Übersichtsarbeiten - OUP 07-08/2014

Knorpelläsionen im Kniegelenk – aktueller Stand in Diagnostik und Therapie

Bei osteochondralen ICRS Grad IV-Defekten ist die osteochondrale Transplantation (OCT) eine einzeitige Therapieoption (Abb. 9). Vorteile dieses einzeitigen Verfahrens sind die osteochondrale Einheilung mit hoher Primärstabilität des Knochen-Knorpel-Zylinders, der aus einem nicht lasttragenden Areal des Kniegelenks wie z.B. der Trochlea mittels Meißelextraktion oder Nassschleifverfahren entnommen wurde sowie ein früher Rehabilitationsbeginn postoperativ. Nur bei der OCT wird der Knorpeldefekt in einer Belastungszone des Kniegelenks durch hyalines Knorpelgewebe gefüllt. Dabei zeigte eine klinische Studie von Hangody et al., dass im Bereich des transplantierten Knochen-Knorpel-Zylinders hyalin-artiges Knorpelgewebe nach Transplantation in vivo in einer histologischen Kontrolluntersuchung nachweisbar war [26]. Unklar bleibt, welchen Einfluss die sog. Gap-Bildung mit Ausbildung von Faserknorpel zwischen den Zylindern bzw. am Interface zum ortsständigen Knorpel auf das Ergebnis nimmt. Nachteile der OCT sind unter anderem die Entnahmemorbidität sowie die eingeschränkte Spendermenge osteochondraler Zylinder [27]. Aufgrund der begrenzten Möglichkeit, Spenderzylinder zu entnehmen, sollte die Größe der zu deckenden Läsion etwa 4 cm2 nicht überschreiten. Als alternative Therapieoption besteht die Möglichkeit einer ACT mit knöchernem Aufbau der ossären Komponente durch eine autologe Spongiosaplastik bzw. Knochenzylindertransfer. Die Indikation zu dieser zweizeitigen osteochondralen Rekonstruktion wird gesehen bei fehlenden OCT-Entnahmemöglichkeiten bzw. bei fehlender mechanischer Implantierbarkeit der OCT-Spenderzylinder.

Im Vergleich mit der Mikrofrakturierung sowie der ACT existieren aktuelle Studien, die sowohl klinisch als auch arthroskopisch gleichwertige Ergebnisse der Mikrofrakturierung, ACT und OCT nach einem Jahr zeigen [28]. Dagegen zeigen histologische Reevaluierungen 2 Jahre nach ACT und OCT ausschließlich hyalin-artiges Knorpelgewebe nach OCT, während die ACT in der Folgezeit nur ein fibrocartilaginäres Knorpelregenerat induzieren konnte [29].

Osteochondrale ICRS Grad IV-Läsionen mit osteochondralem Flake sollten stets versucht werden, einzeitig z.B. mittels sogenannter „Chondrodarts“ refixiert zu werden, um das hyaline Knorpelgewebe erhalten zu können. Mögliche Komplikationen dabei sind zum einen die oftmals notwendige Arthrotomie zur Flake-Refixation sowie sekundäre Nekrosen und Auffaserungen des refixierten Knorpelgewebes im weiteren Verlauf (Abb. 4–7). Ist der Flake nicht refixierbar, erfolgt die Analyse der Defektzone und der Therapieoptionen nach o.g. Kriterien der Knorpeldefekte Typ ICRS III.

Begleitpathologien sollten bei der Therapie immer mit berücksichtigt und therapiert werden. Aus diesem Grund sollten Band- und Meniskusrekonstruktionen sowie Beinachsen-korrigierende Eingriffe zwingend mit in den Therapiealgorithmus inkludiert werden. Inwieweit diese im Rahmen einer Knorpelzellentnahme oder einer ACT-Reimplantation erfolgen sollten, hängt von der individuellen Pathologie, Zugangsmorbidität und spezifischen Nachbehandlung ab und muss individuell festgelegt werden.

Therapeutische Perspektiven

In Zukunft nehmen bei der Behandlung von Knorpeldefekten die Stammzelltherapie sowie das Tissue Engineering eine zunehmende Bedeutung ein: In der sog. „Tissue Engineering Triade“ werden die 3 großen Forschungsbereiche zur Knorpelgeweberegeneration zusammengefasst [30, 31]:

  • 1. Neue Biomaterialien, die als Trägersubstanz von sich differenzierenden Chondrozyten dienen.
  • 2. Mesenchymale, multipotente Stammzellen, die nach chondrogener Differenzierung Knorpelmatrix in vivo synthetisieren können.
  • 3. Biologische, chemische und mechanische Umgebungsfaktoren, welche die Chondrozytendifferenzierung induzieren sowie die Chondrozytende-differenzierung supprimieren können.

Fazit

Vor Durchführung eines knorpeltherapeutischen Verfahrens bedarf es einer genauen, individualisierten Analyse der Knorpelläsion sowie des betroffenen Patienten mit seinen Ansprüchen und Begleitpathologien. Nach genauer Erhebung des klinischen Befunds mittels Anamnese und körperlicher Untersuchung erfolgt die o.g. Standard-Röntgendiagnostik sowie die Durchführung eines MRT zur genauen Beurteilung der osteo-/chondralen Läsion und ihrer Begleitpathologien. Im Anschluss daran schließen sich standardisierte, an der ICRS-Klassifikation orientierte Therapiealgorithmen zur Festlegung des knorpeltherapeutischen Verfahrens an. Eine eingeschränkte Studienlage lässt noch keine Aussage über die langfristige Prävention einer Osteoarthrose durch die derzeit in der klinischen Anwendung befindlichen Knorpeltherapieverfahren zu. In Zukunft werden die Knorpelzelltherapie sowie das Tissue Engineering neue Therapiemöglichkeiten bei der Behandlung von Knorpelläsionen ermöglichen.

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors bestehen.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Frederic Welsch

Abteilung für Sportorthopädie,
Knie- und Schulterchirurgie

Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt am Main

Friedberger Landstraße 430

60389 Frankfurt am Main

frederic.welsch@bgu-frankfurt.de

Literatur

1. Hunter W. Of the structure and disease of articulating cartilages. 1743. Clinical orthopaedics and related research 1995; 3–6

2. Curl WW et al. Cartilage injuries: a review of 31,516 knee arthroscopies. Arthroscopy : the journal of arthroscopic & related surgery : official publication of the Arthroscopy Association of North America and the International Arthroscopy Association 1997: 13, 456–460

3. Buckwalter JA, Mankin HJ. Articular cartilage: degeneration and osteoarthritis, repair, regeneration, and transplantation. Instructional course lectures 1998; 47: 487–504

4. Edmonds EW, Polousky J. A review of knowledge in osteochondritis dissecans: 123 years of minimal evolution from Konig to the ROCK study group. Clinical orthopaedics and related research 2013; 471: 1118–1126

5. Johnson DL, Urban WP Jr., Caborn DN, Vanarthos WJ, Carlson CS. Articular cartilage changes seen with magnetic resonance imaging-detected bone bruises associated with acute anterior cruciate ligament rupture. The American journal of sports medicine 1998¸26, 409–414

6. Recht MP, Goodwin DW, Winalski CS, White LM. MRI of articular cartilage: revisiting current status and future directions. AJR. American journal of roentgenology 2005; 185, 899–914

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4