Übersichtsarbeiten - OUP 03/2014

Konservative versus operative Therapie des Morton Neuroms

D. Frank1

Zusammenfassung: Das Morton Neurom ist nicht einfach zu diagnostizieren, da eindeutige, objektivierbare Kriterien fehlen. Anamnese und Klinik sind entscheidend. Die Bildgebung kann hilfreich sein. Die Therapie kann nichtinvasiv konservativ, invasiv konservativ oder operativ durchgeführt werden. Eine eindeutige Überlegenheit der einen oder anderen Methode ist nicht erkennbar.

Schlüsselwörter: Morton Neurom, konservative Therapie des Morton Neuroms, Chirurgie des Morton Neuroms

Zitierweise
Frank D. Konservative versus operative Therapie des Morton Neuroms. OUP 2014; 3: 114–117. DOI 10.3238/oup.2014.0114–0117

Abstract: The diagnosis of Morton´s neuroma is difficult. There are no definite objective criterias. Patients complaints and clinical findings are decisive. X-ray and MRI could be helpfull. Therapeutical options are conservative non invasive, conservative invasive and surgery. No method is superior to the others.

Keywords: Morton´s neuroma, conservative treatment of Morton´s neuroma, surgical treatment of Morton´s neuroma

Citation
Frank D. Conservative versus operative treatment of Morton´s neuroma.
OUP 2014; 3: 114–117. DOI 10.3238/oup.2014.0114–0117

Einleitung

Die Erstbeschreibung einer intermetatarsalen Neuropathie geht auf den Italiener Fillippo Civinini 1835 und den Engländer Lewis Durlacher [1] im Jahr 1845 zurück. Während Civinini noch von einer „nervösen, ganglienähnlichen Schwellung“ an der Fußsohle spricht beschreibt Durlacher eine Neuralgie der Äste des N. plantaris zwischen dem III. und IV. Metatarsaleköpfchen [2]. Thomas George Morton (1876) nannte die Erkrankung „Morton´s toe“ und entwickelte eine Theorie eines Pathomechanismus [3], die allerdings nicht anerkannt wurde. Obwohl er nicht der Erstbeschreiber war, ist die klinische Symtomatologie weiterhin mit seinem Namen belegt.

Der schmerzhafte Zustand im Interdigitalraum III/IV wird synonym mit einer Reihe von Begriffen belegt u.a.:

  • Morton Syndrom,
  • Morton Neurom,
  • Morton Fuß,
  • Morton Metatarsalgie,
  • Morton Nerven Entrapment.

Diese Begrifflichkeit ist vom Morton Syndrom abzugrenzen. Dudley J. Morton (1884–1960) subsumierte unter diesem Begriff die verkürzte Großzehe (griechische Fußform) mit einem hypermobilen ersten Metatarsale und einer vermehrten Beschwielung unter dem 2. Metatarsaleköpfchen. Allerdings hat sich dieser Begriff im europäischen Sprachraum nicht durchgesetzt. Wieso die Erkrankung sich letztendlich in der Bezeichnung mit T.G. Morton und nicht dem Erstbeschreiber ergeben hat, lässt sich nur spekulieren. Wahrscheinlich hat die mehr systematische Beschreibung des Krankheitsbilds mit einer gleichzeitigen Therapieempfehlung den Ausschlag gegeben.

Diagnostik

Die Diagnostik des Morton Neuroms vor allem in der Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern ist schwierig. Frauen sind wesentlich häufiger betroffen als Männer. Der Erkrankungsgipfel liegt in der 5. Lebensdekade. Die Angaben der Patienten variieren stark von gelegentlichen bis persistierenden Schmerzen, teilweise wird ein brennendes Gefühl beklagt. Über Krämpfe wird berichtet. Die Symptome können permanent, gelegentlich und auch nach sehr langen schmerzfreien Intervallen auftreten. Hypästhesien können, müssen aber nicht vorhanden sein. Einige Patienten klagen über stechende Schmerzen nachts, andere nur tagsüber unter Belastung. Obwohl die Beschwerdeschilderung ein breites Spektrum unterschiedlicher Ausprägungen ergibt, sind die Angaben des Patienten ein wesentlicher Hinweis für die Diagnosestellung.

