum. Hauptindikationen sind das polyradikuläre Lumbalsyndrom und die zentrale Spinalkanalstenose [30, 31].

Technik:

Sitzende Position

Palpation und Markieren der Beckenkämme, der SIPS und der Dornfortsätze L3, L4 und L5

Senkrechter Einstich einer mit physiologischer Kochsalzlösung gefüllten „loss of resistance“-Spritze genau in der Medianlinie zwischen den Dornfortsätzen, meistens zwischen L3 u. L4 sowie L4 u. L5

Langsames Vorschieben unter kontinuierlichem Andruck am Spritzenstempel bis ein schlagartiger Widerstandsverlust entsteht („loss of resistance“-Technik/Erreichen des Epiduralraums)

Auswechseln der NaCl-Spritze gegen die LA-Spritze, epidurale Injektion

Epidurale perineurale Injektion (Epi peri)

Dorsale schräg-kontralaterale interlaminäre Injektion eines niedrigkonzentrierten Lokalanästhetikums (z.B. 1 ml Naropin 2 mg/ml) ggf. gemischt mit Kortikosteroiden (Off-Label-Use) unter Verwendung eines Doppelnadelsystems mit einer Führungskanüle und einer 12 cm langen 29-G-Spinocan-Kanüle in den anterolateralen Epiduralraum im Segment L5/S1. Hauptindikationen sind das monoradikuläre Wurzelreizsyndrom L5 und S1 [27, 28, 30, 31].

Technik:

Sitzende Position

Palpation und Markieren der Beckenkämme, der SIPS und der Dornfortsätze L3, L4 und L5, Aufsuchen und Markieren des Dornfortsatzes S1

Einstich einer 3,5 cm langen Führungskanüle 1 cm unterhalb und 1 cm kontralateral des Dornfortsatzes L5

in einem Winkel von 15–20° schräg bis zum Lig. flavum [28]

Einführen der 29-G Kanüle durch die Führungskanüle. Vorschieben der Kanüle bis zum anterolateralen Epiduralraum L5/S1 (Abb. 8)

Aufsetzen der 1 ml-Spritze, epidurale-perineurale Injektion anterolateral

In einer Studie von Teske et al. [25] wurden Voluminamessungen des anterolateralen Epiduralraums L5/S1 durchgeführt. Dabei kam heraus, dass ganz geringe Volumina ausreichen (ca. 1 ml) um beide Nervenwurzeln (L5 und S1) zu umfluten.

Klinische Relevanz der
landmarkengestützten
interventionellen Therapie an der Lendenwirbelsäule

Die „Wetterecken“ im lumbalen Bewegungssegment sind der anterolaterale Epiduralraum, die foraminoartikuläre Region und die Kapseln der Wirbelgelenke. Diese erreicht man am besten mit der epiduralen-perineuralen Injektion, mit der Spinalnervenanalgesie und mit der Facetteninfiltration. Bei starken Schmerzen durch Nervenwurzelreizerscheinungen können lumbale Spinalnervenanalgesien sogar täglich an mehreren Tagen durchgeführt werden. Epidurale Injektionen sowie Facetten- und ISG-Infiltrationen können diesen Teil des Behandlungsprogramms ergänzen. Je nach Schweregrad können die Injektionen ambulant oder stationär durchgeführt werden.

Ergebnisse in der Literatur

Es gibt zahlreiche Untersuchungen über die Bedeutung der Wirbelgelenke bei der Entstehung von Rücken-/Beinschmerzen [3, 8, 16, 17, 20, 24, 35]. Studien mit bildgesteuerten Injektionen konnten nachweisen, dass bereits geringe Mengen eines Lokalanästhetikums (0,3–0,5 ml) ausreichen, um den Ramus medialis an den Wirbelgelenken sicher zu umfluten und zu anästhesieren [1, 7]. Eine Arbeit von Manchikanti [18] mit weiteren 54 Autoren, die gleichzeitig die Guidelines der American Association of Interventional Pain Physicians darstellt, weist eine gute Evidenz bezüglich der diagnostischen Blockaden an den Facetten- und ISG-Gelenken sowie eine gute Evidenz für die epidurale und transforaminale Injektionstherapie zur Behandlung der Radikulopathie beim Bandscheibenvorfall und eine befriedigende Evidenz bei der Spinalkanalstenose. Eine befriedigende bis gute Evidenz findet sich bei den therapeutischen Blockaden. Hingegen findet sich nur eine limitierte Evidenz bei den intraartikulären Facetteninjektionen und bei den diagnostischen Nervenwurzelblockaden. In dieser umfassenden Arbeit wurden insgesamt über 2400 Arbeiten aus den Jahren 1966–2012 berücksichtigt und ausgewertet [30]. Zur Wirksamkeit epiduraler Injektionen beim lumbalen Wurzelkompressionssyndrom liegen weitere Ergebnisse aus randomisiert-kontrollierten Studien vor [4, 6 10, 11, 12, 19, 32, 34]. Zur epiduralen-perineuralen Injektionstechnik mit dem Doppelnadelsystem gibt es insgesamt 3 Studien, alle mit einer positiven Evidenz. Untersucht wurde die Wirksamkeit von Lokalanästhetika mit Steroiden [13], von Orthokin [2] (vom Eigenblut hergestelltes Protein mit antiphlogistischer Wirkung) und vom Lokalanästhetikum allein [21, 26].

Schlussfolgerung

Die interventionelle Therapie an der Wirbelsäule ohne Zuhilfenahme bildgebender Verfahren stellt eine wichtige Therapiemaßnahme für schmerzgeplagte Rückenpatientinnen und -patienten dar. Dadurch, dass direkt lokal im Bewegungssegment strahlenfrei und ohne wesentlichen zeitlichen, organisatorischen und apparativen Aufwand behandelt wird, hat diese Therapieform vor allem in der Facharztpraxis einen besonders hohen Stellenwert. Lokale, radikuläre und pseudoradikuläre Wirbelsäulensyndrome mit einer Korrelation zwischen klinischem und bildgebendem Befund stellen meistens die Hauptindikationen dar. Insgesamt zählt die interventionelle Wirbelsäulentherapie zu den sichersten und wirksamsten Methoden der orthopädischen/unfallchirurgischen Schmerztherapie.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Theodoros Theodoridis

Orthopädische Privatpraxis

Viktoriastraße 66–70

44787 Bochum

info@dr-theodoridis.de

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