Arzt und Recht - OUP 07-08/2015
Ja oder Nein? Übermittlung von Rezepten per Fax und Telefon*
Es ist nicht selten gängige Praxis: Rezepte werden direkt an die Apotheke gefaxt. Doch damit bewegt sich die Ärzteschaft auf äußerst dünnem Eis. Das Bereithalten von Rezepten zur Abholung in einer Arztpraxis auf Wunsch der Patienten ohne Notfalllage stellt aus Sicht der Rechtsprechung (zuletzt OLG Saarbrücken, Urteil vom 25.09.2013, Az. 1 U 42/13) einen unzulässigen Betrieb einer nicht genehmigten Rezeptsammelstelle dar.
In dem zu entscheidenden Fall hatte eine Apothekerin einen konkurrierenden Apotheker auf Unterlassung des Betreibens von nicht genehmigten Rezeptsammelstellen in Anspruch genommen. Anlass war, dass drei verschiedene Arztpraxen innerhalb von acht Werktagen etwa 70 Rezepte per Telefax an die beklagte Apotheke versandt hatten und die Apotheke die verordneten Medikamente dann per Boten direkt an die Patienten auslieferte. Danach fuhr ein Bote der Apotheke bei den Arztpraxen vorbei und sammelte die Originalrezepte ein.
Die Gerichte stützen ihre Entscheidung auf § 24 Apothekenbetriebsordnung ApBetrO (Textauszug siehe Kasten). Danach dürfen Rezeptsammelstellen aus Gründen der Arzneimittelsicherheit nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde (Absatz 1) und nicht bei Angehörigen der Heilberufe unterhalten werden (Absatz 2). Ein Verstoß ist bereits dann anzunehmen, wenn die Verschreibungen von der Arztpraxis nur gefaxt oder fernmündlich übermittelt oder wenn sie von Mitarbeitern der Arztpraxis oder Apotheke in die Betriebsräume des Apothekers gebracht werden, es sei denn für die entsprechende Handhabung besteht im Einzelfall ein nachvollziehbarer medizinischer Grund. Dieser könne sich aus der Qualität der Versorgung, der Vermeidung von Wegen für Gehbehinderte oder aus schlechten Erfahrungen ergeben, die Patienten bei anderen Anbietern gemacht haben.
Allein die Bequemlichkeit eines Versorgungsweges des Patienten ist kein hinreichender Grund, der die Übermittlung der Rezepte per Telefax oder telefonisch an eine Apotheke seitens der Arztpraxis rechtfertigt. Die Ratio des § 24 ApBetrO besteht darin, den Anschein einer wirtschaftlichen Vernetzung zwischen Arztpraxen und Apotheken bei der Abgabe von Medikamenten und damit den Eindruck einer Beeinträchtigung der ärztlichen Unabhängigkeit zu vermeiden. Das Allgemeininteresse an einer inhaltlichen und organisatorischen Trennung beider Berufsgruppen geht den privaten Wünschen der Patienten vor.
Aufgrund der großen Anzahl der übermittelten Rezepte im Fall des OLG Saarbrücken war der Senat der Ansicht, dass es sich bei diesen Fällen nicht ausnahmslos um begründete Einzelfälle handeln kann. Die Vorgehensweise belegt vielmehr eine Absprache zwischen den Ärzten und dem Apotheker sowie Bequemlichkeitserwägungen zugunsten der Patienten. Zwar ist es durchaus denkbar, dass Patienten von sich aus den Wunsch äußern, das verschriebene Medikament von einem bestimmten Apotheker zu erhalten. In der Regel ist es dem Patienten aber gleichgültig, welcher Apotheker sie mit dem verschriebenen Medikament versorgt, weil keinerlei Qualitätsunterschiede der Medikamente bestehen.
Der Apotheker konnte sich auch nicht damit entlasten, dass ein Teil der Rezepte Patienten aus einer Einrichtung betraf, mit der er einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hatte. Insoweit stellt der Senat klar, dass es Aufgabe des Heimträgers und nicht der behandelten Ärzte ist, sich um die Einlösung der Rezepte zu kümmern. Es wäre daher lediglich dann zulässig gewesen, wenn die Rezepte durch die Heimmitarbeiter gesammelt und der Apotheke übermittelt worden wären.
Die beklagte Apotheke musste sich im Ergebnis das Sammeln der Rezepte durch die beteiligten Ärzte zurechnen lassen, da wegen der Anzahl der übermittelten Rezepte aus Sicht des Gerichtes belegt war, dass es sich um ein konzentriertes, vom dem – zumindest konkludenten – Einverständnis der beklagten Apotheke getragenes Vorgehen gehandelt hat.
Zudem weist die Rechtsprechung darauf hin, dass ein Verstoß gegen den ungenehmigten Betrieb einer Rezeptsammelstelle in Arztpraxen zumeist mit einem Verstoß gegen das in § 11 Apothekengesetz ApoG (Textauszug siehe Kasten) verankerte Abspracheverbot zwischen Ärzten und Apothekern einhergeht, da Absprachen auch stillschweigend erfolgen können. Hiergegen kann man zwar einwenden, dass die direkte Übermittlung von Verordnungen an eine Apotheke nicht auf einer Absprache zwischen Arzt und Apotheker beruhen muss. Einer solchen Argumentation begegnet die Rechtsprechung aber mit hohen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast. Findet die direkte Übermittlung von der Praxis an den Apotheker über längere Zeit und in größerem Umfang statt, so sei bei lebensnaher Betrachtung von einer zumindest stillschweigenden Absprache auszugehen. Das Fehlen einer solchen Absprache müssten Arzt oder Apotheker darlegen und beweisen. Der Beweis, dass etwas nicht existiert, also keine, zumindest konkludente, Absprache vorliegt, wird aber kaum jemals zu führen sein. Zudem kommt es bei dem Verbot der Zuleitung von Verordnungen nicht darauf an, ob irgendwie geartete wirtschaftliche Absprachen – die selbstverständlich ebenfalls unzulässig wären – zwischen Arzt und Apotheker bestehen.
Wird ein Rezept von Seiten einer Arztpraxis direkt an eine Apotheke gefaxt oder der Rezeptinhalt telefonisch seitens der Praxis „bestellt“, ist dies regelmäßig unzulässig. Nur in medizinisch begründeten Einzelfällen oder auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten, ein Medikament von einem bestimmten Apotheker ausgehändigt zu bekommen, hält die Rechtsprechung diese Vorgehensweise für zulässig. Dasselbe gilt für eine Notfallsituation..
Dr. Thomas K. Heinz
Rechtsanwalt,
Fachanwalt für Medizinrecht
E-Mail: dr.tkheinz@freenet.de
Fussnoten
* Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors aus dem Hessischen Ärzteblatt 4/2015, S. 222–223
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