Übersichtsarbeiten - OUP 06/2014

Kitesurfen – sportmedizinische Aspekte, Risikofaktoren und Verletzungen

Die Power-Kites sind Lenkdrachen mit einem Flügelprofil. Die Kites sind aus speziellem, ultraleichten, Wasser abweisendem und luftdichtem Segeltuch gefertigt. Bei schwächerem Wind werden Kites von 12–18 m2 Größe verwendet, bei starkem Wind kleinere Kites mit 5–12 m2 Größe. Die derzeit am häufigsten verwendeten Tubekites werden über 4 Leinen gefahren, wobei 2 Leinen zum Steuern der Flugrichtung (Frontlines) des Kites dienen und 2 Leinen zur Änderung des Anstellwinkels (Depower-, bzw. Backlines). Die technische Weiterentwicklung der Kites und ihrer Steuerelemente hat in den letzten Jahren zu einer deutlichen Verbesserung der sogenannten Depower-Eigenschaften geführt, wodurch dem Kite schnell und effektiv die Kraft genommen werden kann [2]. Durch diese Verbesserungen, sowie durch Innovationen im Bereich der Safety-Release-Mechanismen konnten die Kitekontrolle verbessert und die Sicherheit deutlich gesteigert werden (Abb. 3).

Das Board

Das klassische Surfboard mit Schlaufen und Finnen und einer Länge von 1,5–2,3 m wird als sogenanntes Directional mit oder ohne Fußschlaufen gefahren. Neben ihrer Verwendung als Leichtwindbretter werden sie gehäuft beim Kitesurfen in der Welle eingesetzt. Die beliebtesten Kiteboards, die Bidirectionals, sind 1,2–1,5 m lang. Die Form entspricht in etwa dem eines Wakeboards, sie können in beide Richtungen gefahren werden und eignen sich besonders für Sprünge und Tricks. Das Volumen – und somit ihre Auftriebseigenschaften – der meisten Boards ist gering, sodass sie im Notfall nicht als Schwimmhilfe verwendet werden können. Zwei Fußschlaufen ermöglichen einen festen Stand am Board in jeder Fahrsituation. Im Fall eines Sturzes ist jedoch meist das schnelle Lösen vom Board möglich, wodurch Rotationstraumata der Kniegelenke vermieden werden können. Wenn sich der Kitesurfer nur aus einer Schlaufe lösen kann, können typische Verletzungsmuster wie bei Rotationstraumata auftreten, z.B. Kreuzbandrupturen, Meniskus- und Seitenbandläsionen. In den letzten Jahren kommen vor allem beim Wake-Style vermehrt feste Bindungen aus dem Wakeboarden zum Einsatz, die zwar mehr Stabilität am Brett mit sich bringen, jedoch auch ein höheres Verletzungspotenzial aufgrund der fixierten Verbindung zwischen Kitesurfer und Board. Für Kursrennen werden breite Raceboards verwendet. Eine neue Entwicklung stellen die Foil Boards dar, die aufgrund der verminderten Kontaktfläche mit dem Wasser noch höhere Geschwindigkeiten erlauben. Der aktuelle Geschwindigkeitsrekord liegt bei 104,86 km/h.

Sonstige Ausrüstung

Der Kite wird über äußerst reißfeste Leinen mit glatter Oberflächenstruktur (2 mm Spektra-Leinen – Bruchlast ca. 2000 N) gefahren. Die Länge der Leinen und somit der Aktionsradius des Kites beträgt 18–28 m. Das ist auch der Mindestsicherheitsabstand, den der Kitesurfer nach Lee (der windabgewandten Seite) und nach oben benötigt. Als Steuerungsmittel wird eine 40–70 cm breite, griffige Stange (Bar) verwendet, an der die Leinen befestigt sind. Der Surfer trägt einen Trapezgurt, wie er auch beim Windsurfen verwendet wird. Etwa 50 % des Körpergewichts werden übertragen [2]. Die „Depower“-Funktion, durch welche der Anstellwinkel des Kites zum Wind verringert werden kann, wird über die Anknüpfpunkte der Lines am Kite vorgetrimmt und über den „Adjuster“ und über die Distanz der Bar zum Trapez gesteuert (Abb. 3). Die Kombination aus Kite- und Boardsteuerung macht das Beherrschen des Kitesurfens zu einer komplexen Aufgabe.

Sportmedizinischer Aspekt: Verletzungen und
Risikofaktoren

Die Autoren waren im Zeitraum 2002–2013 mit der sportmedizinische Betreuung der jährlich ausgetragenen Kitesurf Worldcup-Veranstaltung in Podersdorf/Österreich betraut. Im Rahmen dieser sportmedizinischen Betreuung wurde das internationale Kollektiv der Kitesurfer anhand eines standardisierten Fragebogens abgefragt. Aktuelle oder rezente Verletzungen wurden medizinisch untersucht und behandelt. Bedingt durch die leistungsorientierte Selektion des Starterfelds waren über den Zeitraum von 11 Jahren Analysen über die Entwicklung von Überlastungssyndromen und Verletzungen möglich [3, 4, 5, 6, 7].

Eine prospektive Studie hat die Aussage über ein allgemeines Verletzungsrisiko von 7 pro 1000 Stunden Sportausübung in einem gemischten Kollektiv treffen können. Es handelt sich um eine internetbasierte Studie, die mit Fragebögen durchgeführt wurde. Die Untersuchung berücksichtigt die Daten aus dem deutschsprachigen Raum von 2000–2001 [8, 9, 10]. Die Verletzungslokalisation entsprach mit 28 % Fuß und Sprunggelenk, 14 % Kopf, 13 % Rumpf und Rippen sowie 13 % Knieverletzungen in etwa der Verletzungsverteilung eines österrei chischen Kollektivs [4, 7]. Bei 56 % aller Verletzungen wurde als Ursache angeführt, dass der Kite in einer kritischen Situation nicht vom Trapezgurt getrennt werden konnte. Als dominanter Risikofaktor wurde in den Studien bis 2004 das schlecht entwickelte Safety-Release-System nachgewiesen.

Verletzungsmechanismen: Abschürfungen, Prellungen und Distorsionen entstehen bei Stürzen an Land sowie im flachen Wasser bzw. über Riffen, Sandbänken und weiteren Hindernissen. Abschnürungsverletzungen können beim Hantieren und Verheddern mit den Leinen entstehen, wobei hier insbesondere die Finger gefährdet sind. Sprunggelenk- und Knieverletzungen entstehen meist durch harte Landungen sowohl am Wasser als auch bei Start und Landung des Kites.

Rippenverletzungen: Als sportartspezifisches Überlastungssymptom beschrieb Kristen KH bereits 2002 [5] die Stressfraktur der Rippen, bevorzugt der 7. bis 9. Rippe. Als Ursache wird hier der Druck des Trapezgurts in der Taille in Kombination mit hohen Zug- und Rotationskräften angegeben. Die Häufigkeit dieser Verletzung ist durch technische Weiterentwicklungen der Trapezgurte deutlich rückläufig.

Sportartspezifisches
Belastungsprofil

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4