Übersichtsarbeiten - OUP 06/2016

Kalkar-geführte Kurzschäfte in der Hüftendoprothetik – eine Übersicht

Gewichtslimits werden von den Herstellern nur bei sehr kleinen Implantatgrößen vereinzelt bei Hüftschäften angegeben. Insbesondere bei Kurzschäften, die eine andere Kraftverteilung und Hebelwirkung aufweisen als konventionelle Geradschäfte, bestehen jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch Unsicherheiten. In einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung der patientenbezogenen Einflüsse auf die axiale Sinterung eines kalkar-geführten Kurzschafts fiel eine leichtgradig vermehrte Kaudalmigration vor allem bei übergewichtigen Patienten auf [22]. Interessanterweise hatte aber ein erhöhter Body Mass Index (BMI) keinen negativen Einfluss auf die initiale Stabilität. Im Hinblick auf die klinischen Ergebnisse konnte jedoch nach 2 Jahren keinerlei Unterschied festgestellt werden zwischen Patienten mit und ohne initiale Nachsinterung. Auch konnte nach 2 Jahren nahezu keine zusätzliche Migration gemessen werden [22]. Der Optimys-Schaft, mit dem wir die meiste Erfahrung haben, wird von Beginn an in einer Multi-Center-Studie erfasst. Bei der Auswertung der ersten 760 Patienten wurden diese in 3 BMI-Klassen unterteilt: < 25, 25–30, > 30 BMI. Bezüglich der Ergebnisse konnten nach 2 Jahren keine eindeutigen implantatbezogenen Unterschiede festgestellt werden. Gelegentliche leichte Sinterungen nach Belastung fanden sich in allen BMI-Klassen [28]. Auch für andere zementfreie Standard- und Kurzschäfte werden häufig initiale Sinterungen mit Stabilisierung im zeitlichen Verlauf beschrieben [29, 30]. Als einer der Gründe für eine initiale Nachsinterung konnte die Tendenz zum „undersizing“ ausgemacht werden. Bei der Implantation sollte stets darauf geachtet werden, lateral distal kortikalen Kontakt zu erreichen. Dies gilt insbesondere bei übergewichtigen Patienten (Abb. 5).

Wie für konventionelle Geradschäfte in der Literatur ausführlich beschrieben, finden sich bei sehr adipösen Patienten selbstverständlich auch nach Implantation eines Kurzschafts vermehrt Wundheilungsstörungen und systemische Komplikationen [31, 32].

In Einzelfällen können mit Kurzschäften sogar Revisionen durchgeführt werden. So kann z.B. beim Versagen eines Oberflächenersatzes die Zweitoperation mit einem Kurzschaft erfolgen (Abb. 6). Auch nach Infekt eines Standardschafts konnte ein Kurzschaft erfolgreich reimplantiert werden.

Mit der Revision von Kurzschäften gibt es noch nicht viel Erfahrung. Wegen der Kürze des Implantats dürfte es leichter sein, das Implantat endofemoral frei zu meißeln. Es kann dann bei gutem Knochenerhalt durchaus zunächst ein Standardimplantat eingesetzt werden, bevor längere Implantate notwendig werden, wovon gerade junge Patienten profitieren, denen möglicherweise mehrere Wechsel bevorstehen.

Zusammenfassung

In der modernen Hüftendoprothetik werden Kurzschäfte in Deutschland immer beliebter. Innerhalb der Gruppe der Kurzschäfte gibt es allerdings erhebliche Unterschiede. Allen gemeinsam ist, dass sie Knochen sparen und sich optimal für schonende und minimalinvasive Implantationstechniken eignen. Doch nur wenige Implantate waren in den letzten Jahren in der Lage, diese Anforderungen zusammen mit verlässlichen und exzellenten klinischen Ergebnissen zu erfüllen.

Vor allem für junge und aktive Patienten scheinen kalkar-geführte Kurzschäfte der neuesten Generation ein ideales Implantat zu sein – mit dem Potenzial, ein Standardimplantat zu werden. Aber auch für Patienten hohen Alters und mit multiplen Nebenerkrankungen können diese Implantate aufgrund der Vorteile in vielen Fällen eine gute Wahl darstellen. Eine eingeschränkte Knochenqualität und Übergewicht erfordern eine vorsichtige Indikationsstellung. Indikationsgrenzen für kalkar-geführte Kurzschäfte müssen in zukünftigen Studien noch erarbeitet werden. Etliche kurz- und mittelfristige Ergebnisse sind bisher sehr vielversprechend [33] (Tab. 2). Langzeitergebnisse müssen jedoch kritisch und mit großer Aufmerksamkeit verfolgt werden.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

Dr. med. Sabine Mai

Vitos Orthopädische Klinik Kassel gGmbH

Wilhelmshöher Allee 345

34131 Kassel

sabine.mai@vitos-okk.de

Literatur

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2. Jerosch J: Kurzschaftendoprothesen: Wo liegen die Unterschiede? Köln: Deutscher Ärzteverlag 2013

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