Viele, aber nicht alle Patienten verspüren bei der manuellen Untersuchung einen Druckschmerz im betroffenen Areal. Als weitere Untersuchungskriterien findet man eventuell eine Hypästhesie der dem Interdigitalraum zugewandten Seiten der Zehen.

Prädilektionsort ist der Raum zwischen Metatarsale III/IV, seltener zwischen II und III. In ca. 16 % können beide Intermetatarsalräume betroffen sein.

In sehr seltenen Fälle berichten die Patienten über einen „Klick“ beim Abrollen des Fußes im betroffenen Bereich. Lässt sich dieses „Klick-Zeichen“ manuell auslösen, spricht man vom Mulder-Zeichen. Diese nach dem Niederländer Jacob D. Mulder [4] benannte Untersuchungstechnik besteht in einer den Vorfuß von medial und lateral komprimierenden Kraft bei gleichzeitigem Druck auf den plantaren Intermetatarsalraum. Im Grunde genommen werden bei der Untersuchung am entspannten Fuß die Druckverhältnisse reproduziert, welche beim Abrollvorgang im verhältnismäßig engen Schuh eintreten. Das Untersuchungszeichen ist in ca. 40 % der Fälle positiv.

Ein weiterer Hinweis auf das mögliche Vorliegen eines Morton Neuroms ist das „Sullivan“ – Zeichen, die Entstehung von Spreizzehen/Splay toes, s. Abb. 1.

Sehr selten lassen sich elektrophysiologisch pathologische Aktionspotenziale nachweisen.

Eine Schmerzreduktion oder eine Beschwerdefreiheit nach einer Probeinfiltrationen, auch unter sonografischer Kontrolle, sind hinweisend, aber nicht beweisend für ein Morton Neurom. Andere, mit Schmerzen verbundene Erkrankungen lassen sich ebenfalls durch die Infiltration eines Lokalanästhetikums zur Zufriedenheit des Patienten diagnostizieren oder therapieren.

Obwohl die Diagnostik eines Morton Neuroms eher klinisch geprägt ist, sollte eine bildgebende Diagnostik im Sinne eines Röntgenbildes in 2 Ebenen unter Belastung erfolgen. Die Röntgendiagnostik dient dem Ausschluss differenzialdiagnostischer Krankheitsbilder wie Subluxationen oder Luxationen eines MTP-Gelenks, eines Morbus Freiberg-Köhler II oder einer Ermüdungsfraktur. Als bildgebende Diagnostik sind Röntgenaufnahmen des Fußes in 2 Ebenen unter Belastung zu empfehlen.

Die Sonografie kann bei korrekter Anwendung mit hoher Sensitivität und Spezifität den Nachweis eines raumfordernden Prozesses ergeben. Allerdings variieren die Ergebnisse mit der Erfahrung und der Befundinterpretation des Untersuchers [5]. Nach Shapiro [6] beträgt die Accuracy 95–98 %. Voraussetzung ist eine Untersuchung mit einem Linearschallkopf mit 7,5 MHZ. Falsch negative Befunde können sich bei „Neuromen“ < 6 mm ergeben [7].

Die Kernspinuntersuchung kann Hinweise auf das Vorliegen eines raumfordernden Prozesses im Interdigitalraum geben, ohne dass eine eindeutige Aussage über die Art des Weichteiltumors möglich ist. Spindelförmige Strukturen sind in den koronaren Schnitten erkennbar, die in der T1-Gewichtung ein isodenses Signal zur Muskulatur aufweisen. Allerdings gibt es eine Prävalenz von 33 % bei nicht symptomatischen Füßen, sodass die Wertigkeit dieser Untersuchung eingeschränkt ist. Auffällig war, dass die Strukturen < 5 mm waren, wenn die Probanden keine Beschwerden hatten. Die MRT-Untersuchung ist in der Lage, eine klinisch relevante Zahl von Differenzialdiagnosen, wie Bursitiden, Ganglien oder Rupturen der plantaren Platte eines MTP-Gelenks darzustellen.

Differenzialdiagnosen

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